Schwerbehinderung: Der Vertrauensschutz läuft Ende 2025 aus

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Zum Jahreswechsel 2026 endet eine Ära. Mit dem Auslaufen des sogenannten Vertrauensschutzes dürfen künftige Generationen schwerbehinderter Versicherter nur noch dann ohne Abschlag in den Ruhestand gehen, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet haben.

Für Jahrgänge ab 1964 rückt damit die bis dahin abschlagsfreie Altersgrenze um zwei Jahre nach hinten; wer weiterhin schon mit 62 Jahren den Beruf an den Nagel hängen will, muss dauerhaft Kürzungen von bis zu 10,8 Prozent hinnehmen. Die Deutsche Rentenversicherung bestätigt diese Neuregelung auf ihrer Informationsseite zur Altersrente für Schwerbehinderte.

Es begann im Jahr 2007

Die Verschiebung ist keine hastig beschlossene Maßnahme, sondern Teil des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes, das der Bundestag bereits 2007 verabschiedete. Darin wurde festgelegt, die Regelaltersgrenze bis 2029 stufenweise auf 67 Jahre anzuheben – und mit ihr alle Sonderregelungen.

Für Schwerbehinderte bedeutet das: Die bisherige Privilegierung von 63 Jahren (abschlagsfrei) beziehungsweise 60 Jahren (mit Abschlag) wandert synchron auf 65 und 62 Jahre, während der maximale Abschlag unverändert bei 10,8 Prozent bleibt.

Dr. Utz Anhalt: Das ändert sich jetzt bei der Rente für Schwerbehinderte

Was sich nicht ändert – und was jetzt teurer wird

Unberührt von der Reform bleiben die Zugangsvoraussetzungen. Nach wie vor müssen Betroffene einen anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50 Nachweisen und 35 Beitragsjahre vorweisen. Neu ist nur der Preis des früheren Ausstiegs: Jeder Monat, den Versicherte vorziehen, kostet 0,3 Prozent Rentenanspruch – zusammengerechnet eben jene 10,8 Prozent bei drei Jahren Vorlauf.

Ein Rechenbeispiel von Dr. Utz Anhalt zeigt das Problem: Aus einer prognostizierten Bruttorente von 1 750 Euro blieben nach dem Abschlag nur noch knapp 1 370 Euro übrig; hinzu kommt der Verlust künftiger Entgeltpunkte, weil drei Beitragsjahre entfallen.

Warum die Regierung darauf beharrt

Die Bundesregierung verweist auf die demografische Belastung der gesetzlichen Rentenversicherung. Mehr Rentnerinnen und Rentner bei gleichzeitig schrumpfender Erwerbsbevölkerung erforderten „Generationengerechtigkeit“, argumentiert das Bundesarbeitsministerium: Längere Lebensarbeitszeiten stabilisierten Beitragssätze und Steuerzuschüsse.

Kritik aus Sozialverbänden

Sozialverbände wie der SoVD mahnen indes, die Reform treffe ausgerechnet Menschen, deren Erwerbsbiografie bereits von gesundheitlichen Einschränkungen belastet sei.

Für sie bedeute die Wahl zwischen länger Arbeiten und höheren Abschlägen ein erhöhtes Risiko, im Alter in Armut abzugleiten. Fachleute wie der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt betonen, dass Schwerbehinderten häufig Tätigkeiten zugemutet würden, die ihre Gesundheit zusätzlich beeinträchtigen – was die Option „länger arbeiten“ stark einschränkt.

Strategien gegen den Rentenabzug

Wer dennoch früher ausscheiden will, kann Abschläge teilweise neutralisieren. Eine Möglichkeit bieten freiwillige Ausgleichszahlungen an die Rentenversicherung; sie erhöhen die späteren Entgeltpunkte.

Eine andere ist die Teilrente: Wer seine Arbeitszeit reduziert, bleibt versicherungspflichtig beschäftigt und sammelt weiterhin Punkte, während der Abschlag geringer ausfällt – ein Instrument, das vor allem Menschen mit reduzierter Leistungsfähigkeit entlasten soll.

Minijob als wenig bekanntes Sicherheitsnetz

Kaum bekannt ist eine dritte Option: Auch Minijobberinnen und Minijobber zahlen, sofern sie sich nicht ausdrücklich befreien lassen, regulär Rentenversicherungsbeiträge.

Selbst eine geringfügige Beschäftigung mit wenigen Wochenstunden führt damit zu Entgeltpunkten und kann den Weg in eine vorgezogene Altersrente ohne Verlust ebnen. Für manche Versicherte ist das eine Brücke zwischen gesundheitlicher Schonung und finanziellem Ausgleich.

Lohnt dennoch eine frühere Rente?

Ob sich der frühe Ausstieg lohnt, hängt von mehreren Variablen ab: Lebenserwartung, Steuerlast, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie individuelle Vermögensverhältnisse. Eine verbindliche Rentenauskunft liefert die Deutsche Rentenversicherung frühestens zwölf Monate vor dem geplanten Ruhestand.

Expertinnen und Experten raten jedoch, schon Jahre zuvor Profis hinzuzuziehen – Rentenberater, Fachanwälte für Sozialrecht oder die Beratungsstellen der Wohlfahrts- und Behindertenverbände.

Sie können anhand der persönlichen Versicherungsbiografie simulieren, wie hoch die Gesamtrente unter unterschiedlichen Szenarien ausfallen wird.

Früh planen, um böse Überraschungen zu vermeiden

Die Reform tritt unausweichlich am 1. Januar 2026 in Kraft. Wer 1964 oder später geboren wurde und eine Schwerbehinderung besitzt, sollte deshalb frühzeitig prüfen, ob freiwillige Zahlungen, Teilrente oder ein versicherungspflichtiger Minijob den künftigen Abschlag mildern können.

Eine sorgfältige Kalkulation kann über Jahrzehnte hinweg mehrere tausend Euro Unterschied bedeuten – und ist der beste Schutz vor finanziellen Engpässen im Alter.