Erhalten Beschรคftigte eine unbefristete volle Erwerbsminderungsrente, kann das Arbeitsverhรคltnis ohne Kรผndigung enden โ aber nur, wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag eine auflรถsende Bedingung vereinbart ist.
Genau das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Az. 7 AZR 1002/12). Die Regelung ist nicht diskriminierend, auch wenn Betroffene schwerbehindert sind.
Heute gilt zusรคtzlich ein Zustimmungserfordernis des Integrationsamts, wenn die/der Beschรคftigte schwerbehindert oder gleichgestellt ist. Ohne diese Zustimmung ist die Beendigung unwirksam.
Der Fall in Kรผrze
Eine Beschรคftigte mit zunรคchst GdB 40, spรคter GdB 50 (Schwerbehinderung), war lรคnger arbeitsunfรคhig. Die Rentenversicherung bewilligte ihr erst befristet eine volle EM-Rente, verlรคngerte diese mehrfach und erkannte schlieรlich eine unbefristete volle EM-Rente bis zur Regelaltersgrenze an (รberprรผfungsvorbehalt mรถglich).
Im Tarifvertrag (arbeitsvertraglich einbezogen) stand: Das Arbeitsverhรคltnis endet, sobald der Bescheid รผber unbefristete volle EM zugeht; bei einer Zeitrente ruht es lediglich. Der Arbeitgeber erklรคrte daraufhin das Ende des Arbeitsverhรคltnisses.
Die Arbeitnehmerin klagte โ ohne Erfolg: Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und BAG wiesen sie ab. Spรคter bestรคtigte auch das LAG Rheinland-Pfalz (2 Sa 27/23) in einem kirchlichen Fall (AVR Caritas) die Wirksamkeit einer solchen Beendigungsregel.
Was das BAG gesagt hat โ und was das heute bedeutet
Das BAG hat klargestellt: Eine tarif- oder arbeitsvertragliche Klausel, die das Ende des Arbeitsverhรคltnisses bei unbefristeter voller EM-Rente vorsieht, ist wirksam. Hintergrund ist ein sachlicher Grund: Bei unbefristeter voller EM ist davon auszugehen, dass die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung dauerhaft nicht mehr erbracht werden kann.
Das schรผtzt die/den Beschรคftigten vor รberforderung und ermรถglicht dem Arbeitgeber Rechtssicherheit. Die Rente sichert den Lebensunterhalt.
Im BAG-Fall (2014) war fรผr schwerbehinderte Menschen keine Integrationsamtszustimmung erforderlich. Heute verlangt ยง 175 SGB IX diese Zustimmung auch bei Beendigungen โkraft Bedingungโ.
Viele Tarifregelungen โ etwa im รถffentlichen Dienst โ bilden das ab: Bei Schwerbehinderten endet das Arbeitsverhรคltnis erst mit Zustellung des Zustimmungsbescheids des Integrationsamts.
TVรถD/vergleichbare Klauseln korrekt verstehen
Gerade im TVรถD (und รคhnlichen Richtlinien) ist oft geregelt, dass das Arbeitsverhรคltnis bei unbefristeter voller EM mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages endet โ frรผhestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Mitteilung des Arbeitgebers รผber den Eintritt der Bedingung. Beschรคftigte mรผssen den Rentenbescheid unverzรผglich vorlegen.
Bei einer befristeten vollen EM-Rente endet das Arbeitsverhรคltnis nicht, sondern ruht bis zum Ende der Bewilligung.
Schneller รberblick
| Situation | Rechtsfolge (typisch bei TVรถD/AVR u.รค.) |
| Volle EM-Rente auf Zeit | Ruhen des Arbeitsverhรคltnisses (keine Beendigung). |
| Volle EM-Rente unbefristet | Beendigung kraft auflรถsender Bedingung, wenn vertraglich vereinbart; im รถffentlichen Dienst mit Zwei-Wochen-Mindestfrist nach Arbeitgeber-Mitteilung. |
| Schwerbehinderung/Gleichstellung | Vorherige Zustimmung des Integrationsamts ist fรผr die Beendigungerforderlich (nicht fรผr das Ruhen). Ende regelmรครig erst mit Zustellungsdatumdes Zustimmungsbescheids. |
Was heiรt das konkret fรผr Betroffene?
- Vertrag checken: Steht eine auflรถsende Bedingung drin (z. B. ยง 33 Abs. 2 TVรถD oder entsprechende AVR-Klausel)? Ohne eine solche Klausel entsteht kein automatisches Ende โ dann braucht es Kรผndigung oder Aufhebungsvertrag.
- Rentenart prรผfen: Unbefristet = mรถgliches Ende; befristet = Ruhen.
- Status klรคren: Schwerbehindert/gleichgestellt? Dann muss der Arbeitgeber vorher die Zustimmung des Integrationsamts einholen, sonst ist die Beendigung unwirksam.
- Fristen im Blick behalten: Im รถffentlichen Dienst gilt oft die Zwei-Wochen-Regel ab Mitteilung des Arbeitgebers.
- Arbeitsfรคhigkeit realistisch einschรคtzen: Eine volle EM-Rente setzt voraus, dass nur noch unter drei Stunden tรคglich erwerbstรคtig gearbeitet werden kann. Sprechen Sie mit dem Arbeitgeber, ob und wie eine restliche Beschรคftigung (z. B. Minijob, leidensgerechter Einsatz) auรerhalb des bisherigen Vertrags mรถglich ist.
Beispiel aus der Praxis: Caritas-Fall bestรคtigt Linie
Auch auรerhalb des TVรถD sind solche Regelungen zulรคssig, wenn sie wirksam vereinbart sind. Im Fall einer Kita-Leiterin (AVR Caritas) beendete der Trรคger das Arbeitsverhรคltnis nach Bewilligung der unbefristeten vollen EM-Rente.
Das LAG Rheinland-Pfalz erklรคrte die vertragliche Beendigungsautomatik fรผr wirksam. Entscheidend war auch hier: Klar vereinbarte Bedingung, richtige Verfahrensschritte (insb. bei Schwerbehinderung Zustimmung des Integrationsamts) und Fristen.




