Wenn Sie eine volle Erwerbsminderungsrente beantragen, denken Sie vermutlich an Abschläge und reduzierte Zahlbeträge. Dabei birgt das Rentenrecht eine wichtige Ausnahmeregelung: Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie bereits ab dem 63. Lebensjahr eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente erhalten.
Voraussetzungen für die abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente
Normalerweise gilt: Wer eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem regulären Rentenalter bezieht, muss Abschläge in Kauf nehmen. Pro Monat, den der Rentenbeginn vor der Altersgrenze liegt, reduziert sich der Rentenanspruch um 0,3 Prozentpunkte – maximal um 10,8 Prozent. Diese Regelung trifft viele Betroffene hart, insbesondere wenn die Erwerbsminderung früh eintritt.
Doch es gibt eine Ausnahme, die Betroffenen einen finanziellen Vorteil verschaffen kann. Wenn mindestens 40 Jahre an Versicherungszeiten vorliegen, tritt an die Stelle des regulären Rentenalters das 63. Lebensjahr. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um Zeiten handelt, die auch für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte anerkannt würden.
Dazu zählen Pflichtbeiträge aus Berufstätigkeit ebenso wie Ersatzzeiten oder Berücksichtigungszeiten, etwa für Kindererziehung oder Pflege.
Beginnt die Erwerbsminderungsrente erst nach dem 63. Geburtstag und wurden die 40 Jahre erfüllt, entfällt der Abschlag komplett. Statt mit bis zu 10,8 Prozent weniger müssen Versicherte keinen Cent abgeben. Dieser Rentenvorteil ist dauerhaft und hat auch Auswirkungen auf die spätere Altersrente.
Zurechnungszeiten erhöhen die Rente spürbar
Zusätzlich zur Abschlagsfreiheit greifen seit 2019 verbesserte Regelungen zu den sogenannten Zurechnungszeiten. Wer früher als vorgesehen aus dem Erwerbsleben ausscheidet, profitiert davon, dass der Rentenversicherungsträger so rechnet, als ob weitergearbeitet worden wäre.
Dabei wird die Zeit vom Beginn der Erwerbsminderungsrente bis zur jeweiligen Regelaltersgrenze mit durchschnittlichen Entgeltpunkten aufgefüllt.
Diese fiktive Weiterbeschäftigung führt zu einer höheren Bewertung der Rentenansprüche. Die Erwerbsminderungsrente fällt dadurch deutlich besser aus. Gerade bei langen Versicherungsbiografien kann dieser Effekt mehrere hundert Euro im Monat ausmachen.
Besitzschutz beim Wechsel zur Altersrente
Ein weiterer Vorteil zeigt sich beim späteren Wechsel in die Altersrente. Wer eine Erwerbsminderungsrente bezieht und später regulär in die Altersrente wechselt, hat Anspruch auf Besitzschutz. Das bedeutet: Die persönlichen Entgeltpunkte, die für die Erwerbsminderungsrente berechnet wurden, müssen sich auch in der Altersrente wiederfinden.
Wichtig ist dabei die Frist: Der Wechsel muss innerhalb von 24 Monaten nach Ende der Erwerbsminderungsrente erfolgen. Erfolgt der Übergang rechtzeitig, darf die Altersrente nicht geringer ausfallen als die zuvor bezogene Erwerbsminderungsrente. Dies sichert den Lebensstandard und schützt vor späteren finanziellen Einbußen.
Worauf Sie achten sollten
Wer von dieser Regelung profitieren möchte, muss genau planen. Entscheidend ist, dass der Rentenantrag nicht vor dem 63. Geburtstag gestellt wird. Gleichzeitig müssen die 40 anrechenbaren Versicherungsjahre nachgewiesen sein. Dabei zählt jede einzelne Zeit, sei es aus Erwerbstätigkeit, Kindererziehung oder Pflege.
Eine detaillierte Rentenauskunft bei der Deutschen Rentenversicherung hilft, die Voraussetzungen zu überprüfen. Dort kann auch abgefragt werden, wie hoch die spätere Altersrente ausfallen wird.
Wer einen Schwerbehindertenausweis besitzt, sollte diesen unbedingt einreichen, damit auch die entsprechenden Regelungen für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen geprüft werden können.
Ein Beispiel aus der Praxis
Herr S., gelernter Elektriker, wurde mit 63 Jahren wegen schwerer gesundheitlicher Probleme voll erwerbsgemindert. Da er bereits seit seinem 22. Lebensjahr durchgehend gearbeitet hatte und keine größeren Lücken in seinem Versicherungsverlauf aufwies, konnte er 41 Versicherungsjahre nachweisen.
Seine Erwerbsminderungsrente betrug dadurch rund 250 Euro mehr im Monat, als sie es mit regulären Abschlägen gewesen wäre. Beim späteren Wechsel in die Regelaltersrente blieb dieser Betrag dank Besitzschutz dauerhaft erhalten.
Fazit
Wenn Sie erwerbsgemindert sind und 40 Versicherungsjahre vorweisen können, lohnt es sich, den Rentenbeginn auf die Zeit nach dem 63. Geburtstag zu legen. So vermeiden Sie dauerhafte Abschläge und profitieren von deutlich höheren Rentenzahlungen – auch im späteren Wechsel zur Altersrente. Eine individuelle Prüfung kann bares Geld wert sein.




