Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen stehen im Alltag vor speziellen Aufgaben. Sie benötigen oft Medikamente, begleitende Therapien oder barrierefreie Wohnräume. Das kostet zusätzliches Geld, das über den normalen Regelsatz der Sozialhilfe oder des Bürgergelds hinausgeht.
Genau hier greifen sogenannte Mehrbedarfszuschläge. Diese Leistung soll ein menschenwürdiges Leben sichern, selbst wenn intensive Betreuung oder teure Anschaffungen anfallen. Im Folgenden lesen Sie, wie diese Zuschläge geregelt sind, welche Voraussetzungen gelten und worauf Sie beim Antrag achten sollten.
Inhaltsverzeichnis
Was sind Mehrbedarfszuschläge?
Bei Bürgergeld und Sozialhilfe wird ein Regelsatz gewährt, der den normalen Bedarf abdecken soll. Damit sind typische Ausgaben gemeint, beispielsweise für Nahrungsmittel, Kleidung und Haushalt. Menschen mit Behinderung haben jedoch oft Ausgaben, die in diesem Standard nicht vorkommen.
Einfache Beispiele sind Taxifahrten zu Arztterminen oder Hilfsmittel für den Alltag. Wer eine solche finanzielle Mehrbelastung nachweisen kann, bekommt über den Mehrbedarfszuschlag einen zusätzlichen Betrag.
Wichtige Punkte beim Mehrbedarf für Menschen mit Behinderung
Mehrbedarfszuschläge für Menschen mit Behinderung haben im Wesentlichen zwei Ziele:
Finanzielle Kompensation: Zusatzkosten, die anders nicht gedeckt werden, sollen nicht zu Schulden führen.
Soziale Teilhabe: Niemand wird ausgeschlossen, weil Therapie und Rehakosten unbezahlbar erscheinen.
Diese Zuschläge basieren auf klaren Kriterien. Wer zum Beispiel das Merkzeichen „G“ (Gehbehinderung) oder „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) im Schwerbehindertenausweis trägt, kann einen festen Prozentsatz des maßgeblichen Regelsatzes zusätzlich erhalten. Dabei kommt es darauf an, ob die Betroffenen erwerbsgemindert sind oder bereits das Rentenalter erreicht haben.
Mehrbedarf im Detail
Je nach Lebenslage gibt es unterschiedliche Regelungen. Die wichtigsten Mehrbedarfszuschläge für Menschen mit Behinderung lassen sich in fünf Hauptbereiche einteilen.
Zuschlag bei Gehbehinderung
Wer das Merkzeichen „G“ oder „aG“ vorweisen kann und entweder kein eigenes Einkommen hat oder bereits eine Regelaltersrente bezieht, bekommt einen prozentualen Aufschlag auf den Grundbedarf. Häufig liegt dieser bei 17 % des jeweiligen Regelsatzes.
Beispielsweise bedeutet dies: Hat eine Einzelperson einen monatlichen Regelsatz von rund 500 Euro, erhöht ein Plus von 17 % diesen Betrag um etwa 85 Euro.
Zuschlag für Teilhabe an Bildung
Ein weiteres Beispiel ist der Mehrbedarf für Bildungsangebote. Bei der Sozialhilfe können Menschen mit Behinderung, die Leistungen zur Teilhabe an Bildung erhalten, mit zusätzlichen 35 % rechnen. Damit sollen beispielsweise Fahrtkosten oder spezielle Lernmaterialien finanziert werden.
Im Verlauf einer solchen Bildungsmaßnahme fällt der Zuschlag für Gehbehinderung zwar weg, doch die neue Regelung gilt oft als vorteilhafter, weil sie höher ist.
Mehrbedarf für Bürgergeld-Beziehende in Reha
Auch im Bürgergeld existiert ein Zuschlag von bis zu 35 %, wenn Betroffene bestimmte Rehabilitationsleistungen wahrnehmen. Dazu gehören etwa Umschulungen, berufliche Anpassungen oder Unterstützungen für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt.
So behalten Menschen mit Handicap eine Perspektive, auch wenn sie vorübergehend oder dauerhaft eingeschränkt sind.
