Endlich: Beamte sollen auch in die gesetzliche Rente einzahlen

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Seit Jahren warnt die Politik vor einer Finanzierungslรผcke in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die alternde Gesellschaft drรผckt auf das Verhรคltnis von Beitragszahlenden zu Rentenempfangenden; schon heute liegt die Beitragssatzprognose fรผr 2030 รผber 21 Prozent.

Mitten in der laufenden Koalitionsbildung wagte SPD-Chef Lars Klingbeil deshalb einen VorstoรŸ: Beamte โ€“ rund 1,9 Millionen aktive Staatsbedienstete โ€“ sollen kรผnftig ebenfalls in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, um das System breiter abzustรผtzen. Klingbeil sprach von einer โ€žechten Reformโ€œ, die nรถtiger sei als ein hรถheres Renteneintrittsalter.

Was genau schlรคgt die SPD vor?

Nach den SPD-Plรคnen bliebe das beitragsbezogene Umlageverfahren unangetastet. Neu wรคre, dass fรผr Beamte โ€“ analog zu Angestellten โ€“ Beitrรคge in Hรถhe von zusammen 18,6 Prozent des Bruttogehalts fรคllig wรผrden, allerdings nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze (BBG).

Diese BBG steigt zum 1. Januar 2025 im Westen auf 8 050 Euro und im Osten auf 7 805 Euro monatlich; darรผber liegende Gehaltsbestandteile blieben beitragsfrei.

Wie funktioniert die gesetzliche Rentenversicherung heute?

Das Umlageverfahren beruht auf Einkommenstagewerken: Wer Monat fรผr Monat einzahlt, erwirbt Rentenpunkte, deren Summe spรคter mit dem aktuellen Rentenwert multipliziert wird.

Hรถhere Beitrรคge erzeugen hรถhere Ansprรผche, jedoch nur bis zur BBG. Beamte dagegen erhalten bislang Pensionen, die sich aus den letzten Besoldungsstufen ableiten und den Bundes- oder Landeshaushalten zur Last fallen. Dadurch entsteht eine Parallelstruktur, die nach Ansicht von ร–konomen und Verfassungsjuristen nicht mehr in die Zeit passt.

Weshalb gilt die Einbeziehung der Beamten als Gebot der Gerechtigkeit?

Befรผrworter argumentieren, dass Solidaritรคt erst dann glaubwรผrdig sei, wenn sie alle Erwerbstรคtigen umfasst.

In einem System, das schon jetzt jeden fรผnften Euro aus Steuermitteln zur Rentenversicherung zuschieรŸt, sei es politisch schwer vermittelbar, warum Staatsbedienstete auรŸen vor bleiben.

Zudem wรผrde eine Ausweitung die Finanzierung verbreitern: Wรผrden alle aktiven Beamten komplett einbezogen, kรคmen nach Berechnungen des Deutschen Instituts fรผr Wirtschaftsforschung knapp 15 Milliarden Euro Beitrรคge pro Jahr hinzu โ€“ ein Prozentpunkt beim Beitragssatz entsprรคche etwa 13 Milliarden Euro.

Welche Sorgen รคuรŸern Kritiker?

ร–konomische Mahner verweisen auf das sogenannte Bumerang-Risiko: Die zusรคtzlichen Beitrรคge finanzierten zwar kurzfristig die laufenden Renten, in vierzig Jahren aber entstรผnden daraus neue Ansprรผche, die das System รคhnlich belasten kรถnnten wie heute die Beamtenpensionen die Haushalte belasten.

Hinzu komme, dass die Kohorten besonders gut besoldeter hรถheren Beamter nahe am Ruhestand stรผnden und zunรคchst nur kurze Einzahlungsphasen hรคtten. Medien wie die Berliner Morgenpost sprechen deshalb von einem โ€žRechnungshof-Problemโ€œ.

Sind hรถhere spรคtere Ansprรผche tatsรคchlich ein Problem?

