Jobcenter muss Hartz-IV-Empfängerin nach Fehlgeburt weiter ungekürzte Miete für angeblich zu teure Wohnung zahlen – Aufforderung, Unterkunftskosten auf angemessene "Kaltmiete" zu senken, missverständlich!
Schwanger und mittellos zog die 1987 geborene, seinerzeitige Hartz IV -Empfängerin L. im Oktober 2012 in eine Mietwohnung nach Crailsheim. Im Hinblick auf die bevorstehende Geburt übernahm das Jobcenter Landkreis Schwäbisch Hall zunächst die vollen Kosten der Unterkunft in Höhe von 450€ (300€ „Grundmiete“ zzgl. Heiz- und Nebenkosten). Nachdem L. dann aber eine Fehlgeburt erlitten hatte, wies das Jobcenter darauf hin, zukünftig nur noch die nach einem sog. „schlüssigen Konzept“ für eine Person ermittelte „angemessene Kaltmiete“ in Höhe von gut 250€ zu zahlen, sofern L. nicht ausreichende Bemühungen nachweise, die Unterkunftskosten zu reduzieren. Ab November 2013 übernahm das Jobcenter lediglich die Miete in „angemessener Höhe“ (monatlich knapp 50€ weniger als zuvor).
Die hiergegen gerichtete Klage – mit der L. geltend machte, sie habe sich im fraglichen Zeitraum aufgrund ihrer traumatischen Fehlgeburt nicht um einen Wohnungswechsel kümmern können – war erfolgreich: Es könne offen bleiben, ob das „schlüssige Konzept“ rechtmäßig sei. Denn das Jobcenter habe bereits deshalb die kompletten Unterkunftskosten zu übernehmen, weil es L. mit Verweis auf eine angemessene „Kaltmiete“ unzureichend über ihre Pflicht aufgeklärt habe, die Mietkosten zu senken. Nur wenn ein Hilfebedürftiger aber die Differenz zwischen tatsächlichem und dem laut Jobcenter angemessenem Mietpreis kenne, könne dieser entscheiden, welche Kostensenkungsmaßnahmen er ergreife (mit für ihn ggf. weitreichenden Folgen bis hin zum Verlust der bisherigen Wohnung als Lebensmittelpunkt).
Dieser Aufklärungs- und Warnfunktion genüge der missverständliche Hinweis auf eine angemessene „Kaltmiete“ jedoch nicht. Denn hierunter könne sowohl die Netto-Kaltmiete (Wohnraumkosten pro qm ohne Nebenkosten) als auch die Brutto-Kaltmiete (incl. „kalter Nebenkosten“ für Müllabfuhr, Wasser, Abwasser etc.) verstanden werden. Ohne einen Wert, der auch diese kalten Betriebskosten umfasse, könne eine Wohnungssuche aus Sicht eines Hartz IV-Empfängers aber nicht vernünftig betrieben werden, weil gerade diese Kosten einen ganz erheblichen Teil der Unterkunftskosten ausmachten. Dies gelte umso mehr, als die Jobcenter selbst bei Einhaltung der ihrer Auffassung nach angemessenen Netto-Kaltmiete nicht quasi „automatisch" die kalten Betriebskosten in tatsächlicher Höhe übernähmen – wie eine erhebliche Anzahl beim Sozialgericht anhängiger Verfahren zeige, in denen ausschließlich um die Übernahme dieser „kalten Nebenkosten“ gestritten werde. Az.: S 5 AS 204/14 (L. ./. Jobcenter Landkreis Schwäbisch Hall; Berufung wurde nicht zugelassen)
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