Rente mit 70: Kommt das japanische Rentenmodell in Deutschland?

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Der Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Dr. Stefan Wolf mรถchte die Alterszeit fรผr die Rente auf 70 Jahre anheben, innerhalb der EU wird sogar eine schrittweise Verlรคngerung der Lebensarbeitszeit bis zum 72. Lebensjahr diskutiert. Ein Vorbild ist Japan, denn dort erhรถht sich die Rente fรผr alle, die รผber das 66. Lebensjahr hinaus arbeiten.

Arbeiten bis ins Alter

Drei Viertel der Japaner:innen mรถchten selbst bis zum 70. Lebensjahr arbeiten. Die japanische Regierung schuf 2021 wรคhrend der Corona-Pandemie Anreize fรผr Unternehmen, um Mitarbeiter bis zum 70. Lebensjahr zu beschรคftigen.

Immerhin 42 Prozent aller Werktรคtigen Japans, die mindestens 60 Jahre alt sind, sagten, sie wollten solange arbeiten, wie dies gesundheitlich mรถglich sei. Die regulรคre Altersrente beginnt in Japan bei 65 Jahren.

Lieber spรคt als frรผh in die Rente

Deutliche Unterschiede gibt es zwischen Japan und Mitteleuropa bei der Bereitschaft, bis ins hohe Alter zu arbeiten. Die Regelaltersgrenze fรผr die Rente ist in Japan kaum anders als hierzulande.

In Deutschland und Frankreich gehen indessen viele Menschen circa zwei Jahre vor der Altersgrenze in Rente und nehmen dafรผr finanzielle EinbuรŸen in Kauf. In Japan ist es umgekehrt: Die meisten Arbeitskrรคfte sind noch bis zu sieben Jahre nach dem gesetzlichen Renteneintrittsalter beschรคftigt.

Den grรถรŸten Anteil an alten Menschen

Die Lage in Japan ist allerdings speziell. So hat Japan den hรถchsten Anteil an รคlteren Menschen in der Welt. September 2023 waren zehn Prozent der Bevรถlkerung mindestens 80 und rund 30 Prozent zumindest 65 Jahre alt. Die japanische Regierung befรผrchtet, dass die Wirtschaft leidet, wenn mehr und mehr Menschen in Rente gehen und weniger arbeiten.

Arbeitsethos und Einkommen

Die Bereitschaft, mรถglichst lange zu arbeiten, hat in Japan kulturelle wie รถkonomische Grรผnde. Zum einen gilt hartes Arbeiten in Japan als Tugend. Wer im hohen Alter noch arbeitet, ist gesellschaftlich angesehen.

Zum anderen fรคllt die Rente in Japan bescheiden aus. Wer in Deutschland in die Rentenkasse einzahlt, der oder die bekommt nach Eintritt der Altersrente im Schnitt 41,5 Prozent des mittleren Gehalts seiner Lebensarbeit ausbezahlt.

In Japan erhalten Rentner:innen hingegen lediglich 32,4 Prozent, und das bei horrenden Kosten besonders fรผr die Miete in japanischen GroรŸstรคdten โ€“ eine der niedrigsten Raten in allen Industrielรคndern.

Die Rentenhรถhe steigt in Japan allerdings fรผr diejenigen, die noch mit รผber 66 Jahren regulรคr erwerbstรคtig sind. Wer also mit 70 in Japan in Rente geht, bekommt nicht nur spรคter, sondern auch mehr Rente.

Jeder vierte Japaner arbeitet nach der Rente

Rund 25 Prozent aller Rentner:innen in Japan gehen einer Erwerbstรคtigkeit nach, erstens, um die niedrige Rente aufzubessern und zweitens, weil Arbeit ein hohes Ansehen genieรŸt und man sich als nรผtzlicher Teil der Gesellschaft zeigen will.

Mehrarbeit und Tod durch Arbeit

Japaner:innen arbeiten im Schnitt 348 Stunden pro Jahr mehr als Deutsche, das sind rund drei Monate Mehrarbeit. Karoshi, Tod durch รœberarbeitung, ist in Japan nicht nur verbreitet, sondern hat sich sogar als Begriff etabliert. Meist handelt es sich um stressbedingte Herzinfarkte und Schlaganfรคlle.

Einwanderung statt Arbeitszwang

Arbeit bis ins hohe Alter und bis zum Umfallen wie in Japan, mag zwar ein Traum fรผr manche Arbeitgeber sein. Kรผrzere Arbeitszeiten sind hingegen ein Erfolg der internationalen Arbeiterbewegung.

Zwar muss das deutsche Rentensystem dringend รผberdacht werden: 1962 kamen sechs Beitragszahler auf einen Rentner / eine Rentnerin, 2021 waren es nur noch rund zwei aktive Arbeitskrรคfte. In die Rente wird also immer weniger eingezahlt, wรคhrend die Kassen immer mehr auszahlen mรผssen.

Doch ein Ausgleich zwischen arbeitenden Einzahlenden und Rentner:innen, denen ausgezahlt wird, ist nicht nur durch ein Heraufsetzen des Rentenalters mรถglich. Eine verstรคrkte Einwanderung von jungen Arbeitnehmer/innen mindert ebenso die Rentenlast.