Gemeinschaftliches Mittagessen und Mehrbedarf
Die Sozialhilfe sieht für einige tagesstrukturierende Einrichtungen wie Werkstätten für behinderte Menschen einen Mehrbedarfsbetrag für das gemeinsame Mittagessen vor. Dieser Zuschlag wird pro Tag berechnet und variiert je nach regionalen Richtlinien.
Er deckt Mehrkosten, die über eine normale Verpflegung hinausgehen, zum Beispiel durch spezielle Diäten oder gemeinsamen Mittagstisch in sozialen Einrichtungen.
Kostenintensive Ernährung
Einige Krankheiten oder Behinderungen erfordern spezielle Nahrung. Betroffene, die beispielsweise an Verdauungsstörungen leiden oder extrem proteinreiche Kost brauchen, können eine sogenannte Krankenkostzulage beantragen. Behörden orientieren sich dabei an ärztlichen Attesten und an Richtlinien, die festlegen, welche Lebensmittelkosten realistisch sind.
Unabweisbarer besonderer Bedarf
Das Sozialrecht enthält für besonders knifflige Situationen eine Härtefallklausel. Wer finanzielle Belastungen hat, die vom Regelsatz und anderen Mehrbedarfen nicht abgedeckt werden, kann einen individuellen Betrag beantragen. Beispiele sind regelmäßige Ausgaben für bestimmte Pflegemittel oder Fahrtkosten zu Therapien, die sich nicht innerhalb der üblichen Pauschalen abbilden lassen.
Wiederkehrende Ausgaben: Kommen bestimmte Kosten regelmäßig vor, kann das Amt einen Zuschlag zeitlich begrenzt oder dauerhaft bewilligen.
Einmalige Kosten: Fällt eine einzelne, aber hohe Ausgabe an (z. B. eine Spezialschiene), prüft das Amt ebenfalls, ob ein Härtefallzuschuss oder ein Darlehen möglich ist.
Voraussetzung ist, dass Sie keinen Zugang zu anderen Leistungen haben. Wer zum Beispiel Pflegegeld bezieht oder in einer speziellen Eingliederungshilfe eingebunden ist, wird vielleicht zuerst dort unterstützt. Entfällt diese Option, schließt der Härtefall-Mehrbedarf die Lücke, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu bewahren.
Antragstellung: Schritt für Schritt
Zum Start ist eine gründliche Bestandsaufnahme Ihrer Situation wichtig. Welche Einschränkungen bestehen und welche Kosten resultieren daraus? Sammeln Sie Belege für Fahrten, Rezepte, Materialrechnungen oder Behandlungskosten. Präsentieren Sie die Dokumente lückenlos beim zuständigen Jobcenter oder Sozialamt.
Machen Sie deutlich, warum Sie die Ausgaben nicht aus dem normalen Regelsatz bestreiten können. Erklären Sie, dass keine andere Leistung (z. B. Krankenkasse oder Pflegekasse) diese Posten übernimmt. Jede Behörde muss Einzelfallentscheidungen treffen.
Gut vorbereitet sparen Sie Nerven und erhalten schneller eine Rückmeldung. Wenn Sie einen Schwerbehindertenausweis besitzen, fügen Sie ihn unbedingt bei. So lässt sich der geltende Mehrbedarf leichter begründen.
Beispiele aus der Praxis
1. Ein junger Mann mit spastischer Lähmung kann nicht länger als ein paar Minuten gehen. Dank Merkzeichen „aG“ und einer nachgewiesenen vollen Erwerbsminderung erhält er neben seinem monatlichen Regelsatz einen Aufschlag von 17 %. Damit organisiert er Fahrdienste oder kauft technische Alltagshelfer.
2. Eine Frau, die an Multipler Sklerose leidet, besucht eine Weiterbildung zur beruflichen Rehabilitation. Das Jobcenter erkennt die zusätzlichen Lernmittelkosten an. Zudem erhält sie 35 % Mehrbedarf, um Fahrten zum Seminar und barrierefreie Unterbringung während mehrtägiger Workshops zu finanzieren.