Hartz-IV-Abhängige als Denunzianten missbraucht
28.06.2016
In Bönen begleiten Hartz-IV-Abhängige Polizistinnen. Sie tragen gelbe Westen und auf dem Rücken steht: „Ordnungsdienst“. Die Betroffenen sollen, so die Verwaltung für den Haupt- und Finanzausschuss so „für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden“ und das „Sicherheitsgefühl der Bürger“ stärken.
Zwölf Erwerbslose und Flüchtlinge in drei Teams mit zwei Personen laufen mittags und abends Patrouille. Sie sollen „mit Informationen und Auskünften rund um Wege, Behörden und Geschäfte helfen“ und Fragen, die sie nicht beantworten können, an die Verwaltung weitergeben.
So weit, so überflüssig. Die Ein-Euro-Jobber müssen zusätzlich aber als Denunzianten arbeiten: Sie sollen Graffttis und wilde Müllkippen ebenso melden wie Menschen, die ein Spielfeld an der Grundschule unerlaubt benutzen, oder in der Fußgängerzone Broschüren verteilen.
Die als Kontrollettis eingespannten Erwerbslosen sollen melden, welche Gehwege gereinigt und im Winter gestreut sind, also Bürger Bönens bei der Verwaltung anschwärzen, sie sollen Plakatwerbung, Warenauslage, Container und Baugerüste kontrollieren.
Sie sollen Hundebesitzer überwachen, ob deren Lieblinge ihr Geschäft auf dem Bürgersteig verrichten, sie sollen in Spielplätzen, Bushaltestellen und Parks herum schnüffeln – vielleicht erwischen sie ja Kinder, die unerlaubt Skateboard fahren.
Sie sollen in Wohngebieten herum laufen – vielleicht hat jemand sein Fahrrad falsch geparkt.
In der Vorlage für den Fachausschuss heißt es: „Wesentliches Ziel des Projektes ist es, das Sicherheits- und Ordnungsgefühl der Bevölkerung zu stärken sowie die Aufenthalts- und Lebensqualität in der Gemeinde zu fördern.“
Die Gemeinde zahlt für den Ordnungsdienst nichts. Das ist ausgesprochen praktisch. So meldet WA.de: „Weil die Außendienstmitarbeiter der Gemeindeverwaltung diesen Verstößen aus zeitlichen Gründen nicht ausreichend nachgehen können, sollen die Ordnungsdienst-Mitarbeiter Unterstützung leisten.“
Im Klartext heißt das: Bezahlte Tätigkeiten von Mitarbeitern der Gemeinde müssen Hartz-IV-Abhängige übernehmen, ohne dass die Gemeinde selbst die Ein-Euro-Jobs bezahlt.
Wer sich mit Freunden im Park trifft oder ein romantisches Plätzchen mit seiner Liebsten sucht, möchte ganz bestimmt nicht, dass „Hilfssheriffs“ dabei über die Schulter gucken, ob er vielleicht ein Bier zu viel trinkt, oder sie ein unerlaubtes Flugblatt verteilt.
Die Verwaltung missbraucht Hartz-IV-Opfer für eine reaktionäre Vorstellung vom Nachtwächterstaat. Das erinnert an Staatsdienste in Diktaturen, die gezielt Menschen in finanzieller Not als Spitzel einspannten.
Statt sich für den Arbeitsmarkt fit machen, ziehen die so missbrauchten Hartz-IV-Abhängigen den Zorn all der Bürger Bönens auf sich, die keine faschistoiden Vorstellungen von Ordnung haben.Zu dem finanziellen Elend der Betroffenen kommt so noch die soziale Ächtung. Sie werden zu Prügelknaben, auf deren Rücken die Gemeinde Geld spart. (UA)
Bild: Jörg Lantelme – fotolia
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