Die Sorge ist nicht unbegrรผndet, relativiert sich aber bei genauer Betrachtung der Finanzierungsmechanik. Erstens ist der Anspruch nach oben durch die BBG begrenzt: Ein Spitzenbeamter wรผrde selbst bei Hรถchstbeitrรคgen lediglich exakt den heutigen Spitzenwert von 2,04 Rentenpunkten pro Jahr erwerben.

Zweitens flieรŸen die Beitrรคge sofort in die Umlage; das System lebt von stetigem Zustrom. Drittens lieรŸe sich รผber einen gestaffelten รœbergang mit lรคngeren Anrechnungszeiten die Balance weiter verbessern.

Wie groรŸ wรคre der fiskalische Effekt kurzfristig?

Modellrechnungen des Bundesarbeitsministeriums gehen davon aus, dass eine Vollintegration der Beamten den Beitragssatz zunรคchst um bis zu 0,4 Prozentpunkte senken oder eine รคhnliche Entlastung des Steuerzuschusses ermรถglichen kรถnnte. In einem Zehn-Jahres-Fenster wรผrden laut Regierungsgutachten rund 130 Milliarden Euro an Lohnsummen in die Rentenkasse einflieรŸen.

Was lรคsst sich aus internationalen Modellen lernen?

ร–sterreich hat 2005 seine Beamten in das allgemeine Pensionssystem รผberfรผhrt; dort zahlen seither alle รถffentlich Bediensteten denselben Beitragssatz wie Angestellte.

Die spรคteren Pensionen liegen zwar noch deutlich hรถher, doch das Reformpaket aus Anhebung des Pensionsalters, lรคngerer Anrechnungszeiten und Kappung der Hรถchstpensionen hat den Anstieg der Pensionsausgaben gedรคmpft. In Schweden werden Staatsbedienstete schon seit 1999 in einem kapitalgedeckten Staatsfonds verwaltet, der aus obligatorischen Einzahlungen gespeist wird โ€“ ein Modell, das hierzulande mit dem Begriff โ€žAktienrenteโ€œ diskutiert wird.

Warum reicht der Schritt allein nicht aus?

Selbst wenn sรคmtliche Beamte und langfristig auch derzeit nicht versicherte Selbstรคndige einbezogen wรผrden, bliebe der demografische Druck bestehen.

Die Generation der Babyboomer tritt bis 2035 in Rente; zugleich fรคllt die Zahl der Beitragszahler ohne weitere Zuwanderung. Ergรคnzend zur Ausweitung des Versichertenkreises diskutiert die Politik deshalb die Kapitaldeckung in Form eines staatlichen Generationen-Kapital-Fonds, steuerliche Anreize zur lรคngeren Erwerbsarbeit sowie eine moderate Anpassung der Hinterbliebenen- und Erwerbsminderungsrenten.

Wohin fรผhrt der Weg der Reform?

Der Koalitionsvertrag, den Union und SPD Mitte April paraphiert haben, ist beim Thema Beamtenrente offen formuliert: Eine Experten-Kommission soll binnen zwรถlf Monaten ein Umsetzungskonzept vorlegen. Klingbeil setzt den Partnern damit bewusst eine Frist.

Sollte der Reformansatz gelingen, kรถnnte Deutschland in der kommenden Legislaturperiode das grรถรŸte Systemupdate seit 1957 erleben. Gelingt er nicht, droht eine fortgesetzte Finanzierung รผber Steuerzuschรผsse โ€“ im Bundeshaushalt 2025 bereits mit 132 Milliarden Euro veranschlagt.

Am Ende steht also nicht weniger als die Kernfrage des Sozialstaats: Schaffen es Politik und Gesellschaft, die Finanzierung der Alterssicherung breit, gerecht und generationenfest zu organisieren?

Die Einbeziehung der Beamten ist dabei kein Allheilmittel, aber ein organisatorisch รผberschaubarer und symbolisch gewichtiger Schritt โ€“ solange man ihn als Auftakt zu einem grรถรŸeren Konsens begreift und nicht als Endpunkt der Reformdebatte.