Hartz IV für Studenten im Ausnahmefall

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In einigen Ausnahmefällen können Studenten Hartz IV beantragen

28.09.2012

Studierende haben normalerweise keinen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen. Denn grundsätzlich besitzen Studenten aufgrund ihres Studiums einen Anspruch auf Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz auch Bafög genannt. Allerdings existieren zahlreiche Ausnahmefälle, in denen Studenten durchaus einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II erwirken können.

Sind Studenten bedürftig, können sie einen Bafög-Antrag stellen. Der gesetzlich geregelte Anspruch auf Bafög regelt allerdings, dass darüber hinaus keine weiteren sozialen Leistungen in Anspruch genommen werden können. Doch es gibt zahlreiche Härtefälle, in denen es durchaus vorkommen kann, in denen Personen, die ein Studium absolvieren, auf Sozialleistungen angewiesen sein könnten. An diese Möglichkeiten hatte der Gesetzgeber im Vorfeld allerdings nicht gedacht, weshalb es immer wieder bei der Antragstellung zu Schwierigkeiten in den Jobcentern kommt. Uns liegen zahlreiche Fälle vor, in denen sich Behörden mit dem Verweis auf das Bafög-Gesetz partout weigern, einem Antrag auf Hartz IV statt zugeben. In zahlreichen Fällen kommt es daher zu Klagen vor den Sozialgerichten, weil die Einzelfallsituation gesetzlich nicht bedacht wurde.

Besondere Lebenssituationen machen einen Anspruch möglich
Bedeutet der Ausschluss von Leistungen „eine besondere Härte“ kommt ein Antrag auf Hartz IV als Darlehen in Frage. Diese Gesetzesregelung findet sich im § 27, Absatz 4 des Sozialgesetzbuches (SGB II) wieder. Dort ist definiert, dass es ein besonderer sogenannter „Härtefall“ dann eintritt, wenn der Antragsteller sich in einer finanziellen Notlage befindet und die äußeren Umstände die besondere Lebenslage bedingt.

Zusätzlich kann vorübergehend Hartz IV bezogen werden, wenn sich der Student im ersten Monat des Semester befindet. Auch hier ist ein Darlehen unter Umständen möglich.

Wie das Landessozialgericht in Schleswig-Holstein im März 2012 urteilte, stellt die Examensphase zum Beispiel ebenfalls ein Härtefall dar. Dann ist es Studenten in dieser Zeit nicht zuzumuten, eine Arbeitsstelle aufzunehmen, um ihr Studium zu finanzieren, wenn dadurch der Erfolg der Abschlussarbeit gefährdet sein könnte. „In dieser Situation stellt der Leistungsausschluss eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II dar“ (LSG Schleswig-Holstein AZ: L 11 AS 29/12 B ER).

Hartz IV/Sozialgeld für Kinder von Studenten
In Deutschland leben eine Reihe von Studenten, die bereits ein Kind versorgen müssen. Das statistische Bundesamt in Wiesbaden geht von rund sieben Prozent der Studierenden in Deutschland aus, die bereits Eltern sind. Hier ergeben sich mindestens Ansprüche für das Kind, die je nach Alter gestaffelt sind. Das gilt jedoch nur dann, wenn zum Beispiel der Vater nicht für den Unterhalt des Kindes in ausreichender Form aufkommen kann. In derlei Fällen steht den Kindern ein altersspezifischer Regelbedarf zu, der sich, wie der Name es schon sagt, nach dem Alter orientiert.

Bei Kindern zwischen sechs und einschließlich 13 Jahre besteht ein 70 Prozent Anspruch des Hartz IV Eckregelsatzes (ab 2013: 255 Euro) und zwischen 0 und einschließlich dem fünften Lebensjahr ab 2013 224 Euro. Dabei kommen auch Kosten der Unterkunft (Wohnung, Heizung) anteilig in Frage. Außerdem sind Leistungen für Bildung und Teilhabe möglich (sog. Bildungspaket).

Achtung: Das Einkommen des Studenten, dass über den Eigenbedarf hinausgeht, wird neben dem Kindergeld angerechnet. Jobcenter werden allerdings darauf hinweisen, dass der Kinderzuschlag plus Wohngeld eine Alternative wäre. Zu Bedenken gilt, dass dann zusätzliche Leistungen wie der Mehrbedarf nicht gewährt werden. Daher sollte zunächst gut durchgerechnet sein, welcher Weg der Gangbare wäre.

