Immer mehr Menschen sind auf Sozialleistungen wie Grundsicherung oder Sozialhilfe angewiesen. Angesichts steigender Lebensmittelpreise und der Belastung durch hohe Stromkosten wird es für immer mehr Armutsbetroffene immer schwieriger, über die Runden zu kommen. Doch in dieser schwierigen Situation gibt es ermutigende Beispiele, wie Städte und Organisationen vor Ort zusammenarbeiten können, um unbürokratisch Hilfe zu organisieren.
Unbürokratische Hilfe
Ein gutes Beispiel ist die Stadt Herford in Nordrhein-Westfalen. Dort haben sich die Stadtverwaltung und der Verein Solidarität zusammengetan, um armutsbetroffenen Menschen zu helfen. Dank einer Förderung in Höhe von 529.000 Euro aus dem NRW-Stärkungspakt “Gemeinsam gegen Armut” können sie über 200.000 Euro als Einzelfallhilfe vergeben. Regionale Förderung und individuelle Hilfe stehen dabei im Vordergrund – ein Ansatz, der bundesweit Schule machen sollte.
In Herford leben rund 12.000 Menschen mit geringem Einkommen, die auf Bürgergeld oder Sozialhilfe angewiesen sind. Für diesen Personenkreis besteht die Möglichkeit, einen digitalen Solidarpass zu beantragen.
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Mit diesem Pass können die Berechtigten individuelle Hilfen erhalten, die genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Benötigt werden ein Lichtbildausweis und der Bewilligungsbescheid. Die Ausgabe- und Beratungsstelle der Stiftung Solidarität in der Brüderstraße 32 wird ab dem 1. August 2023 die zentrale Anlaufstelle für Hilfesuchende sein.
Aber was macht das Herforder Modell so erfolgreich und vorbildlich? Es ist die Lebensnähe der Maßnahmen. Statt das Geld pauschal zu verteilen, wurde im Vorfeld genau überlegt, welche Unterstützung am dringendsten benötigt wird. Das Ergebnis ist, dass genau die Herausforderungen angegangen werden, die den Bürgergeldbeziehern und vielen anderen Familien derzeit am meisten unter den Nägeln brennen: die hohen Lebensmittelpreise und die steigenden Stromkosten.
Einkaufsgutschein in Höhe von 20 Euro
Um die Betroffenen zu unterstützen, erhalten sie und jedes weitere Haushaltsmitglied einen Lebensmittelgutschein im Wert von 20 Euro. Diese praktische und direkte Hilfe kann den Alltag der Bedürftigen erheblich erleichtern und ermöglicht ihnen den Einkauf dringend benötigter Lebensmittel.
Aber nicht nur das – auch die Begleichung von Stromschulden ist Teil des Unterstützungspakets. Oft geraten Menschen in finanzielle Schwierigkeiten, wenn sie ihre Stromrechnungen nicht bezahlen können. Hier setzt das Projekt an und bietet einen Zuschuss von 100 bis 150 Euro, um die Energiekosten zu decken. Darüber hinaus werden Zuschüsse von bis zu 300 Euro für die Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte gewährt, um die Kosten langfristig zu senken.
Wertschätzung von Armutsbetroffenen
Ein entscheidender Erfolgsfaktor des Modells ist der wertschätzende Ansatz. Durch gezieltes Ansetzen dort, wo Hilfe am dringendsten benötigt wird, wird bedürftigen Menschen direkt und unkompliziert geholfen. Die Beantragung des Solidarpasses ist bewusst einfach gehalten, um möglichst vielen Menschen den Zugang zu ermöglichen.
Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Das Projekt ist befristet bis zum 31. Dezember 2023. Angesichts der anhaltenden Inflation und der steigenden Energiekosten ist es wichtig, dass in diesem Zeitfenster möglichst vielen Menschen geholfen wird. Darüber hinaus sollte es aber das Ziel sein, solche erfolgreichen Initiativen langfristig zu etablieren und auszubauen. Denn Armut ist kein kurzfristiges Problem, und es bedarf nachhaltiger Lösungsansätze, um die Betroffenen dauerhaft aus ihrer prekären Lage zu befreien.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.