Viele Menschen, die im Ruhestand sind, haben meist nicht damit gerechnet, noch einmal in größerem Umfang mit dem Finanzamt zu tun zu bekommen. Doch die Realität sieht oft anders aus: Sobald eine Steuererklärung ergibt, dass mehr als 400 Euro Nachzahlung fällig werden, kann das Finanzamt im nächsten Schritt eine vierteljährliche Vorauszahlung anordnen.
Diese Forderung trifft viele völlig unvorbereitet. Ein Steuerbescheid, der ein paar hundert Euro Nachzahlung verlangt, ist bereits belastend genug. Wenn kurz darauf ein weiterer Brief mit dem Hinweis auf vierteljährliche Vorauszahlungen eintrifft, fühlen sich viele vor den Kopf gestoßen.
Dabei ist dieses Verfahren durch das Steuerrecht vorgeschrieben und keineswegs Willkür. Allerdings bedeutet das nicht, dass man diese quartalsweisen Beträge einfach hinnehmen muss.
Wie kommt das Finanzamt zu dieser Forderung?
Hintergrund ist die gesetzliche Regelung, wonach Steuern möglichst zeitnah erhoben werden sollen. Wenn sich im Steuerbescheid für das Vorjahr herausstellt, dass eine Person zur Einkommensteuer veranlagt wird, möchte das Finanzamt nicht noch einmal bis zum Ende des folgenden Jahres warten.
“Vielmehr wird aus den Zahlen des Vorjahres geschätzt, wie hoch die voraussichtliche Steuer in der laufenden Periode ausfallen wird. Daraus resultiert ein Bescheid über Vorauszahlungen, die jeweils zum 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember fällig werden”, bestätigt der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt.
“Der springende Punkt ist die Grenze von 400 Euro. Liegt die jährliche Steuerschuld darunter, ergeht in der Regel kein Vorauszahlungsbescheid. Wer hingegen knapp über dieser Summe liegt, rutscht rasch in diese quartalsweise Zahlungsverpflichtung. Das sorgt bei vielen für Unmut, weil Rentnerinnen und Rentner es gewohnt sind, monatlich feste Einkünfte zu haben und nicht damit rechnen, inmitten des Jahres zusätzliche Beträge an das Finanzamt zu überweisen.”
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Wieso ist man im Ruhestand überhaupt steuerpflichtig?
Eine Rente ist einkommensteuerpflichtig, sobald sie über dem steuerlichen Grundfreibetrag liegt. Insbesondere in den letzten Jahren sind die Rentenanpassungen häufig gestiegen, während immer mehr Rentenjahrgänge zudem einen höheren steuerpflichtigen Anteil ihrer Rente zu versteuern haben.
Auch Zusatzrenten, Betriebsrenten oder weitere Einkünfte (zum Beispiel aus Vermietung oder Kapitalerträgen) erhöhen das steuerpflichtige Einkommen. Viele Ruheständler bemerken erst bei Abgabe ihrer Steuererklärung, dass ihre Einkünfte die Freibeträge überschreiten. Die daraus resultierenden Steuerbescheide kommen oft unerwartet.
Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung) kann helfen
Rentner, deren gesamtes Einkommen dauerhaft unter dem Grundfreibetrag liegt, können beim Finanzamt eine sogenannte NV-Bescheinigung beantragen. Mit diesem Dokument signalisiert das Finanzamt, dass in nächster Zeit keine Steuern anfallen werden.
Wer eine solche Bescheinigung besitzt, muss oft nicht einmal mehr eine Steuererklärung abgeben und ist natürlich auch nicht von Vorauszahlungen betroffen.
Allerdings kommt diese Option nur infrage, wenn das Einkommen tatsächlich klar unterhalb der steuerlichen Grenzen liegt. Für diejenigen, die bereits höheres steuerpflichtiges Einkommen beziehen, scheidet diese Bescheinigung in der Regel aus.
Welche Möglichkeiten gibt es, Steuervorauszahlungen zu senken oder zu vermeiden?
Entscheidend ist, ob sich die zu erwartende Steuerlast für das nächste Jahr deutlich von jener des Vorjahres unterscheidet. Häufig gibt es Einmaleffekte, etwa eine Abfindung oder eine hohe Rentennachzahlung, die im vorangegangenen Jahr verbucht wurde.
