Krankengeld: Ungekündigt und ausgesteuert – was nun?

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Wer wegen derselben Erkrankung über längere Zeit arbeitsunfähig ist, erhält Krankengeld maximal 78 Wochen innerhalb einer sogenannten Blockfrist von drei Jahren.

Mit dem Erreichen dieser Grenze endet der Anspruch – die Krankenkasse „steuert aus“. Ab diesem Zeitpunkt springt häufig die Agentur für Arbeit ein. Entscheidend ist, ob die Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung erfüllt sind oder ob man regulär Arbeitslosengeld I bezieht. Diese Grundordnung bestimmt, welche Leistungen in einer erneuten Gesundheitskrise greifen und welche nicht.

Nahtlosigkeitsregelung – und der Fall, in dem sie nicht greift

Die Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III soll Lücken schließen, wenn die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich länger als sechs Monate gemindert ist und zum Beispiel eine Entscheidung über eine Erwerbsminderungsrente noch aussteht.

Wird die Nahtlosigkeit aber abgelehnt, gelten Sie gegenüber der Agentur für Arbeit nicht als „krank“ im sozialrechtlichen Sinne, sondern als leistungsfähig für den allgemeinen Arbeitsmarkt – jedenfalls im Umfang, den die Behörde annimmt. Dann beziehen Sie reguläres Arbeitslosengeld I, ohne fortlaufende Krankschreibung. Genau in dieser Konstellation wird es kompliziert, wenn sich Ihr Gesundheitszustand plötzlich verschlechtert.

Akuter Einbruch der Gesundheit – die Weichenstellung „neu oder alt“

Kommt es während des Bezugs von Arbeitslosengeld I zu einer neuen Arbeitsunfähigkeit, zahlt die Agentur für Arbeit das ALG I grundsätzlich bis zu sechs Wochen weiter. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger an, wechselt die Leistung üblicherweise in das Krankengeld – vorausgesetzt, es besteht ein Krankengeldanspruch.

Das ist der Fall insbesondere bei einer neuen, eigenständigen Erkrankung, die nicht unter die noch laufende Blockfrist der früheren Krankheit fällt.

Bei einer Verschlimmerung der „alten“ Krankheit dagegen ist die Lage heikel: Hier sperrt die laufende Blockfrist häufig den erneuten Krankengeldbezug, sodass nach sechs Wochen ALG-Leistungsfortzahlung eine Lücke droht.

Neue Erkrankung: Wann tatsächlich wieder Krankengeld fließt

Tritt eine völlig neue Erkrankung auf – etwa ein Beinbruch nach überstandener Krebsbehandlung – handelt es sich sozialversicherungsrechtlich um einen neuen Versicherungsfall. In dieser Konstellation kann ein frischer Anspruch auf Krankengeld entstehen, der sich wieder bis zu 78 Wochen innerhalb einer neuen Blockfrist erstreckt.

Maßgeblich ist, dass die neue Diagnose tatsächlich unabhängig von der früheren ist und der Krankengeldanspruch dem Grunde nach wieder besteht. Praxiserfahrene Beratungsstellen weisen zusätzlich darauf hin, dass für das „Wiederaufleben“ des Krankengelds und den Neubeginn einer Blockfrist Umstände wie der Status bei der Agentur für Arbeit, der Zeitpunkt der ersten ärztlichen Feststellung und die fehlende fortlaufende AU zur Alt-Erkrankung eine Rolle spielen können.

Krankenkassen erläutern hierzu, dass zwischenzeitlich mindestens sechs Monate keine Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit bestanden haben dürfen und man in dieser Zeit erwerbstätig war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.

Alte Erkrankung wird wieder akut: Warum die Blockfrist zur Falle werden kann

Verschlechtert sich die ursprüngliche Krankheit während des regulären ALG-I-Bezugs, stößt man rasch an systembedingte Grenzen. Solange keine Nahtlosigkeit anerkannt ist, sind Sie nicht dauerhaft krankgeschrieben.

Werden Sie dennoch wieder arbeitsunfähig und bleibt es bei der „alten“ Diagnose, zahlt die Agentur für Arbeit das Arbeitslosengeld im Rahmen der Leistungsfortzahlung nur bis zu sechs Wochen.

