Mit dem Umwandlungsanspruch deutlich mehr Pflegegeld

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Die Pflege zu Hause ist fรผr viele Familien Herzenssache โ€“ und finanziell eine Herausforderung. Umso รผberraschender wirkt die Aussage, man kรถnne das eigene Pflegebudget monatlich um bis zu 50 Prozent steigern.

Was auf den ersten Blick wie eine รœbertreibung klingt, fuรŸt auf klaren sozialrechtlichen Anspruch: dem Umwandlungsanspruch innerhalb der Pflegesachleistungen und der Abrechnung dieser Mittel รผber die sogenannte Nachbarschaftshilfe. Wer die Regeln kennt und korrekt anwendet, kann die laufende Unterstรผtzung im Alltag erheblich ausweiten.

Dr. Utz Anhalt: Mit dem Umwandlungsanspruch mehr Pflegegeld

Umwandlungsanspruch trifft Nachbarschaftshilfe

Erstens erlaubt der Umwandlungsanspruch Pflegebedรผrftigen der Pflegegrade 2 bis 5, einen Teil nicht abgerufener Pflegesachleistungen in den Entlastungsbetrag zu verlagern. Zweitens lรคsst sich dieser erweiterte Entlastungsbetrag fรผr anerkannte Angebote zur Unterstรผtzung im Alltag nutzen โ€“ dazu zรคhlt, je nach Landesrecht, die Nachbarschaftshilfe.

Zusammengenommen entsteht ein Hebel: Wรคhrend das Pflegegeld bei maximaler Umwandlung zwar anteilig gekรผrzt wird, fรคllt das Plus aus den deutlich hรถheren Sachleistungsbudgets am Ende in der Summe spรผrbar aus.

So funktioniert die Umwandlung im Detail

Der regulรคre Entlastungsbetrag liegt โ€“ wie im Video ausgefรผhrt โ€“ bei 131 Euro pro Monat. Pflegesachleistungen sind je nach Pflegegrad jedoch um ein Mehrfaches hรถher.

Bis zu 40 Prozent dieser Sachleistungen lassen sich in den Entlastungsbetrag รผberfรผhren. Wird dieser maximale Satz ausgeschรถpft, reduziert die Pflegeversicherung das Pflegegeld um denselben prozentualen Anteil. Weil die Sachleistungen aber deutlich hรถher ausfallen als das Pflegegeld, bleibt im Ergebnis ein monatlicher รœberschuss.

Ein Rechenbeispiel fรผr Pflegegrad 3

Anschaulich wird der Effekt an den genannten Beispielzahlen: Bei Pflegegrad 3 kรถnnen 589,80 Euro aus den Pflegesachleistungen umgewandelt werden. Im Gegenzug sinkt das Pflegegeld um 239,60 Euro. Unter dem Strich ergibt sich dadurch bereits ein Plus von 359,20 Euro monatlich.

Zusammen mit dem regulรคren Entlastungsbetrag summiert sich der Vorteil in diesem Beispiel auf 490,20 Euro im Monat. Der Trend zeigt nach oben: Schon bei Pflegegrad 2 ergibt sich ein Zuwachs von rund 310 Euro; mit steigenden Graden wรคchst der Vorteil, weil das Sachleistungsbudget รผberproportional zunimmt.

Steigende Effekte mit hรถherem Pflegegrad

Die Orientierungswerte verdeutlichen die GrรถรŸenordnung. Bei Pflegegrad 4 wรคchst das nutzbare Budget auf 1.355 Euro statt 800 Euro, bei Pflegegrad 5 auf 1.645 Euro statt 990 Euro.

Das bedeutet einen monatlichen Mehrbetrag von teils รผber 650 Euro. Entscheidend ist, dass diese Summen nicht โ€žon topโ€œ ohne Leistung flieรŸen, sondern zweckgebunden fรผr anerkannte Unterstรผtzungsangebote im Alltag eingesetzt werden mรผssen.

Wofรผr es gedacht ist โ€“ und fรผr was nicht

Der Entlastungsbetrag dient der konkreten Unterstรผtzung im Alltag. Dazu zรคhlen Hilfe beim Kochen, Einkaufen oder Aufrรคumen ebenso wie Begleitung bei Spaziergรคngen. Voraussetzung ist stets, dass die Leistung tatsรคchlich im jeweiligen Monat erbracht wird.

Anders als beim regulรคren, kleinen Restansparpotenzial einzelner Kassenregelungen lรคsst sich der mit Umwandlung generierte Zusatzbetrag nicht fortschreiben. Wird die Hilfe in einem Monat nicht in Anspruch genommen, verfรคllt der Anspruch fรผr genau diesen Zeitraum.

