Die tägliche Suche nach Einsparmöglichkeiten führt die Jobcenter längst nicht mehr nur in die Kontoauszüge, sondern auch in Datenbanken der Finanzverwaltung.
Seit das Plattformen‑Steuertransparenzgesetz (PStTG) in Kraft ist, müssen Betreiber wie eBay jede Verkäuferin und jeden Verkäufer melden, die binnen eines Kalenderjahres mehr als 30 Transaktionen UND mehr als 2 000 Euro Umsatz erzielen.
Die Finanzämter erhalten diese Listen automatisiert und leiten sie bei Bedarf an die Jobcenter weiter – gerade dann, wenn eine Person Bürgergeld bezieht. Damit sind private Online‑Flohmärkte erstmals systematisch überprüfbar geworden.
Inhaltsverzeichnis
Dr. Utz Anhalt: Dürfen Bürgergeld-Bezieher überhaupt noch auf ebay und Co Sachen verkaufen?
Was unterscheidet Vermögensumschichtung von anrechenbarem Einkommen?
Rechtlich relevant ist nicht der Erlös, sondern der Gewinn. Verkauft jemand gebrauchte Haushaltsgegenstände, Bücher oder Kinderkleidung, liegt in aller Regel ein Verlustgeschäft vor, weil der Wiederverkaufspreis deutlich unter dem einstigen Kaufpreis bleibt. Das Sozialrecht spricht hier von einer „Vermögensumwandlung“; sie verändert die Zusammensetzung des Besitzes, aber nicht dessen Wert und gilt deshalb nicht als Einkommen.
Erst wenn der Verkaufspreis über den ursprünglichen Anschaffungskosten liegt – typisch bei Sammlermünzen, Designer‑Taschen oder ungeöffneten Elektronikartikeln mit Wertsteigerung – entsteht anrechenbares Einkommen.
Plattformen‑Steuertransparenzgesetz
Das PStTG setzt die EU‑Richtlinie 2021/514 (DAC 7) um. Plattformen melden jährlich Namen, Anschrift, Steuer‑ID, Gesamtumsatz und Zahl der Transaktionen ihrer Anbieter an das Bundeszentralamt für Steuern.
Wer unterhalb von 30 Verkäufen und 2 000 Euro Umsatz bleibt, erscheint in dieser Statistik nicht – doch die Jobcenter können dieselben Vorgänge über Kontoauszüge oder stichprobenartige Prüfungen trotzdem feststellen.
Das Gesetz schafft also keine neuen Tatbestände, erhöht aber die Entdeckungswahrscheinlichkeit. Datenschutzorganisationen kritisieren die damit verbundene Vorratsdatenspeicherung; 2023 erhielt das Bundesfinanzministerium dafür den Big‑Brother‑Award.
Wie viel ist zu viel?
Für Bürgergeld‑Haushalte gilt eine rein sozialrechtliche Kleinbetragsgrenze: Gewinne unter zehn Euro pro Monat bleiben anrechnungsfrei. Überschreitet der nachgewiesene Monatsgewinn diese Schwelle, mindert der Betrag die Bürgergeld-Leistungen in voller Höhe.
Wichtig: Die Grenze bezieht sich ausschließlich auf den Gewinn, nicht auf den gesamten Verkaufserlös. Deshalb sind Kleinanzeigen mit minimalem Überschuss unproblematisch, während wenige hochpreisige Sammlerstücke sofort meldepflichtig werden können.
Wann wird ein privates Konto zum Gewerbe?
Häufen sich Verkäufe, kann das Jobcenter gewerblichen Handel unterstellen. Eine starre Zahl gibt es nicht, doch eine dauerhaft zweistellige Aktivität pro Monat oder das planmäßige Aufbauen von Lagerbestand sind starke Indizien. In diesem Moment wäre eigentlich ein Gewerbe anzumelden – mit allen steuerlichen Konsequenzen.
Fehlt die Anmeldung, drohen Nachzahlungen und Bußgelder. Wer den gewerblichen Schritt bewusst vermeiden will, sollte Pausen einlegen, keine Neuware ankaufen und die 30‑Transaktionen‑Grenze im Auge behalten, die auch das PStTG als Prüfstein nutzt.
Die Sachbearbeitung ist verpflichtet, unklare Geldströme zu hinterfragen. Wer Verkäufe erst auf Nachfrage erklärt, riskiert, dass das Amt pauschal Einkommen schätzt und Leistungen bis zur Klärung kürzt.
Eine kurze formlose Mitteilung, dass gebrauchte Gegenstände ohne Gewinn verkauft werden, reduziert Misstrauen und verhindert teure Fehlentscheidungen. Fachanwälte empfehlen deshalb, das Gespräch zu suchen, bevor Kontobewegungen auftauchen.
Welche Nachweise verlangen Jobcenter und Finanzamt?
Ein lückenloses Verkaufstagebuch ist lästig, aber rettend. Es sollte Datum, Artikelbezeichnung, ursprünglichen Kaufpreis, Verkaufspreis und Gebühren enthalten; Quittungen, Rechnungen oder Kontoauszüge dienen als Belege.
Liegt der Gewinn über zehn Euro, ist er im monatlichen Änderungsmitteilungsbogen einzutragen. Bei Null‑Gewinn genügt der Nachweis, dass der Erlös unter dem einstigen Kaufpreis blieb. Ohne Unterlagen kann das Amt Einkommen schätzen – ein Risiko, das sich durch sorgfältige Dokumentation einfach vermeiden lässt.
Was droht, wenn Gewinne verschwiegen werden?
Wer seine Mitwirkungspflicht verletzt, muss mit Rückforderungen, Verzugszinsen und im Wiederholungsfall auch mit Leistungskürzungen rechnen. In einem viel beachteten Verfahren schätzte ein Jobcenter kurzerhand 500 Euro monatliches Einkommen, weil eine Leistungsempfängerin eBay‑Verkäufe nicht offenlegte; das Sozialgericht Oldenburg bestätigte die Offenlegungspflicht.
Wie kann digitale Kontrolle sozialverträglich gestaltet werden?
Die Debatte berührt Grundfragen von Datenschutz und Teilhabe. Einerseits verlangt der Gesetzgeber Steuergerechtigkeit, andererseits dürfen Bürgergeld‑Beziehende nicht unter Generalverdacht geraten, wenn sie ihren Hausrat verkaufen. Sozialverbände fordern deshalb klare Schwellen, transparente Prüfverfahren und Rechtsberatung, damit der gelegentliche Online‑Flohmarkt nicht zur bürokratischen Falle wird.
Ob gesetzliche Nachschärfungen kommen, hängt auch davon ab, wie Plattformdaten in den kommenden Jahren genutzt werden – und ob die Gerichte die Balance zwischen Kontrolle und Privatsphäre anders justieren.
Fazit
Private eBay‑Verkäufe sind für Bürgergeld‑Haushalte weiterhin erlaubt, solange kein relevanter Gewinn entsteht und die Aktivitäten eindeutig privat bleiben. Wer frühzeitig informiert, Belege sammelt und die Bagatell‑ sowie die DAC‑7‑Grenzen respektiert, hat wenig zu befürchten.