Was passiert, wenn das Krankengeld auslรคuft? Eine der wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang ist, ob und wie lange man sich nach dem Auslaufen des Krankengeldes weiter krankschreiben lassen sollte.
Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt erklรคrt, welche Schritte nach dem Ende des Krankengeldbezugs von den Betroffenen unbedingt zu beachten sind, welche sozialrechtlichen Regelungen gelten und warum eine Krankschreibung nach dem Krankengeld mit Bedacht erfolgen sollte.
Was ist Krankengeld und wann endet es?
Das Krankengeld dient dazu, das Einkommen von Arbeitnehmern zu sichern, die lรคnger als sechs Wochen aufgrund einer Krankheit arbeitsunfรคhig sind. In dieser Zeit รผbernimmt die Krankenkasse die Zahlung eines Teils des Lohns, wenn die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers endet.
Das Krankengeld wird in der Regel fรผr maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren fรผr dieselbe Krankheit gezahlt. Danach spricht man von der sogenannten “Aussteuerung”, das heiรt, der Anspruch auf Krankengeld endet.
Was bedeutet die “Aussteuerung” und welche Konsequenzen hat sie?
Mit der Aussteuerung beginnt fรผr viele Arbeitnehmer eine neue Phase, in der sie sich neu orientieren mรผssen.
Ab diesem Zeitpunkt erhalten sie kein Krankengeld mehr von der Krankenkasse. Dies bedeutet, dass sie nun anderweitig finanzielle Unterstรผtzung benรถtigen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Hier kommt in den meisten Fรคllen die Agentur fรผr Arbeit ins Spiel, wo ein Anspruch auf Arbeitslosengeld geprรผft wird.
Doch dieser รbergang ist oft nicht einfach und mit zahlreichen Fragen von betroffenen verbunden, wie der Sozialrechtsexperte Dr. Anhalt erklรคrt . Besonders kompliziert wird es, wenn es um die Frage geht, ob eine Krankschreibung weiterhin notwendig oder sogar hinderlich sein kann.
Was ist die Nahtlosigkeitsregelung?
Ein Begriff in dieser Phase ist die sogenannte “Nahtlosigkeitsregelung“. Diese Regelung sorgt dafรผr, dass ein nahtloser รbergang zwischen dem Krankengeld und dem Arbeitslosengeld mรถglich ist, sofern der Betroffene weiterhin arbeitsunfรคhig ist.
Die Nahtlosigkeitsregelung soll sicherstellen, dass Betroffene nicht ohne finanzielle Unterstรผtzung dastehen, solange geprรผft wird, ob sie mรถglicherweise Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente haben.
Die Nahtlosigkeitsregelung greift jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen, warnt der Experte.
“Der arbeitsamtsรคrztliche Dienst muss prรผfen, ob der Betroffene in den kommenden sechs Monaten wieder arbeitsfรคhig sein wird. Die Entscheidung darรผber basiert auf medizinischen Unterlagen und den Berichten der behandelnden รrzte”, so der Experte.
Diese Prรผfung entscheidet รผber den weiteren Verlauf und insbesondere darรผber, ob eine Krankschreibung weiterhin sinnvoll ist.
Wann ist eine Krankschreibung nach dem Krankengeld sinnvoll?
“Wenn die Nahtlosigkeitsregelung greift, ist es in der Regel unproblematisch, sich weiterhin krankschreiben zu lassen. In diesem Fall wird die Arbeitsagentur akzeptieren, dass der Betroffene fรผr mindestens sechs Monate nicht arbeitsfรคhig ist”, sagt Anhalt.
“Wรคhrend dieser Zeit wird der Betroffene von der Agentur fรผr Arbeit aufgefordert, einen Antrag auf Rehabilitation (Reha) zu stellen, um zu prรผfen, ob mรถglicherweise eine Erwerbsminderungsrente in Frage kommt.”
Die Zeit, bis รผber diesen Antrag entschieden wird, kann sich รผber mehrere Monate erstrecken. In dieser Zeit hat der Betroffene Anspruch auf Arbeitslosengeld, und eine fortlaufende Krankschreibung schadet nicht.