Studieren, Alleinerziehend, Schwangerschaft
Im Normalfall soll Bafög die Existenz von Studenten sichern und auch dafür sorgen, für die Ausbildung notwendige Kosten abzudecken. Laut § 27, Absatz II des SGB II gibt es jedoch bestimmte Lebenssituationen, die einen Antrag auf Hartz IV (Mehrbedarfszuschläge) notwendig erscheinen lassen. Dieser Mehrbedarf gilt, wenn beispielsweise eine Schwangerschaft vorliegt, die Studentin oder der Student Alleinerziehend ist, aus gesundheitlichen Gründen und vom Arzt verordnet aufgrund einer Erkrankung eine besondere Ernährungsweise einhalten muss, Kleidung für Umstandsmode während der Schwangerschaft notwendig werden und die Geburt des Kindes bevorsteht.

Ein Praxisbeispiel:
Eine Studentin ist Alleinerziehend und muss ein Kind unter dem sechsten Lebensjahr versorgen. Hier steht der Mutter bei Bedürftigkeit ein Mehrbedarf für Alleinerziehende von derzeit 134,74 Euro im Monat zu. Zudem kann die Mutter Sozialgeld für das Kind und auch anteilig die Unterkunftskosten beim Sozialamt beantragen.

Zuschuss zu den Wohnkosten
Bei den Unterkunftskosten für Studenten ist die Lage etwas komplizierter. In der Berufsausbildungsförderung ist bereits ein Beitrag für die Wohnkosten enthalten. In der Realität reicht dieser aber nicht aus, um die tatsächlich anfallenden Miet- und Unterkunftskosten zu begleichen. Der berechnete Betrag ist zudem meist sehr viel niedriger, als der als „angemessene Kosten der Unterkunft“ angesehen wird. Was „angemessen“ ist, regelt jede Kommune allerdings selbst.

Demnach stehen Beziehern des Arbeitslosengeldes II im Regelfall deutlich höhere Unterkunftskosten zu, als der Satz im Bafög hergibt. Bedürftige Studierende können daher versuchen beim Leistungsträger den Differenz-Betrag zu beantragen. Infrage kommen hierfür Studenten, die während des Studiums bei den Eltern wohnen und mit diesen eine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil die Eltern ebenfalls Hartz IV beziehen. Keinen Anspruch hierauf haben allerdings Studenten, die in einer eigenen Wohnung leben sowie Studierende die keinen Bafög-Anspruch haben, weil die Förderungszeit bereits überschritten wurde.

Hartz IV Anspruch während eines Urlaubssemesters
Befinden sich Studenten in einer emotionalen, psychischen oder physischen Krise oder eine Geburt eines Kindes steht an, macht ein Urlaubssemester Sinn. Das Bundessozialgericht in Kassel urteilte im März 2012 mit dem Aktenzeichen B 4 AS 102/11 R, dass bedürftige Studenten einen Anspruch auf Hartz IV-Leistungen haben, wenn sie ein Urlaubssemester einlegen. Dabei darf sich ein Student nicht nur formal von der Universität oder Fachhochschule beurlauben lassen, sondern muss in der Realität tatsächlich nichts für Studium tun. Demnach dürfen Studenten, die Hartz IV beziehen in der Tatsache nicht zu Hause voll auf Prüfungen vorbereiten, ansonsten erlischt der Anspruch auf Hartz IV. Unabhängig davon ist aber, ob der Student das Studium nach dem Urlaubssemester aufgibt oder das Studium danach wieder aufnimmt. Siehe dazu auch: Hartz IV für Studenten im Urlaubssemester.

Keine Erstausstattung für die Wohnung
Eine Erstausstattung für die eigene Wohnung nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II wird seitens des Jobcenters nicht gezahlt. Eine Klage vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (AZ: L 2 AS 465/11 B) eines Betroffenen hatte hier keinen Erfolg.

Keine Kostenübernahme für Studienfahrten
Ebenfalls wies Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen eine Klage eines Studenten ab, der eine Kostenübernahme für eine mehrtägige Studienfahrt beantragte. So hieß es im Urteil; Der Leistungsausschluss für Schüler und Studenten in § 7 Abs. 5 SGB II erfasst auch die Kosten für eine mehrtägige Studienfahrt (AZ: L 7 AS 76/12 B).

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Bild: BirgitH, Pixelio.de

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