Pflegegeld an Angehörige gegeben: Es kann ein ernstes Rückforderungsproblem entstehen

Lesedauer 3 Minuten

Viele Familien regeln häusliche Pflege eher pragmatisch: Die pflegebedürftige Person bekommt Pflegegeld und gibt es ganz oder teilweise an die pflegende Angehörige oder den Angehörigen weiter. Das ist naheliegend, weil das Pflegegeld genau dafür gedacht ist – die Pflege im Alltag zu organisieren.

Problematisch wird es oft erst Jahre später, wenn die eigenen Mittel nicht mehr reichen und beim Sozialamt Hilfe zur Pflege beantragt werden muss.

Dann entsteht aus einer Routinezahlung eine Prüffrage: Waren die Zahlungen pflegebezogen und nachvollziehbar – oder wirken sie im Rückblick wie Schenkungen, die das Amt zurückholen kann?

Warum das Sozialamt rückwärts prüft

Bei Hilfe zur Pflege geht es nicht nur um den aktuellen Bedarf. Der Sozialhilfeträger schaut regelmäßig auch darauf, ob vor Eintritt der Bedürftigkeit Geld in relevanter Größenordnung an Angehörige geflossen ist.

Hat beispielsweise die pflegebedürftige Person Vermögen unentgeltlich übertragen, obwohl dieses Vermögen später für Pflegekosten hätte eingesetzt werden können?

Wenn Zahlungen wie unentgeltliche Zuwendungen erscheinen, prüft das Amt, ob ein Rückforderungsanspruch wegen späterer Bedürftigkeit in Betracht kommt und ob es diesen Anspruch auf sich überleiten kann.

Der Unterschied: Pflegezweck oder Schenkung

Ob es riskant wird, entscheidet weniger die familiäre Absicht als das Bild, das sich später aus Kontoauszügen und Unterlagen ergibt. Pflegegeld kann pflegebezogen weitergegeben werden, wenn erkennbar ist, dass es der Sicherstellung der häuslichen Pflege dient, etwa als Ausgleich für Organisation, Zeitaufwand und typische Auslagen.

Fehlt diese Nachvollziehbarkeit, entsteht schnell der Eindruck einer Schenkung. In der Praxis kippt das besonders dann, wenn die Zahlungen über Jahre „nebenbei“ laufen, ohne Betreff, ohne Systematik und ohne klare Trennung von echten Geschenken.

Das löst Regressfragen aus

Auffällig sind vor allem regelmäßige Überweisungen ohne eindeutigen Zweckvermerk, wechselnde Beträge ohne erkennbaren Bezug zum Pflegegeld oder zum tatsächlichen Pflegeaufwand und Einmalzahlungen, die deutlich über den monatlichen Pflegegeldbeträgen liegen. Auch Vermischungen machen es angreifbar:

Wenn neben der Pflegegeld-Weitergabe zusätzlich fortlaufend „Taschengeld“, Geburtstags- und Weihnachtsgeld oder größere Unterstützungen gezahlt wurden und am Ende alles pauschal als „Pflegegeld“ erklärt wird, entsteht für das Amt ein Gesamtbild unentgeltlicher Zuwendungen.

Ein weiterer Risikobereich ist die faktische „Vergütung“ ohne klare Gestaltung. Sobald Zahlungen wie Lohn wirken, ohne dass eine saubere, nachvollziehbare Grundlage dokumentiert ist, wird die Einordnung unscharf.

Das kann nicht nur den Schenkungsverdacht verstärken, sondern im Einzelfall auch Nebenfragen auslösen, die Betroffene gar nicht auf dem Schirm hatten.

Wie Sie die Zweckbindung so dokumentieren, dass „Schenkung“ schwerer wird

Hier geht es nicht um Bürokratie wie bei einem Pflegedienst, sondern um Beweisbarkeit. Wenn Jahre später eine dritte Stelle die Unterlagen sieht, muss schnell erkennbar sein, warum Geld geflossen ist und welchen Pflegebezug es hatte.

Eine kurze schriftliche Vereinbarung ist oft der stärkste Hebel. Ein Blatt genügt, wenn klar drinsteht, wer wen seit wann pflegt, in welchem Rahmen und dass Zahlungen als Weitergabe des Pflegegeldes zur Sicherstellung der häuslichen Pflege beziehungsweise als Ausgleich für pflegebedingten Aufwand erfolgen. Entscheidend ist die Zweckformulierung – nicht ein künstlicher „Stundenlohn“.

