Rente: Sieg vor Gericht – Hilfsantrag knackt Blockade der Rentenkasse

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Die Deutsche Rentenversicherung muss einen Antrag auf Erwerbsminderung auch dann in der Sache prรผfen und darรผber entscheiden, wenn sie diesen fรผr โ€žquerulatorischโ€œ hรคlt. So entschied das Sozialgericht Braunschweig (S 36 R 298/21) am 11.01.2022. Betroffen war die DRV Nordbayern.

Gutachten sieht keine Erwerbsminderung

Die Klรคgerin stellte erstmals 2017 einen Antrag bei der Rentenversicherung, ihr eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewรคhren. Die Rentenversicherung beauftragte eine Gutachterin, um dies zu prรผfen.

Diese stellte zwar mehrere Erkrankungen fest, sah aber trotzdem eine tรคgliche Leistungsfรคhigkeit von mehr als sechs Stunden fรผr kรถrperlich leichte Tรคtigkeiten und damit keine Erwerbsminderung.

Betroffene klagt ohne Erfolg

Die Betroffene legte erfolglos Widerspruch ein und erhob Klage vor dem Sozialgericht Braunschweig (S 13 R 432/18). Diese blieb ebenso erfolglos wie die folgende Berufung vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (L 9 R 360/19). Beide Gerichte urteilten, dass die vorhandenen รคrztlichen Befunde zeigten, dass die Kriterien einer Erwerbsminderung nicht vorlรคgen.

Neuer Antrag auf Erwerbsminderung

Wenige Monate nach der Entscheidung des Landessozialgerichts beantragte die Betroffene am 24.11.2020 erneut die Gewรคhrung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Rentenkasse lehnte diesen mit Bescheid vom 23.01.2021 ab und begrรผndete es damit, dass die Frau zuvor einen gleichen Antrag eingereicht habe, den die Versicherung mit bindendem Bescheid abgelehnt hรคtte. Seitdem hรคtten sich die tatsรคchlichen oder rechtlichen Verhรคltnisse nicht geรคndert.

Betroffene sagt, ihr Zustand habe sich verschlechtert

Die Frau erhob Widerspruch und begrรผndete diesen damit, dass sich ihre Gesundheit verschlechtert habe und sie sich aktuell in psychologischer Behandlung befinde.

Spรคter legte sie einen aktuellen Befund ihrer Psychotherapeutin sowie weitere รคrztliche Atteste vor, unter anderem im Februar 2021. Die Rentenversicherung wies den Widerspruch zurรผck.

Erneute Klage vor dem Sozialgericht

Die Betroffene klagte jetzt wieder vor dem Sozialgericht Braunschweig, um eine volle Erwerbsminderungsrente durchzusetzen. Die Rentenversicherung argumentierte, der neue Antrag sei โ€žquerulatorischโ€œ.

Dies wird umgangssprachlich genutzt, um hartnรคckige, als unbegrรผndet eingeschรคtzte Antrรคge zu charakterisieren โ€“ fรผr die Entscheidung war diese Bewertung aber nicht tragend.

Klare Ansage der Richter an die Rentenversicherung

Die Richter erklรคrten erst einmal, dass sie die Frage nicht klรคren kรถnnten, ob die Betroffene Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente habe. Der Hauptantrag der Klรคgerin auf unmittelbare Rentengewรคhrung war damit unzulรคssig.

Erfolg hatte der Hilfsantrag: Das Gericht verurteilte die DRV, รผber den Antrag vom 24.11.2020 in der Sache zu entscheiden.

Das Verhalten der Rentenkasse erklรคrten die Richter als rechtswidrig. Die Rentenversicherung habe keine Befugnis, per Verwaltungsakt vorab zu entscheiden, ob sie einen Antrag in der Sache prรผft oder nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Rentenkasse diesen Antrag als โ€žquerulatorischโ€œ ansieht โ€“ sie muss ihn in jedem Fall prรผfen und bescheiden.

Neue Befunde sind zu prรผfen

Ebenso hatte die Betroffene angegeben, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtert habe, und neue รคrztliche Befunde vorgelegt. Die Rentenversicherung konnte daher nicht einfach behaupten, die Tatsachen seien unverรคndert wie beim zuvor gestellten Antrag, sondern musste die neuen Unterlagen berรผcksichtigen.

Rentenversicherung muss รผber Antrag entscheiden

Deshalb verurteilte das Sozialgericht die Rentenversicherung dazu, รผber den Antrag der Betroffenen auf Erwerbsminderung in der Sache zu entscheiden. Ob tatsรคchlich eine Erwerbsminderung vorliegt, blieb offen und ist nun im Verwaltungsverfahren โ€“ bei Bedarf mit neuer medizinischer Begutachtung โ€“ zu klรคren.