Die Höhe der Regelbedarfe wird in einem Bundesgesetz neu ermittelt, wenn die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) vorliegen. Die geltenden Regelsätze basieren noch auf Daten der EVS von 2008. In 2013 wurde turnusgemäß eine neue EVS erhoben. Dem BMAS liegen die Auswertungen der Ergebnisse, die die Grundlage für eine Neufestsetzung der Regelbedarfe darstellen, offenbar bereits seit mehreren Monaten vor. Ende November erklärte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales jedoch laut Süddeutscher Zeitung vom 30. November 2015, dass eine Anpassung der Regelsätze auf Grundlage der neuen EVS erst zum 1. Januar 2017 erfolgen solle.
Sollte sich herausstellen, dass die verschleppte Umsetzung der Neufestsetzung der Regelsätze auf Kosten der Hartz-IV-Bezieher erfolgt, wäre ein rückwirkender Anspruch denkbar. Dieser greift jedoch nur dann, wenn Betroffene gegen aktuelle Hartz-IV-Bescheide Widerspruch einlegen. Der Paritätische hat deshalb einen Muster-Widerspruch formuliert, der als Vorlage von Betroffenen genutzt werden kann.
Fragen und Antworten zum Thema:
Frage: Muss jeder Einzelne Widerspruch gegen seinen Bescheid einlegen und klagen?
Antwort: Ja. Tatsächlich ist es so, dass man nur dann mögliche Ansprüche rückwirkend geltend machen kann, wenn zuvor gegen den eigenen Bescheid Widerspruch eingelegt und im Falle einer Ablehnung des Widerspruchs geklagt wurde.
Ich bin “Aufstocker” und bekomme ergänzende “Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts”. Kann ich die Mustervorlage auch verwenden?
Ja. Die Vorlage kann verwendet werden. Unsere Argumente gelten auch für Aufstocker.
Warum ist es wichtig, jetzt Widerspruch gegen seinen Bescheid einzulegen?
Sollte es im Zuge der Neufestsetzung der Regelsätze 2017 zu einer Erhöhung der Leistungen kommen, können rückwirkende Ansprüche nur geltend gemacht werden für den Zeitraum ab dem Tag, an dem Widerspruch eingelegt wurde.
Kann man nicht auch erst nachträglich einen Antrag auf Überprüfung und Nachzahlung stellen, wenn es 2017 tatsächlich zu einer Erhöhung der Regelsätze kommen sollte?
Es gibt das Instrument des so genannten Überprüfungsantrages. Dieser würde aber nur dazu führen, dass geprüft wird, ob die Leistung, die ab dem Zeitpunkt des gesetzlichen Inkrafttretens der neuen Regelsätze im Einzelfall gewährt wurde, zu niedrig war. Wir greifen aber ja gerade das späte Inkrafttreten selbst an. Durch das Einreichen des Widerspruchs heute soll sichergestellt werden, dass auch rückwirkend Ansprüche für den Zeitraum vor dem 1.1.2017 geltend gemacht werden können.
Spielt es eine Rolle, wie viele Menschen Widerspruch gegen ihren Bescheid einlegen oder klagen?
Individuelle Ansprüche können nur dann geltend gemacht werden, wenn im konkreten Einzelfall auch Widerspruch gegen den eigenen Bescheid eingelegt bzw. geklagt wurde. Hier reicht es also nicht aus, darauf zu verweisen, dass andere Betroffene Widerspruch eingelegt oder geklagt haben. Unabhängig von der individuellen Situation wird eine hohe Zahl von Widersprüchen aber den politischen Druck erhöhen: Desto mehr Menschen Widersprüche und Klagen gegen ihre Bescheide einreichen, desto größer ist das politische Signal, das von den Sozialgerichten nicht unbeachtet bleiben wird.
Wie geht es weiter, wenn man Widerspruch eingelegt hat? Dieser wird doch bestimmt abgelehnt werden!
