Wer lรคnger als sechs Wochen arbeitsunfรคhig ist, lebt vom Krankengeld der gesetzlichen Krankenkasse. Viele Betroffene rechnen in dieser Phase mit medizinischer Betreuung und Ruhe – doch hรคufig erreicht sie plรถtzlich ein amtlicher Brief: Die Kasse โfordertโ einen Antrag auf Rehabilitation bei der Deutschen Rentenversicherung und setzt dafรผr eine Zehn-Wochen-Frist. (ยง 51 Abs. 1 SGB V.)
Dort ist festgelegt, dass die Krankenkasse das Reha-Verfahren verlangen darf, sobald ein รคrztliches Gutachten eine erhebliche Gefรคhrdung oder Minderung der Erwerbsfรคhigkeit bestรคtigt; kommt der oder die Versicherte dem nicht fristgerecht nach, darf das Krankengeld eingestellt werden.
Reha-Antrag: Pflicht, nicht Kรผr
Die Nachricht klingt zunรคchst harmlos, doch sie ist keine Einladung, sondern eine bindende Anordnung. Wer den Antrag nicht stellt, riskiert den vรถlligen Wegfall seines Einkommens aus Krankengeld.
Auch ein Widerspruch bei der Kasse schรผtzt nicht vor diesem Risiko; die Leistung kann trotz laufenden Rechtsstreits gestoppt werden. Sozialgerichte haben wiederholt bestรคtigt, dass das gesetzliche Aufforderungsrecht scharf durchsetzbar ist.
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Drei Wochen Klinik mit weitreichenden Folgen
Eine stationรคre medizinische Reha dauert รผblicherweise drei Wochen. Wรคhrend dieser Zeit รผbernimmt die Rentenversicherung die Kosten und zahlt รbergangsgeld.
Die eigentlich Gefรคhrliche findet sich jedoch im Abschlussbericht der Klinik: Stellt das รrzteteam fest, dass die Patientin oder der Patient voraussichtlich mindestens sechs Monate lang dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfรผgung steht, wertet die Krankenkasse diese Prognose als Signal, dass eine dauerhafte Erwerbsminderung vorliegen kรถnnte.
Dann verlangt sie im nรคchsten Schritt die Beantragung einer Erwerbsminderungsrente – und beendet das Krankengeld, sobald der Rentenantrag gestellt ist. Die Rentenversicherung prรผft anschlieรend, ob und in welchem Umfang ein Rentenanspruch besteht.
Das eingeschrรคnkte Gestaltungs- oder Dispositionsrecht
Meist weist die Kasse im Aufforderungsschreiben ausdrรผcklich darauf hin, dass das sogenannte Gestaltungs- oder Dispositionsrecht eingeschrรคnkt wird.
Diese Klausel verpflichtet die Versicherten, im Falle einer negativen Reha-Prognose tatsรคchlich Rentenantrag zu stellen; sie verbietet zugleich, den Reha-Antrag kurzerhand wieder zurรผckzuziehen.
Fehlte der Passus, kรถnnte der Betroffene theoretisch noch entscheiden, keinen Rentenantrag zu stellen โ ein seltener, aber wichtiger Ausnahmefall, den die Rechtsprechung mehrfach beleuchtet hat.
Auswege bei besonderen Lebensumstรคnden
Eltern kleiner Kinder, Menschen mit starken Angststรถrungen oder Patientinnen und Patienten, die kรถrperlich kaum reisefรคhig sind, kรถnnen nicht ohne Weiteres drei Wochen in eine Klinik fernab der Heimat.
In solchen Situationen lohnt sich eine enge Abstimmung mit Krankenkasse und Rentenversicherung. Manche Kliniken bieten Mutter/Vater-Kind-Plรคtze; in anderen Fรคllen ist eine ganztรคgig-ambulante Reha in Wohnortnรคhe mรถglich. Wichtig ist, frรผhzeitig รคrztliche Atteste einzureichen, die die besondere Situation belegen.
Vom Krankengeld in die Rente: unvermeidbar oder Chance?
Fรผr viele Versicherte erscheint die Erwerbsminderungsrente wie der sprichwรถrtliche Silberstreif am Horizont, weil sie das finanzielle Auf-und-Ab aus Krankengeld, Arbeitslosengeld und mรถglichen Sanktionen beendet.
Andere empfinden den Rentenantrag als Stempel โberufsunfรคhigโ und mรถchten noch einmal in den Job zurรผckkehren.
Unabhรคngig von diesen persรถnlichen Zielen zwingt der gesetzliche Mechanismus jedoch alle Beteiligten, eine klare Entscheidung zu treffen: Entweder gelingt die vollstรคndige Wiedereingliederung ins Berufsleben โ oder die Rentenversicherung stellt fest, dass auf absehbare Zeit nur eine teilweise oder gesamte Erwerbsminderung vorliegt.
Keine Abkรผrzung in die Altersrente
Die Aufforderung zum Reha-Antrag erรถffnet zwar die Tรผr zur Erwerbsminderungsrente, doch sie kann niemanden in eine vorgezogene Alters- oder Schwerbehindertenrente drรคngen.
Der Bezug von Krankengeld endet erst dann, wenn ein wirksamer Rentenbescheid โ oder eine endgรผltige Ablehnung โ vorliegt. Bis dahin trรคgt die Krankenkasse weiter die finanzielle Last, was ihren Druck erklรคrt, den Vorgang so schnell wie mรถglich zur Rentenversicherung zu verlagern.
Fazit
Der Brief mit der รberschrift โAufforderung zur Rehaโ ist ein Wendepunkt. Wer ihn erhรคlt, sollte sofort reagieren, รคrztlichen Rat einholen und bei Bedarf sozialrechtliche Beratung nutzen.
Denn im deutschen Sozialversicherungsrecht ist dies oft der Beginn eines klar geregelten, aber unumkehrbaren Weges: von der Lohnausfall-Entgeltfortzahlung รผber das Krankengeld bis hin zur mรถglichen Erwerbsminderungsrente.