Zwangsumzug „völlig widersinnig“
26.07.2011
Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat in seinem Urteil (AZ: S 6 AS 3419/10) scharfe Kritik an der Praxis des Essener Jobcenters geübt, die Betroffenen nur aufgrund der Grundmiete (Netto-Kaltmiete) zu Umzügen zu zwingen. Im zu entscheidenden Fall hatten die Kläger eine Wohnung deren Grundmiete monatlich 44 Euro über der Angemessenheitsgrenze lag. Die warmen Nebenkosten lagen aber 39 Euro unter dem Satz für angemessene kalte (!) Nebenkosten. Dennoch forderte das Jobcenter die Kläger auf, sich eine „angemessene Wohnung“ mit einer niedrigeren Grundmiete zu suchen. Wären die Kläger dieser Aufforderung klaglos nachgekommen und hätten sich eine Wohnung mit angemessener Grundmiete und angemessenen Nebenkosten und Heizkosten gesucht, wäre die neue Gesamtmiete höher gewesen als die alte. Dieses Ergebnis bezeichnet das SG zu recht als „völlig widersinnig“. Der indirekte Zwang zum Umzug über die Absenkung der Mietkosten, die das Jobcenter zahlt, ist dem SG zu Folge ein Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, der bei dieser Sachlage nicht zu rechtfertigen sei.
Das SG geht seit dem 01 Januar 10 von 65 qm Wohnfläche aus, die einem Zwei-Personen-Haushalt von Leistungsberechtigten nach dem SGB II zustünden. Für Essen bedeute das bei einem qm-Preis von 4,71 Euro eine angemessene Grundmiete von 306,15 Euro. Als kalte Nebenkosten seien 1,89 Euro pro qm angemessen, wie aus dem Nebenkostenspiegel von 2010 hervor ginge.
Die 6. Kammer des SG hat sich damit der neueren Rechtsprechung anderer Kammern angenähert, die auch die kalten Nebenkosten bei der Angemessenheitsberechnung mit einbeziehen. Auch wenn es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, so kann doch die Prüfung der Angemessenheit in Essen zukünftig nicht dabei stehen bleiben, die Grundmiete als zu hoch zu bewerten. In einem zweiten Schritt muss sodann ein Vergleich der tatsächlichen kalten Nebenkosten mit den angemessenen Nebenkosten (1,89 Euro pro qm) angestellt werden. Wenn die Nebenkosten deutlich unter diesem
Durchschnitt liegen, ist eine Überschreitung bei der Grundmiete dadurch auszugleichen. (Rechtsanwalt Jan Häußler – Fachanwalt für Sozialrecht)
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