Anerkennung der Nachbarschaftshilfe: Landesrecht entscheidet

Wer die Leistungen abrechnen mรถchte, benรถtigt eine anerkannte Person oder ein anerkanntes Angebot zur Unterstรผtzung im Alltag. Die Nachbarschaftshilfe ist hier ein verbreiteter Weg โ€“ allerdings mit landesrechtlich unterschiedlichen Anforderungen.

An dieser Stelle einmal zwei Beispiele genannt: In Berlin reicht ein sechsstรผndiger Grundkurs fรผr die Anerkennung. In Niedersachsen ist ein 30-stรผndiger Kurs notwendig, zusรคtzlich wird ein erweitertes polizeiliches Fรผhrungszeugnis verlangt.

Erst mit der formellen Anerkennung kรถnnen Leistungen gegenรผber der Pflegekasse abgerechnet werden.

Antrag, Ablauf und Abrechnung in der Praxis

Der Einstieg ist formal รผberschaubar. Pflegebedรผrftige stellen bei ihrer Pflegekasse einen kurzen, formlosen Antrag, bis zu 40 Prozent der Sachleistungen in den Entlastungsbetrag umzuwandeln. Parallel absolviert die helfende Person die erforderliche Schulung, lรคsst sich anerkennen und registrieren.

AnschlieรŸend werden die erbrachten Unterstรผtzungsleistungen monatlich nachgewiesen und in Rechnung gestellt. Die Pflegekasse erstattet die Kosten aus dem Entlastungsbetrag โ€“ je nach Konstellation flieรŸt das Geld an die helfende Person oder an Angehรถrige. MaรŸgeblich ist stets, dass die Leistung im jeweiligen Monat tatsรคchlich stattgefunden hat.

Fรผr wen sich der Aufwand lohnt

Die Kombination aus Umwandlungsanspruch und Nachbarschaftshilfe adressiert genau die alltรคglichen Engpรคsse, die hรคusliche Pflege so belastend machen. Sie verschiebt Mittel dorthin, wo Entlastung am dringendsten gebraucht wird: in praktische Hilfe, Zeit und Begleitung.

Weil der Nettoeffekt mit hรถherem Pflegegrad zunimmt, profitieren insbesondere Familien, die bereits einen grรถรŸeren Unterstรผtzungsbedarf haben und gleichzeitig flexibel auf Hilfe aus dem nahen Umfeld zurรผckgreifen kรถnnen โ€“ vorausgesetzt, die formale Anerkennung der helfenden Person gelingt.

Zusatztipp fรผr pflegende Angehรถrige: Wohngeld und Lastenzuschuss prรผfen

Pflegende Angehรถrige reduzieren nicht selten ihre Erwerbsarbeit und damit ihr Einkommen. Der Hinweis aus dem Video ist deshalb relevant: Wer in einer Mietwohnung lebt, sollte einen mรถglichen Anspruch auf Wohngeld prรผfen; bei selbstgenutztem Wohneigentum kommt ein Lastenzuschuss in Betracht. Wohngeld ist eine staatliche Leistung, die nicht zurรผckgezahlt werden muss.

Ob ein Anspruch besteht, hรคngt vom Einkommen, von der Miethรถhe beziehungsweise den laufenden Wohnkosten und von der HaushaltsgrรถรŸe ab. Als Faustregel gilt: FlieรŸen 40 Prozent oder mehr des Monatseinkommens in Miete oder laufende Immobilienkosten, stehen die Chancen auf einen Anspruch gut. Wichtig ist zudem, dass das weitergeleitete Pflegegeld in vielen Fรคllen nicht als Einkommen angerechnet wird โ€“ ein Punkt, der die Bewilligungschancen verbessern kann.

Fazit: Eine selten genutzte Chance mit groรŸer Wirkung

Die rechtlichen Spielrรคume sind vorhanden, werden aber vielerorts noch zu wenig ausgeschรถpft. Wer gezielt bis zu 40 Prozent der Sachleistungen in den Entlastungsbetrag umwandelt und die Nachbarschaftshilfe formal anerkennen lรคsst, kann das eigene Pflegebudget deutlich erhรถhen und diese Mittel in konkrete Alltagsunterstรผtzung verwandeln.

Die Voraussetzung ist, die landesspezifischen Anerkennungswege zu kennen, den Antrag bei der Pflegekasse zu stellen und die erbrachten Leistungen Monat fรผr Monat sauber zu dokumentieren. Dann wird aus einem vermeintlichen โ€žWerbegagโ€œ ein wirksames Instrument, das Pflegebedรผrftigen und ihren Familien spรผrbar Luft verschafft.