Wenn gegen einen Bescheid Widerspruch eingelegt wurde, muss zunächst die Antwort auf den Widerspruch abgewartet werden. Wird ein ablehnender Bescheid erteilt, kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Klage bei dem örtlichen Sozialgericht eingereicht werden.
Wird meine Klage überhaupt Erfolg haben?
Antwort: Erfolg kann nicht garantiert werden und Frust ist nicht auszuschließen. Andererseits sichert nur der Widerspruch und – im Falle einer Ablehnung – der Klageweg eine ggf. rückwirkende Bewilligung von Leistungen. Daher ist es dringend zu empfehlen, gegen einen ablehnenden Bescheid auch die Klage einzureichen, um sich mögliche Ansprüche zu sichern.
Gerne würde ich mich der Aktion anschließen, jedoch befürchte ich, dass meine Bezüge in der Zeit, in der mein Widerspruch geprüft wird, ruhen könnten. Das kann ich mir selbstverständlich nicht leisten, da es meine einzigen Einkünfte sind. Wie ist die Rechtslage?
Die Rechtslage ist da eindeutig: Ein Widerspruch auf höhere Leistungen darf nicht zur Einstellung der laufenden Leistungen führen.
Ohne genaue Kenntnisse der möglichen Folgen traue ich mich nicht zu diesem Schritt, da ich Schikanen seitens der ARGE fürchte (alles schon erlebt!).
Dass Widerspruchsführer in das Visier der Jobcenter geraten, sollte und darf nicht sein, lässt sich aber leider auch nicht ausschließen. Sollten Sie mit Schikanen konfrontiert werden, suchen Sie sich Beratung und Unterstützung bei Experten. Über die Internetseite des Erwerbslosenvereins Tacheles e.V. finden Sie eine Auswahl an Rechtsanwälten, Beratungsstellen, Erwerbslosen- und Sozialinitiativen, die Beratung und Unterstützung zum Arbeitslosen- und Sozialhilferecht anbieten.
Ich habe davon gehört, dass die Jobcenter Standardantworten verschicken mit einer Frist zur Klage innerhalb der Widerspruchsfrist. Kann das sein?
Eine solche Aufforderung wäre gegenstandslos. Eine Klage ist erst auf Basis eines Widerspruchsbescheides möglich. Das heißt, während die Prüfung des Widerspruchs noch läuft und kein abschließender Bescheid da ist, kann auch keine Klage eingereicht werden. Ab dem Tag der Zustellung des Widerspruchsbescheids, hat man einen Monat Zeit, um Klage gegen diesen Bescheid beim Sozialgericht einzureichen.
Wie muss eine Klage formuliert sein?
Antwort: Sollten Sie einen ablehnenden Widerspruchsbescheid erhalten und Unterstützung bei der Formulierung der Klageschrift benötigen, können Sie sich mit uns in Verbindung setzen. Wenn Sie uns Ihren Widerspruch und Widerspruchsbescheid zuschicken, können wir gerne eine entsprechende Vorlage zur Verfügung stellen: Telefon 030|24636-0 oder Mail: info@paritaet.org oder auch hier: http://www.erwerbslosenforum.de/wp-content/uploads/2016/01/Musterklageantrag_regelsatz2016-1.pdf
Welche Kosten kommen im Falle einer Klage auf mich zu und wie soll ich mir die leisten?
Es ist möglich, Prozesskostenhilfe bei dem Sozialgericht mit Einreichung der Klage zu beantragen, die jedoch nicht zwangsläufig genehmigt werden muss. Die Klage vor dem Sozialgericht selbst kostet nichts. Einen Anwalt braucht man auch nicht, d.h. es ist nicht vorgeschrieben, dass man sich durch einen Anwalt vertreten lassen muss. Über die Internetseite des Erwerbslosenvereins Tacheles e.V. finden Sie eine Auswahl an Rechtsanwälten, Beratungsstellen, Erwerbslosen- und Sozialinitiativen, die Beratung und Unterstützung zum Arbeitslosen- und Sozialhilferecht anbieten. Hier gehts zum Musterwiderspruch.
Bild: Janina Dierks – fotolia
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