Schwerbehinderung: Diese neuen Regeln entlasten Angehörige wirklich

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Wer einen Angehörigen pflegt, stellt den Alltag auf den Kopf. Termine, Pflegeaufgaben, Bürokratie – das kostet Zeit und Kraft. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Hilfen früh zu nutzen.

Selbsthilfegruppen: Austausch, der trägt

Selbsthilfe ist mehr als ein offenes Ohr. Hier treffen Sie Menschen in ähnlichen Situationen, erhalten konkrete Tipps aus der Praxis, Adressen und Erfahrungen mit Kassen und Behörden. Viele Gruppen bieten inzwischen hybride Treffen (vor Ort & online). Das nimmt Druck raus – und verhindert, dass man mit Sorgen allein bleibt.

Unterstützung im Alltag: 131 € Entlastungsbetrag pro Monat

Pflegebedürftige (Pflegegrad 1–5) in häuslicher Pflege erhalten monatlich 131 € Entlastungsbetrag. Damit lassen sich anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag bezahlen – z. B. stundenweise Betreuung, Alltagsbegleitung, Entlastungsleistungen ambulanter Dienste oder Eigenanteile bei Tages-/Nacht- und Kurzzeitpflege.

Wichtig: Es ist eine Erstattungsleistung gegen Rechnung. Nicht verbrauchte Beträge können bis zum 30. Juni des Folgejahres nachgeholt werden.

Peer-Beratung: Hilfe auf Augenhöhe

„Peers“ sind Betroffene mit ähnlicher Diagnose oder Einschränkung, die ehrenamtlich beraten – z. B. beim Übergang von der Klinik nach Hause, bei der Orientierung im Leistungsdschungel oder bei Teilhabe-Fragen. Das ist praxisnah, niedrigschwellig und stärkt die eigene Handlungsfähigkeit.

Ambulanter Pflegedienst: Planbar entlastet

Pflegedienste übernehmen körperbezogene Pflegemaßnahmen und hauswirtschaftliche Unterstützung – individuell terminiert und auf den Bedarf abgestimmt. Je nach Pflegegrad können Sachleistungsbudgets oder Kombinationsleistungen (Sachleistung + anteiliges Pflegegeld) genutzt werden. Für betreuende/hauswirtschaftliche Tätigkeiten kann zusätzlich der Entlastungsbetrag eingesetzt werden.

Krankenhaus-Sozialdienst: Entlassmanagement mit Auftrag

Vor der Entlassung koordiniert der Sozialdienst die Anschlussversorgung: Hilfsmittel, häusliche Pflege, Reha, Übergang in Kurzzeitpflege, Anträge. Das ist gesetzlich verankert – nutzen Sie diesen Anspruch und lassen Sie sich Termine und Zuständigkeiten schriftlich bestätigen.

EUTB: Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung

Für Menschen mit (drohender) Behinderung und Angehörige: kostenfrei, unabhängig, häufig mit Peer-Ansatz. Es geht um Reha- und Teilhabeleistungen, Orientierung im System und Entscheidungsunterstützung – keine Anwaltstätigkeit, aber rechtlich fundierte Wegweiser.

Pflegekurse: Pflichtleistung, kostenlos

Die Pflegekasse muss Pflegekurse für Angehörige anbieten – unentgeltlich. Vermittelt werden pflegerische Grundlagen (Lagerung, rückenschonendes Heben, Hautpflege, Ernährung, Inkontinenz, Umgang mit Hilfsmitteln) und Strategien gegen Überlastung. Kurse finden vor Ort, online oder sogar als Einzelschulung zu Hause statt.

Kurzzeit- und Verhinderungspflege: Mehr Flexibilität seit 01.07.2025

Seit dem 1. Juli 2025 gilt ein gemeinsamer Jahresbetrag von bis zu 3.539 € für Kurzzeit- und Verhinderungspflege (mind. Pflegegrad 2). Beide Leistungen können bis zu 8 Wochen pro Jahr genutzt werden. Die frühere Vorpflegezeit (6 Monate) für die erstmalige Verhinderungspflege entfällt – der Anspruch greift sofort ab Feststellung des Pflegegrades (ab PG 2).

Leistung Worum geht’s?
Kurzzeitpflege Vorübergehende vollstationäre Pflege, z. B. nach Klinik, in Krisen oder zur Stabilisierung. Unterkunft/Verpflegung fallen ggf. als Eigenanteile an (kann teils über Entlastungsbetrag abgefedert werden).
Verhinderungspflege Ersatzpflege, wenn die private Pflegeperson verhindert ist (Urlaub, Krankheit, Termine). Ersatz kann Pflegedienst, Einzelpflegekraft oder auch Freund*innen/Verwandte sein.
Neu seit 07/2025 Ein Budget (3.539 €) für beide – flexibel aufteilbar; Dauer jeweils bis 8 Wochen, keine Vorpflegezeit mehr für den Erstanspruch.

Arbeit & Pflege: Rechte, die Zeit schaffen

Bei einer akuten Pflegesituation haben Beschäftigte Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld: Bis zu zehn Arbeitstage pro Kalenderjahr ersetzt die Pflegekasse einen Teil des ausfallenden Lohns, wenn kurzfristig die Organisation oder Versorgung eines pflegebedürftigen Angehörigen nötig ist.

Für längere Zeiträume ermöglicht die Pflegezeit (PflegeZG) eine vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit für bis zu sechs Monate – mit Kündigungsschutz, abhängig von der Betriebsgröße.

Ergänzend gibt es die Familienpflegezeit (FPfZG): Sie erlaubt eine bis zu 24-monatige Reduzierung der Arbeitszeit auf mindestens 15 Wochenstunden im Jahresdurchschnitt; zur finanziellen Abfederung kann ein zinsloses Darlehen beim BAFzA beantragt werden. Beide Modelle lassen sich kombinieren, insgesamt jedoch höchstens für 24 Monate.

Praktische Tipps für den Start

  1. Pflegegrad zügig beantragen (MD-Begutachtung), ggf. Widerspruch einlegen.
  2. Leistungen kombinieren: Sachleistung/Kombinationsleistung + Entlastungsbetrag + (bei Bedarf) Tages-/Nachtpflege.
  3. Vertretung planen: Frühzeitig Verhinderungs-/Kurzzeitpflegeplätze klären; Rechnungswege (Erstattung/Abtretung) mit der Kasse abstimmen.
  4. Dokumente sammeln: Bescheide, Gutachten, Nachweise – alles geordnet ablegen.
  5. Eigene Gesundheit im Blick: Pausen einplanen, Pflegekurse besuchen, Selbsthilfe nutzen.

Fazit

Pflegen heißt Verantwortung – aber nicht, alles allein zu tragen. 2025 bringt spürbar mehr Flexibilität: ein gemeinsames Budget für Kurzzeit- und Verhinderungspflege, 131 € Entlastungsbetrag monatlich, klare Ansprüche auf Pflegekurse, Entlassmanagement und arbeitsrechtliche Freistellungen.

Wer diese Bausteine klug kombiniert, gewinnt Zeit, Luft und Sicherheit im Pflegealltag.