Neue Krankengeld-Falle führt zu Lücken im Krankengeldbezug

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Die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, kurz eAU, hat die Regeln für kranke Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundlegend verändert.

Was bislang mit einem handschriftlich ausgefüllten gelben Schein begann, läuft heute über verschlüsselte Leitungen der Telematikinfrastruktur. Der digitale Fortschritt bringt Tempo und Transparenz – aber auch Tücken, die im Extremfall bares Geld kosten können.

Wer Krankengeld bezieht, muss die Spielregeln exakt kennen, denn schon ein vermeintlich harmloser Kalendertag ohne gültige Bescheinigung kann den Anspruch mindern.

Vom Papierformular zur Echtzeit-Meldung

Seit Januar 2023 sind Arztpraxen, Krankenkassen und Arbeitgeber flächendeckend an die eAU angeschlossen.

Die behandelnde Praxis übermittelt die Bescheinigung einmal täglich elektronisch an die Krankenkasse, diese stellt sie dem Arbeitgeber zum Abruf bereit; ein zusätzliches Papier-Exemplar für Patientinnen und Patienten bleibt möglich, ist aber nicht mehr zwingend erforderlich.

Die Umstellung soll Verwaltungsaufwand senken und Fehlübermittlungen verhindern, verlangt von allen Beteiligten jedoch deutlich mehr Aufmerksamkeit als früher.

Obergrenze von einem Monat

Ärztinnen und Ärzte dürfen eine Arbeits­unfähigkeit im Regelfall höchstens für einen Monat am Stück attestieren. Länger reichende Zeiträume lassen die Vorgaben des Praxisverwaltungssystems nicht zu.

Die AU-Richtlinie empfiehlt sogar, die voraussichtliche Dauer zunächst auf zwei Wochen zu begrenzen, es sei denn, der Verlauf erfordert eine längere Prognose.

Damit rückt der Folgetermin in dichterer Taktung näher, und Versicherte müssen konsequent darauf achten, dass die nächste Bescheinigung rechtzeitig erstellt wird.

Lückenlose Bescheinigung wichtig beim Krankengeld

Für das Krankengeld gilt das Prinzip der nahtlosen Krankschreibung. Bis zum Ende der sechsten Woche übernimmt der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung; danach springt die Krankenkasse ein.

Bleibt zwischen zwei Bescheinigungen eine zeitliche Lücke, ruht der Anspruch – auch rückwirkend. Selbst kurze Unterbrechungen können sich spürbar auf das Haushaltsbudget auswirken, denn Krankengeld entspricht nur etwa 70 Prozent des Bruttolohns und ist nach oben gedeckelt.

Gesetzlicher Rahmen: § 46 SGB V

Ein kleines Schlupfloch lässt der Gesetzgeber jedoch: Stellt die Ärztin oder der Arzt die Folgebescheinigung spätestens am nächsten Werktag nach Ablauf des vorherigen Attests aus, gilt der Anspruch als ununterbrochen.

Samstage zählen dabei ausdrücklich nicht als Werktage. Fällt das Ende der Krankschreibung also auf einen Freitag, genügt der Besuch in der Praxis am darauffolgenden Montag, um die Zahlungslinie nicht abreißen zu lassen. Wer allerdings bis Dienstag wartet oder eine Lücke über einen Feiertag hinweg entstehen lässt, riskiert einen Kürzungsbescheid.

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Wenn Praxen das neue System noch nicht verinnerlicht haben

In der Praxis verläuft die Umstellung keineswegs reibungslos. Noch immer berichten Patientinnen und Patienten, dass Terminvorschläge ihrer Hausarztpraxis die Frist sprengen würden.

Viele Praxisteams handeln aus alter Gewohnheit: Ein Folgetermin nach zwei oder drei Tagen erschien früher unproblematisch, weil die Krankenkasse die Lücke rückwirkend schloss. Im digitalen Zeitalter ist das nicht mehr möglich; die Software akzeptiert kein rückdatiertes Ende einer Folgebescheinigung.

Wer Krankengeld bezieht, sollte deshalb einen persönlichen Kalender führen. Spätestens bei Ausstellung eines Attests gehört der Endtermin markiert.

Falls die Praxis am letzten Bescheinigungstag keinen persönlichen Termin anbieten kann, lohnt es, auf telefonische Ausstellung oder – soweit medizinisch vertretbar – eine Videosprechstunde zu drängen.

Die eAU darf nach aktueller Rechtslage nach telefonischer Anamnese bis zu fünf Tagen, per Video bis zu sieben Tagen ausgestellt werden; danach ist eine Präsenz­untersuchung zwingend.

Auch hier entscheidet jede Praxis im Einzelfall, doch häufig genügt der Hinweis auf die drohende Krankengeldlücke, um eine pragmatische Lösung zu finden.

Dokumentation schützt vor Streit

Obwohl die Übermittlung digital erfolgt, sollten Versicherte den Ausdruck der eAU aufbewahren. Kommt es doch einmal zu Unstimmigkeiten mit der Krankenkasse – etwa weil eine Bescheinigung verlorengegangen ist oder der Abruf beim Arbeitgeber hakte – dient das Papier als unmittelbarer Nachweis der ärztlichen Feststellung. Gerade bei längeren Krankheitsverläufen können mehrere hundert Euro auf dem Spiel stehen, wenn einzelne Tage nicht anerkannt werden.

Folgen unterschätzter Zwischentage

Zwei vergessene Kalendertage am Übergang von Entgeltfortzahlung zu Krankengeld können schnell Beträge von 60 bis 100 Euro netto ausmachen, abhängig von Gehalt und Steuerklasse. Bei längeren Unterbrechungen summiert sich der Verlust entsprechend. Wer ohnehin mit einem reduzierten Nettoeinkommen kalkulieren muss, spürt die Einbuße unmittelbar.

Fazit

Wer Krankengeld bezieht, sollte die Enddaten seiner Bescheinigungen im Blick behalten, rechtzeitig Termine vereinbaren und im Zweifel auf telefonische oder digitale Lösungen bestehen. So lassen sich ärgerliche Versorgungslücken und finanzielle Verluste zuverlässig vermeiden.