Ein anschließender Übergang ins Krankengeld scheitert dann häufig an der noch laufenden Dreijahres-Blockfrist für dieselbe Krankheit, weil der 78-Wochen-Höchstanspruch bereits ausgeschöpft ist. Ohne neue, unabhängige Diagnose entsteht also regelmäßig kein neuer Krankengeldanspruch – mit spürbaren Folgen für Einkommen und Versicherungsschutz.

Was in dieser Zwickmühle noch möglich ist

Ist der erneute Krankengeldanspruch versperrt, zählt jedes Detail. Kurzzeitige Krankschreibungen innerhalb des Rahmens der Leistungsfortzahlung können helfen, solange die Arbeitsunfähigkeit nicht länger als sechs Wochen am Stück andauert.

Diese Option ist medizinisch wie organisatorisch belastend und taugt nur als Notbrücke, weil sie voraussetzt, dass zwischen stationären oder akuten Phasen keine dauerhafte AU besteht. Juristisch trägt diese Brücke nur, solange die gesetzlichen Voraussetzungen der Leistungsfortzahlung erfüllt bleiben. Spätestens wenn sich abzeichnet, dass die Erkrankung länger anhält, braucht es einen stabilen Versicherungspfad.

Krankenversicherung sichern: Familienversicherung, freiwillige GKV oder Bürgergeld

Fällt das ALG I weg und gibt es kein Krankengeld, steht die Absicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung im Vordergrund. Ist Ihr Ehe- oder eingetragener Lebenspartner in der GKV, kann eine beitragsfreie Familienversicherung in Betracht kommen.

Sie setzt unter anderem einen Wohnsitz in Deutschland, das Fehlen eigener vorrangiger Versicherungstatbestände und die Einhaltung von Einkommensgrenzen voraus, die die Kassenverbände regelmäßig bekanntgeben. Lässt sich dieser Weg nicht beschreiten, kommt eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV in Betracht, deren rechtliche Grundlage § 9 SGB V bildet und die an Vorversicherungszeiten und Fristen anknüpft.

Reichen die Mittel nicht aus, kann der Gang zum Jobcenter sinnvoll sein: Mit einem Bürgergeld-Antrag lässt sich in vielen Fällen nicht nur der Lebensunterhalt sichern, sondern auch der Krankenversicherungsschutz herstellen. Die Grundsicherung ist als Auffangnetz konzipiert, wenn vorrangige Leistungen wie ALG I oder Krankengeld entfallen.

Warum Beratung jetzt den Unterschied macht

Die Schnittstellen zwischen Kranken-, Arbeitslosen- und Grundsicherung sind komplex, und kleine Weichenstellungen – vom Datum der ersten AU-Feststellung bis zur Einordnung als „neue“ oder „alte“ Erkrankung – entfalten große Wirkung. Gesetzliche Grundlagen wie § 48 SGB V zur Dauer des Krankengeldes, § 145 SGB III zur Nahtlosigkeit und § 146 SGB III zur Leistungsfortzahlung stecken den Rahmen ab; im Einzelfall kommt es aber auf die genaue Chronologie, medizinische Befunde und den Status gegenüber Krankenkasse und Arbeitsagentur an.

Fachliche Beratung, etwa bei Sozialverbänden, Versichertenberatern oder qualifizierten Beratungsstellen, hilft, Fristen zu wahren, Unterlagen korrekt zu führen und den passenden Leistungsweg zu wählen.

Fazit: Klare Diagnose, klare Linie – so vermeiden Sie Leistungslücken

Nach der Aussteuerung entscheidet die Unterscheidung zwischen neuer und alter Erkrankung darüber, ob ein erneuter Krankengeldanspruch entsteht oder ob nach kurzer Leistungsfortzahlung des ALG I eine Versorgungslücke droht. Wer eine neue, unabhängige Diagnose erhält, kann unter den gesetzlichen Voraussetzungen wieder Krankengeld beziehen.

Wer mit der alten Krankheit erneut aus dem Arbeitsleben fällt, muss die Blockfrist und deren Sperrwirkung im Blick behalten und frühzeitig den Krankenversicherungsschutz sichern – über Familienversicherung, freiwillige GKV oder gegebenenfalls Bürgergeld. Wer diese Schritte geordnet angeht und sich beraten lässt, reduziert das Risiko schwerer finanzieller und versicherungsrechtlicher Fehler spürbar.