“Die Krankschreibung sollte in diesem Fall aufrechterhalten werden, da weiterhin das gesundheitliche Problem im Vordergrund steht, und die Arbeitsagentur in dieser Zeit ohnehin keine Vermittlung erwartet”. sagt Anhalt.
Dies sei der sicherste Weg, um die finanzielle Absicherung zu gewรคhrleisten, bis endgรผltig entschieden ist, ob der Betroffene in die Erwerbsminderungsrente wechseln kann.
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Was passiert, wenn die Nahtlosigkeitsregelung nicht greift?
Ein hรคufiger Fall ist, dass der arbeitsamtsรคrztliche Dienst zu der Einschรคtzung kommt, dass der Betroffene in den kommenden sechs Monaten wieder arbeitsfรคhig sein wird.
“In diesem Fall greift die Nahtlosigkeitsregelung nicht, und der Betroffene muss sich dem Arbeitsmarkt zur Verfรผgung stellen, um Arbeitslosengeld zu erhalten. Dies bedeutet, dass er gegenรผber der Agentur fรผr Arbeit erklรคren muss, dass er grundsรคtzlich bereit ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen โ auch wenn er sich nach wie vor krank fรผhlt”, warnt Dr. Anhalt.
Hier entsteht ein Dilemma: Der Betroffene muss formal signalisieren, dass er arbeitsfรคhig ist, um weiterhin Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, obwohl er mรถglicherweise weiterhin gesundheitliche Einschrรคnkungen hat.
Eine fortlaufende Krankschreibung kรถnnte in diesem Fall problematisch sein, da sie der Vermittlungsfรคhigkeit widerspricht. “Die Arbeitsagentur kรถnnte dies als Signal werten, dass der Betroffene dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfรผgung steht, und somit die Zahlung des Arbeitslosengeldes einstellen”, betont Dr. Utz Anhalt.
Sollte ich nach dem Krankengeld weiterhin eine Krankschreibung einreichen?
Die Frage, ob man nach dem Auslaufen des Krankengeldes weiterhin eine Krankschreibung bei der Arbeitsagentur einreichen sollte, hรคngt also stark von der individuellen Situation ab:
- Wenn die Nahtlosigkeitsregelung greift: In diesem Fall ist es absolut unproblematisch, weiterhin eine Krankschreibung vorzulegen. Die Arbeitsagentur wird akzeptieren, dass der Betroffene weiterhin arbeitsunfรคhig ist, und es wird geprรผft, ob eine Erwerbsminderungsrente in Frage kommt. Eine fortlaufende Krankschreibung ist hier sogar sinnvoll, da sie den gesundheitlichen Zustand dokumentiert und die Grundlage fรผr weitere Entscheidungen bildet.
- Wenn die Nahtlosigkeitsregelung nicht greift: Hier wird die Situation schwieriger. Eine fortlaufende Krankschreibung kann dazu fรผhren, dass die Arbeitsagentur die Zahlungen einstellt, da der Betroffene formal nicht als arbeitsfรคhig gilt. In diesem Fall ist es ratsam, keine weiteren Krankschreibungen bei der Arbeitsagentur einzureichen, um den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu gefรคhrden. Wichtig ist, dass der Betroffene sich bereit erklรคrt, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, auch wenn dies gesundheitlich mรถglicherweise nur eingeschrรคnkt mรถglich ist.
Welche Risiken bestehen bei einer fortlaufenden Krankschreibung?
Wenn die Nahtlosigkeitsregelung nicht greift und der Betroffene dennoch weiterhin Krankschreibungen bei der Arbeitsagentur einreicht, besteht das Risiko, dass die Arbeitsagentur die Zahlungen komplett einstellt.
In solchen Fรคllen kรถnnte der Betroffene zur Grundsicherung oder zum Jobcenter verwiesen werden, was mit deutlich geringeren finanziellen Leistungen verbunden ist.
Es ist daher wichtig, die Krankschreibung in solchen Fรคllen strategisch zu handhaben und sich rechtzeitig beraten zu lassen, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.
Beratungen bieten beispielsweise die Sozialverbรคnde wie VdK oder SoVD an.