Psychisch erkrankt: Sozialhilfe oder Bürgergeld?

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Psychische Erkrankungen treffen viele Menschen und führen sehr häufig zu einer eingeschränkten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und zu Problemen auf dem Arbeitsmarkt.

Eingeschränkte Erwerbschancen fördern finanzielle Not wie soziale Isolation und verschärfen die psychischen Probleme.

Sozialhilfe oder Bürgergeld?

Wenn Sie als Betroffene mit einer psychischen Erkrankung hilfebedürftig sind und keine volle Erwerbsminderungsrente beziehen, sondern Sozialleistungen beziehen müssen, welche kommen dann für Sie in Frage? Haben Sie einen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Bürgergeld) oder nach dem Sozialgesetzbuch (XII), Sozialhilfe?

Kurz gesagt: Das hängt davon ab, ob Sie grundsätzlich als erwerbsfähig gelten oder nicht.

Die Sozialhilfe bietet Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zur Pflege und Hilfen zur Gesundheit, sowie in anderen Lebenslagen. Sie ist das letzte soziale Netz, wenn keine anderen Perspektiven mehr vorhanden sind.

Mit einer psychischen Erkrankung und bei finanzieller Hilfebedürftigkeit setzt die Sozialhilfe dann ein, wenn Sie nicht als erwerbsfähig gelten. Die Sozialhilfe ist also allen anderen Sozialleistungen nachrangig, und zudem vermögens- und einkommensabhängig.

Psychische Erkrankung und Bürgergeld

Im Unterschied zur Sozialhilfe ist die Voraussetzung dafür, dass Sie Bürgergeld beziehen können, dass Sie grundsätzlich als erwerbsfähig gelten. Mit vielen psychischen Beschwerden ist dies der Fall.

Sehr viele Leistungsberechtigte beim Bürgergeld leiden unter psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen, bipolaren Störungen oder auch posttraumatischen Belastungssymptomen, Schizophrenie oder somatischen Störungen.

Das Bürgergeld sollte im Unterschied zu Hartz IV die psychosoziale Betreuung ausbauen und die Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und behandelnden Ärzten verbessern.

Viele Menschen mit psychischen Leiden sind froh darüber, Bürgergeld statt Sozialhilfe zu ziehen und so grundsätzlich als arbeitssuchend zu gelten. Denn sie wollen arbeiten, und in der Arbeit am sozialen Leben teilhaben.

Gefährliche Unkenntnis der Jobcenter

Gefährlich für diese Menschen ist allerdings die unzureichende Bildung der Mitarbeiter in den Jobcentern über psychische Erkrankungen. So gibt es zwar einschlägige Urteile, dass Verletzungen der Mitwirkungspflicht nicht vorliegen, wenn die Betroffenen wegen ihrer Krankheit die Mitwirkung nicht erfüllen konnten.

Doch gerade die immer schärferen Sanktionen bedeuten für die Betroffenen eine permanente und existentielle Bedrohung. Terminversäumnisse, vermeintliches Ablehnen von Stellenangeboten und weitere „Pflichtverletzungen“ werden dann mögicherweise fälschlich bei denjenigen sanktioniert, bei denen die Erkrankung die Ursache ist.

Sanktionen verschlimmern die psychische Krise

Es steht nämlich nicht bei jeder Krise, in die ein Mensch gerät, der unter Depressionen leidet, und nicht bei jeder Trotzreaktion in einem psychotischen Schub ein Arzt daneben, der ein Attest ausstellt.

Mitarbeitern der Jobcenter fehlt die Fachkenntnis, und sie kürzen diesen Hilfebedürftigen die Leistungen und verschlimmern die sowieso schon miserable Situation.

Überdurchschnittlich viele Arbeitslose leiden an psychischen Erkrankungen

Der überwiegende Teil der Menschen mit psychischen Erkrankungen will arbeiten, doch ihr Anteil unter den Erwerbslosen ist überdurchschnittlich hoch.

Unter arbeitslosen Leistungsbeziehern liegt der Anteil derer mit psychiatrischen Diagnosen weit über dem in der Gesamtbevölkerung, Metastudien zeigen, dass der Anteil von Menschen mit psychischen Auffälligkeiten, die Krankheitswert haben, unter Arbeitslosen rund doppelt so hoch ist wie allgemein.

Eine hohe Dunkelziffer

Darüber hinaus zeigen mehrere Studien, dass Menschen, die Leistungen aus der Grundsicherung beziehen, ihre psychische Gesundheit schlechter einschätzen als im Schnitt der Bevölkerung.

Die Anzahl derjenigen unter den Sozialhilfe- und Bürgergeldempfängern, die erhebliche psychische Probleme haben, dürfte weit höher sein als derjenige derer mit psychiatrischen Diagnosen.

Eine Untersuchung von Lena Mernyi von 2018 zeigte, dass nur 21 Prozent der in der Studie befragten Patienten und Patientinnen in stationärer Behandlung sich in festen Arbeitsverhältnissen befanden. Viele der Befragten kamen nach der Entlassung aus der Klinik nicht wieder zurück an ihren alten Arbeitsplatz.