Solche Einmaleffekte können die Steuerlast erheblich anheben und führen dazu, dass das Finanzamt nun von einer ähnlich hohen Steuerschuld in jedem folgenden Jahr ausgeht.
“Wer jedoch glaubhaft machen kann, dass dieses einmalige Einkommen künftig nicht mehr anfällt und die Steuerlast damit spürbar sinken wird, sollte beim Finanzamt einen Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlung stellen”, so Anhalt.
In diesem Schreiben oder Formular sollten die konkreten Umstände genannt und, wenn möglich, auch belegt werden. Zum Beispiel lässt sich mit einer Rentenbezugsmitteilung belegen, dass eine Betriebsrente nur als Einmalzahlung erhalten wurde und für die folgenden Jahre komplett entfällt.
Oder wenn der Ehepartner verstorben ist und künftig nur noch eine deutlich kleinere Einzelrente bezogen wird, verringert sich die Steuer maßgeblich.
“Das Finanzamt prüft solche Anträge und passt die Vorauszahlungen im Erfolgsfall entsprechend an, häufig bis hin zum vollständigen Wegfall der vierteljährlichen Forderung”, sagt Anhalt.
Gibt es weitere Strategien, um unter der 400-Euro-Grenze zu bleiben?
Oft schöpfen besonders ältere Menschen ihre steuerlichen Abzugsmöglichkeiten nicht voll aus. Dabei lässt sich die Steuerlast durch kluge Planung senken.
Wer beispielsweise hohe Krankheitskosten hatte, sollte diese als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Auch Handwerkerleistungen oder haushaltsnahe Dienstleistungen können die Steuer spürbar drücken.
Versicherungsbeiträge oder Spenden sind weitere Positionen, die nicht vergessen werden sollten. Jede Minderung des zu versteuernden Einkommens kann letztlich darüber entscheiden, ob man knapp über oder unter den kritischen 400 Euro bleibt.
Zwar sind die Möglichkeiten begrenzt, weil sich die Rentenhöhe nicht einfach „wegzaubern“ lässt, doch oft entscheiden kleine Beträge über das Erreichen der Grenze.
Kommunikation mit dem Finanzamt kann helfen
Viele fürchten eine direkte Auseinandersetzung mit dem Finanzamt. Doch in der Praxis zeigen sich die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter durchaus kooperativ, wenn die Sachlage klar dargelegt wird.
Ein formeller Einspruch oder ein Antrag auf Änderung des Vorauszahlungsbescheids eröffnet die Möglichkeit, den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erklären, warum die Schätzung zu hoch ist oder warum es im laufenden Jahr zu einem geringeren Einkommen kommen wird.
Gerade beim Thema Steuervorauszahlungen lohnt sich ein offenes Gespräch oder ein schriftlicher Antrag. Ist nachvollziehbar, dass die aktuell geforderten Beträge auf falschen Annahmen beruhen, kann sich das Finanzamt kulant zeigen und die Vorauszahlungen herabsetzen oder sogar aufheben.
Auf diese Weise gewinnt man auch finanziellen Spielraum, indem man nicht vierteljährlich Geld abführt, das man möglicherweise im Alltag dringender benötigt.
Fazit
Vierteljährliche Steuervorauszahlungen wirken für viele wie eine zusätzliche Belastung. Doch sie sind Teil des gesetzlich geregelten Ablaufs und haben ihre Funktion, damit das Finanzamt nicht erst am Jahresende Steuern eintreiben muss.
Dennoch müssen sich Betroffene nicht damit abfinden, wenn die Forderungen unangebracht hoch erscheinen. Ein Antrag auf Herabsetzung kann erheblichen finanziellen Druck lindern, insbesondere wenn im Vorjahr einmalige Einkünfte die Steuerlast untypisch in die Höhe getrieben haben.
Die wichtigste Botschaft lautet: Vorauszahlungen sind keinesfalls ein unumstößliches Schicksal. Wer die eigenen Zahlen im Blick behält, auf mögliche Einmaleffekte hinweist und die Kommunikation mit dem Finanzamt sucht, kann die Belastung effektiv steuern. Es ist nie verkehrt, Initiative zu zeigen und rechtzeitig alle Optionen auszuschöpfen, um die eigene Steuerlast fair und passend zu gestalten.