Ein Aktionsbรผndnis plant einen "befristeten Hungerstreik" gegen Hartz IV auf einem zentralen Platz in Berlin. Fรผr diese Idee hagelt es jedoch zahlreiche Kritik
Das Aktionsbรผndnis Sozialproteste plant einen gemeinsamen Hungerstreik im April 2007. Der Ideengeber und prominenteste Befรผrworter dieser "neuen Protestform", ist der Politikprofessor Peter Grottian aus Berlin. Seit letztem Jahr im Herbst wird der Hungerstreik als Protestform kontrovers diskutiert. Laut Grottian sei der Hartz IV Hungerstreik ein "existenzieller Notschrei", der deshalb angemessen sei, weil fast alle anderen Protestformen bereits "ausgelotet" seien. Der Hungerstreik solle vorallem die "unzumutbare Not in einer reichen Gesellschaft ausdrรผcken". Mit dem Hungerstreik wolle man diese Not an die politische Tagesordnung setzen, damit die Realitรคten der Menschen in den Zeiten von Hartz IV diskutiert wird. Grottian spricht sich fรผr eine neue "Radikalitรคt der Protestform" aus, um die Diskussion um Hartz IV erneut zu entfachen.
Das Aktionsbรผndnis plant im Rahmen einer Aktionswoche gegen die derzeitigen Hartz IV Gesetzgebungen und Prekarisierung, einen befristeten und zentralen Hungerstreik durchzufรผhren. Die Aktion soll zentral in Berlin durchgefรผhrt werden; als mรถgliche Orte werden der Alexanderplatz oder das Brandenburger Tor favorisiert. Geplant sei, dass die Hungerstreiker/innen in einem Zelt gemeinsam den Hungerstreik durchfรผhren. Dieser soll jedoch befristet vom 2. April bis zum 16 April 2007 statt finden. Menschenleben wolle man nach eigenen Angaben deffinitiv nicht gefรคhrden, da dieser Hungerstreik befristet ist.
Ebenfalls sei es geplant, Ausstellungen und weitere Aktionen durchzufรผhren. Auch sollen zahlreiche Prominente aus der Kultur angesprochen werden, die diese Aktion mit ihrem Namen unterstรผtzen sollen.
Kritik am Hungerstreik
Seit dem die Idee des befristeten Hungerstreiks verรถffentlicht ist, wird diese heftigst diskutiert. So hat mittlerweile die "Bundesarbeitsgemeinschaft Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen e.V. (BAG-SHI)" sich von diesem Vorhaben distanziert und erklรคrte, dass sie diese Aktion nicht unterstรผtzen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft wolle jedoch die Aktion "solidarisch begleiten". Mag Wompel, Redakteurin der Internet- Zeitung "Labour Net", kritiserte die Aktion scharf und bezeichnete diese als "destruktive Aktion gegen sich selbst". Ferner wรผrde der Hartz-4-Hungerstreik "Resignation, Handlungsunfรคhigkeit und Lรคhmung" signalisieren, anstatt eine "selbstbewuรte Protestform" entwickeln.
In einer neuerlichen Stellungnahme wies Harald Thome von Tacheles e.V darauf hin, dass es: "wenig Sinn macht, mit Hilfe von Verzweiflungsaktionen krampfhaft zu versuchen, die Aufmerksamkeit der รffentlichkeit auf sich zu ziehen. In der kommerzialisierten Medienwelt werden die ernsthaften Beweggrรผnde der hungerstreikenden Hartz IV-Betroffenen ohnehin nicht so wiedergegeben, wie die sich das wรผnschen." und gibt weiter zu bedenken: "Hungerstreik sendet das falsche Signal: Leben wird in Form einer inszenierten Protestaktion als Geisel fรผr die Forderung nach einem besseren Leben eingesetzt. Was geschieht, wenn das Konzept eines symbolischen, befristeten (!) Hungerstreiks als Protestform scheitert? Was setzen wir dann ein, wie weit werden wir dann zu gehen bereit sein?"
25 Menschen bald im Hungerstreik?
Seit dem Aufruf, in einen befristeten Hungerstreik zu treten, haben sich 20 Menschen gemeldet, die diese Aktionsform aktiv unterstรผtzen wollen, indem sie in einen Hungerstreik treten. Konkret wรผrden die "Hartz IV- Hungerstreiker" fordern, dass der Hartz 4 Regelsatz auf 500 Euro angehoben wird und Zwangsumzรผge von Menschen, die in einer "nicht dem Mietspiegel" entsprechender Wohnung leben, abgeschafft werden.
Aufgrund der zahlreichen Kritik sei es, nach Angaben des "Aktionsbรผndnis Sozialproteste", bislang nicht sicher, ob es den Hartz IV Hungerstreik geben wird. Es seien vorallem zu wenig Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund, die an dem Hungerstreik teilnehmen wollen. Dies sei wichtig, um die Vielfalt der Hartz IV Betroffenen zu symbolisieren. Auch mangele es an der passenden Infrastruktur, die diese Aktion benรถtigten wรผrde. (08.03.07)
Anmerkung: Prof. Peter Grottian ist ein deutscher Hochschullehrer. Der Sozialwissenschaftler ist seit 1979 Professor fรผr Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universitรคt Berlin. Er ist seit langem aktiv in verschiedenen sozialen & politischen Initiativen.