Quellensteuer auf die Rente? Plan wird jetzt ernst- Millionen von Rentnern wären betroffen

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Der Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung sieht erstmals die Möglichkeit vor, Rentenbezüge wie Arbeitseinkommen direkt an der Quelle zu versteuern.

Damit rückt ein Vorhaben ins Gesetzgebungsverfahren, das die CDU/CSU schon im Wahlprogramm zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025 beworben hatte und das jetzt, mit einem Bundeskanzler Friedrich Merz an der Spitze, umgesetzt werden könnte.

Was plant die Bundesregierung genau?

Nach den bislang bekannten Eckpunkten soll jede Rentenzahlstelle – allen voran die Deutsche Rentenversicherung – bei der monatlichen Überweisung automatisch einen Steuerabzug erheben. Die Berechnungsgrundlage orientiert sich an den Vorjahreseinkünften, vergleichbar mit der Lohnsteuer für Beschäftigte.

Für einen Teil der Rentnerinnen und Rentner entfiele damit die Pflicht zur Einkommensteuererklärung; der Steuerzugriff erfolgte sofort.

Wie wird die Rente heute besteuert?

Zurzeit zahlen Rentner ihre Steuer grundsätzlich einmal jährlich über den Einkommensteuerbescheid. Das Finanzamt berücksichtigt dabei persönliche Freibeträge ebenso wie außergewöhnliche Belastungen, etwa hohe Krankheits- oder Pflegekosten.

Ein Abzug an der Quelle ist bislang nur bei ausländischen Renten üblich. Die Bundesregierung hatte noch 2022 betont, es gebe „keine konkreten Pläne“ für eine solche Quellenbesteuerung.

Warum nennt die Union das Vorhaben eine „Entlastung“?

Die Union verknüpft das Projekt mit dem Versprechen, Bürokratie abzubauen und die Finanzverwaltung um jährlich mehrere Millionen Steuererklärungen zu entlasten. Das Konzept folgt Handlungsempfehlungen einer von der letzten Ampel-Koalition eingesetzten Expertenkommission zur Steuervereinfachung, die eine pauschale Rentenabzugsteuer vorgeschlagen hatte.

Experte spricht vor einem „kalten“ Steuerplus

Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt spricht von einer “verdeckten Mehrbelastung, weil viele Betroffene ihre individuellen Sonder- und Pflegeaufwendungen ohne Steuererklärung nicht mehr geltend machen könnten”.

Wer knapp unter dem Grundfreibetrag liegt, riskiere, so Anhalt, mit dem Quellenabzug sogar “erstmals steuerpflichtig zu werden, falls Übermittlungs- oder Berechnungsfehler auftreten”.

Der Experte verweist darauf, “dass Rückerstattungen erst nachträglich über eine freiwillige Veranlagung möglich wären und das oftmals Jahre später.”

Wen würde ein automatischer Abzug am stärksten treffen?

Besonders sensibel wären alleinlebende Rentnerinnen und Rentner mit geringen Überschüssen über dem Grundfreibetrag sowie Menschen mit hohen Krankheits- und Pflegekosten.

Auch Rentenbezieher, “die neben der gesetzlichen Rente Betriebsrenten oder private Leibrenten beziehen, fielen in ein komplexes Mehrfach-Abzugsverfahren, weil jede Versorgungseinrichtung separat Steuern einbehalten müsste”, kritisierte Anhalt.

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Ist eine schnelle Einführung realistisch?

Finanzpolitiker der Regierungsfraktionen kündigen an, den Quellensteuer-Passus in das Jahressteuergesetz 2026 aufzunehmen. Vorher braucht es ein technisch anspruchsvolles Melde- und Datenaustauschsystem zwischen Rentenkassen und Finanzämtern.

Experten schätzen den Vorlauf auf mindestens zwei Jahre. Opposition und Bundesrat können das Vorhaben verzögern, ganz stoppen dürften sie es angesichts der Mehrheitsverhältnisse aber kaum.

Welche rechtlichen Hürden stehen im Weg?

Verfassungsrechtlich muss jede Pauschalierung sicherstellen, dass persönliche Steuerlasten realitätsgerecht bleiben. Das Bundesverfassungsgericht verlangt vom Gesetzgeber, untypische Härten durch Korrekturwege vermeidbar zu machen. Eine Quellensteuer wäre daher nur zulässig, wenn Rentnerinnen und Rentner weiterhin eine freiwillige – und kostenfreie – Veranlagung beantragen könnten.

Gibt es Alternativen zum pauschalen Quellenabzug?

Experten wie der Rentenanwalt Peter Knöppel schlagen vor, die digitale Rentenbezugsmitteilung auszubauen und zugleich eine elektronische „Ein-Klick-Erklärung“ einzuführen, statt eine neue Steuerart zu schaffen.

Ein anderes Modell wäre, den Quellenabzug auf freiwilliger Basis anzubieten, ähnlich wie das Faktorverfahren bei der Lohnsteuer, um Menschen mit einfachen Verhältnissen zu entlasten, ohne alle zum Pauschalabzug zu zwingen.

Welche Handlungsmöglichkeiten haben Ruheständler jetzt schon?

Wer befürchtet, dass mit dem künftigen Abzug persönliche Aufwendungen unter den Tisch fallen, sollte frühzeitig Belege sammeln, Freibeträge auf der elektronischen „Bescheinigung der Rentenbezugsdaten“ eintragen lassen und rechtzeitig eine freiwillige Steuererklärung erwägen. Steuerberater empfehlen zudem, Pflege- und Krankheitskosten konsequent fortzuschreiben, um sie später problemlos nachweisen zu können.

Wie könnte ein gerechteres Verfahren aussehen?

Ökonomen sprechen sich für eine zweistufige Lösung aus: ein moderater Quellenabzug kombiniert mit einer automatischen Jahresabgleich-Gutschrift, die persönliche Abzüge berücksichtigt.

Digitalisierung der Gesundheits- und Pflegerechnungen könnte diesen Abgleich erleichtern. Damit würden Rentnerinnen und Rentner nicht länger in Vorleistung gehen, der Staat käme aber dennoch schneller an seine Steuern.

Bürokratiekiller oder versteckte Steuererhöhung?

Die Debatte um die Renten-Quellensteuer verläuft entlang einer klassischen Konfliktlinie: Effizienz gegen Gerechtigkeit. Aus Sicht der Regierung soll der automatische Abzug die Verwaltung verschlanken. Aus Sicht der Betroffenen droht eine strukturelle Schlechterstellung jener, die ihre besondere Lebenslage bisher mit Belegen nachweisen konnten. Ob das Verfahren wirklich vereinfacht oder nur Belastungen tarnt, wird letztlich der parlamentarische Gesetzgebungsprozess zeigen – und vielleicht das Bundesverfassungsgericht.