Rente: Neuer Grundrentenfreibetrag im Bürgergeld

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Wer vor Eintritt der Rente mindestens 33 Jahre Grundrentenzeit gesammelt hat, bekommen einen hohen Freibetrag auf seine Rente. Das gilt nicht nur für Altersrentner sondern auch Erwerbsminderungs-, Witwen- und Waisenrentenbezieher.

Inhaltsverzeichnis

Voraussetzungen für den Freibetrag

Bei Alters- und Erwerbsminderungsrentnern gibt es den Freibetrag, wenn sie selbst die 33 Jahre Grundrentenzeit gesammelt haben. Bei Witwen- und Waisenrenten ist Voraussetzung, dass der Verstorbene, von dem die Rente abgeleitet ist, die Grundrentenzeiten gesammelt hatte.

Grundrentenzeiten

Zu den notwendigen 396 Monaten Grundrentenzeiten zählen unter anderem:

  1. Sozialversicherungspflichtige Arbeit/Ausbildung
  2. Selbstständigkeit mit Einzahlung in die Rentenversicherung
  3. Minijob mit eigener Beitragszahlung
  4. Wehr-/ Zivildienst
  5. Kindererziehungszeiten (bis 10 Jahre/Kind = Geburt des 1. Kindes bis 10. Geburtstag des jüngsten Kindes)
  6. Pflegezeiten (mit Versicherung als Pflegeperson)
  7. Krankengeldbezug
  8. Reha-Zeiten (Übergangsgeld)
  9. Ersatzzeiten (zB. politische Haft in der DDR)

Zusätzlich werden vergleichbare Zeiten für Landwirte, für Beschäftigte mit Versicherungsfreiheit (zB. Beamte, Pfarrer) und Menschen die in Versorgungseinrichtungen einbezahlt haben (Ärzte, Architekten,…) berücksichtigt. §82a Abs 2 SGB XII

Berechnung bei Witwen und Waisenrenten

Bei Witwen- und Waisenrenten muss nicht der Rentenbezieher die Grundrentenzeiten erfüllt haben, das wäre bei Waisenrenten auch gar nicht möglich, sondern der Verstorbene muss die  Grundrentenzeiten erfüllt haben.

Das ist z.B. der Fall wenn der 50 jährige Vater verstirbt, der mit 17 angefangen hat zu arbeiten und durchgearbeitet hat. Sein Kind ist 15 Jahre und erhält eine Halbwaisenrente auf die der Grundrentenfreibetrag zu gewähren ist.

Höhe des Grundrentenfreibetrags

  1. Grundfreibetrag von 100€: Die ersten 100€ der Rente sind anrechnungsfrei
  2. 30% der darüber hinausgehenden Rente Nettorente✖️30➗100🟰Freibetrag

Der gesamte Freibetrag beträgt aber maximal 50% des vollen Bürgergeld-Regelbedarfs – aktuell 251€. Aktuell gibt es den vollen Grundrentenfreibetrag ab einer Nettorente von 603,33€.

Beispiel

Hermann bekommt 750€ Nettorente und hat 33 Jahre Grundrentenzeit gesammelt.
Berechnung:
100€ Grundfreibetrag
195€ (30% von 650€ über dem Grundfreibetrag)
——
295€
Es greift die Begrenzung auf maximal 251€.
=251 Grundrentenfreibetrag

Kombination mit anderen Freibeträgen

Da dieser Freibetrag unabhängig von anderen Freibeträgen nach §11b SGB II ist, ist er zusätzlich zu Erwerbstätigenfreibeträgen zu gewähren.

Folgen in der Bedarfsgemeinschaft

Der Grundrentenfreibetrag bekommt eine besondere Bedeutung bei Paaren, wenn ein Partner bereits in Rente ist und der andere noch nicht. Dann ist zwar der Rentner vom SGB II ausgeschlossen, muss mit seinem Einkommen aber trotzdem für den Partner einstehen.

Auch für den Rentner wird der Bedarf ermittelt, diesen deckt er zunächst mit dem seinem anzurechnenden Einkommen = seiner Rente. Ist danach noch etwas “übrig” muss dieses Geld zur Bedarfsdeckung des Partners eingesetzt werden. Sinkt also der anrechenbare Betrag, gibt es mehr Leistungen für den Bürgergeldbezieher.

Weiterführung des Beispiels

Hermanns arbeitslose Frau Luise ist noch nicht im Rentenalter, und bezieht Leistungen vom Jobcenter. Er selbst arbeitet parallel in einem Minijob.
Ihre Wohnung kostet 550€ warm.

Bedarf je Person:
451€ Regelbedarf
275€ Wohnkosten
—–
726€

Einkommen Hermann:
750€ Rente
-251€ Grundrentenfreibetrag
——
499€ anrechenbare Rente

520€ Minijob
– 184€ Freibetrag (100 Grundfreibetrag + 20% von 420)
——
336€ anrechenbar aus Minijob

499€ + 336€ = 835€ anrechenbares Einkommen

Mit diesem Einkommen deckt Hermann zunächst seinen vollständigen Bedarf.
835-726€= 109€

Übertragung auf Luise
Es bleiben 109€ für die Deckung des Bedarfs von Luise
726€ Bedarf
-109€ Einkommen Hermann
——-
617€ vom Jobcenter

Ohne den Grundrentenfreibetrag wären es nur 366€.

Bekanntheit des Freibetrags

Den Freibetrag nach §11 Abs2a SGB II gibt es seit dem 1.1.2021 – dort ist aber nicht viel geregelt, sondern es ist nur ein Verweis auf §82a SGB XII. Dort sind dann die eigentlichen Regelungen zu finden.

Da es sich bei §11b Abs2a SGB II nur um einen Verweis handelt, wird er im Bürgergeld häufig übersehen. Selbst bei Beratungsstellen und Jobcenter-Mitarbeitern wird er gerade bei Witwen- und Waisenrenten oft nicht erkannt, obwohl er wesentliche finanzielle Auswirkungen hat.

Formulierungsvorschlag

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich die Berücksichtigung des Grundrentenfreibetrags nach §11b Abs2a SGB II i.V.m. §82a SGB XII. Meine Rente beruht auf mindestens 33 Jahren Grundrentenzeiten. Daher ist dieser Freibetrag zu gewähren.

Anbei Nachweise für die Erfüllung der 33 Jahre Grundrentenzeit.

Sollten Sie noch Fragen haben oder weitere Unterlagen zur Prüfung benötigen, stehe ich selbstverständlich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Parallel auch in der Grundsicherung

Alle hier beschriebenen Regelungen gelten parallel auch in der Grundsicherung – denn der Freibetrag wird aus dem SGB XII ins SGB II übernommen. Allerdings ist der Freibetrag den Sachbearbeitern des Sozialamts hoffentlich wesentlich geläufiger.

Rechtsgrundlagen

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