Ebenso wichtig ist die Zahlungslogik. Überweisungen sind Barzahlungen deutlich überlegen, weil sie die Beweisspur liefern. Der Betreff sollte eindeutig sein und sich wiederholen, etwa „Pflegegeld Weitergabe 03/2024“ oder „Pflegeaufwand 03/2024“. Wer jeden Monat andere Betreffe nutzt oder gar keinen, macht es dem Amt später leicht, die Zahlungen als unklare Zuwendungen zu lesen.

Laufende Notizen helfen

Dazu passt eine schlanke, aber belastbare Pflegenachweis-Mappe. Sie muss keine minutiöse Dokumentation sein. Hilfreich sind Pflegegrad- und Kassenunterlagen, Nachweise aus Beratungsbesuchen, eine einfache laufende Notiz zu typischen Unterstützungsleistungen und – wenn es Auslagen gab – eine kurze Auslagenliste mit Quittungen.

Der Zweck ist nicht, „Pflege zu beweisen wie ein Dienstleister“, sondern den Zusammenhang zwischen Zahlung und Pflegeorganisation plausibel zu machen.

Wichtig ist schließlich der Unterschied zu echten Geschenken. Wenn zusätzlich Geld zu Anlässen oder als allgemeine Unterstützung floss, sollte das bewusst getrennt bleiben – in Betrag, Zeitpunkt und Betreff. Sonst wird aus vielen Einzelvorgängen schnell ein Gesamtkomplex, der wie eine unentgeltliche Dauerzuwendung aussieht.

Was tun, wenn das Sozialamt bereits nachfragt?

Wenn das Amt Unterlagen anfordert, reicht der Satz „Das war Pflegegeld“ selten. Sinnvoll ist eine geordnete Darstellung: Pflegegrad und Zeitraum, wer gepflegt hat, welche regelmäßigen Zahlungen geflossen sind und wie diese Zahlungen mit der häuslichen Pflege zusammenhängen.

Typisch sind Nachfragen zu Kontoauszügen, zu Einmalzahlungen und zu der Frage, ob es neben der Pflegegeld-Weitergabe weitere Zuwendungen gab. Je konsistenter die Unterlagen den Pflegebezug zeigen, desto schwerer ist es, alles pauschal als Schenkung einzuordnen.

Wenn die Dokumentation lückenhaft ist, sollte man nicht versuchen, im Nachhinein ein „perfektes“ Bild zu konstruieren. Besser ist es, Zahlungsströme sauber zu trennen, die reale Pflegeorganisation nachvollziehbar zu beschreiben und vorhandene Unterlagen geordnet vorzulegen.

Wo es um größere Summen geht oder eine Überleitung tatsächlich im Raum steht, kann fachkundige Beratung entscheidend sein, weil solche Verfahren schnell existenzrelevante Beträge betreffen.

Fazit

Pflegegeld an Angehörige weiterzugeben ist in vielen Familien gelebte Praxis und kann pflegebezogen sachgerecht sein. Das Risiko entsteht dort, wo Zahlungen über Jahre ohne klare Zweckspur laufen und später wie Schenkungen wirken.

Wer frühzeitig auf eine kurze Vereinbarung, eindeutige Überweisungsbetreffe, eine schlanke Nachweisstruktur und eine saubere Trennung zu echten Geschenken achtet, reduziert das Regressrisiko deutlich – und verhindert, dass familiäre Pflege im Nachhinein zum Konfliktthema mit dem Sozialamt wird.

Quellenübersicht

  • Sozialgesetzbuch XI: § 37 (Pflegegeld bei selbst beschaffter Pflegehilfe)
  • Bürgerliches Gesetzbuch: § 528 (Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers), § 529 (Ausschluss/zeitliche Grenzen der Rückforderung)
  • Sozialgesetzbuch XII: § 93 (Übergang/Überleitung von Ansprüchen auf den Sozialhilfeträger)
  • Gemeinsames Rundschreiben Leistungsrecht SGB XI (GKV-Spitzenverband; Einordnung/Umgang mit weitergeleitetem Pflegegeld)