EM-Rente kann vor Abschlägen bei der Altersrente schützen

Viele Betroffene fragen sich, ob und warum ihre Erwerbsminderungsrente gekürzt wird – und ab wann sie vor Abschlägen sicher sind. Hinter diesen Fragen stecken sowohl rechtliche Regeln als auch praktische Fallstricke.

Dr. Utz Anhalt ordnet die wichtigsten Punkte: Wie Abschläge entstehen, wann sie entfallen, warum die Erwerbsminderungsrente oft höher ist als die spätere Altersrente und wieso der gesetzliche Bestandsschutz beim Übergang in die Altersrente so bedeutsam ist.

Warum es überhaupt Abschläge gibt – und wie sie berechnet werden

Auch bei der Rente wegen Erwerbsminderung werden Abschläge erhoben, wenn der Rentenbeginn vor einer maßgeblichen Altersgrenze liegt. Der Mechanismus entspricht dem der vorgezogenen Altersrente: Für jeden Monat des vorzeitigen Rentenbeginns mindert sich die Rente um 0,3 Prozentpunkte; der Abschlag ist auf 10,8 Prozent gedeckelt. Seit 2024 gilt für eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente grundsätzlich die Altersgrenze 65.

Damit ergibt sich rechnerisch ein maximaler Minderungskorridor von 36 Monaten × 0,3 Prozentpunkten. Diese Grundsätze sind in Praxisinformationen und gesetzlichen Erläuterungen bestätigt.

Die wichtige Ausnahme: Abschlagsfreie EM-Rente ab 63 bei 40 Versicherungsjahren

Neben der Grundregel existiert eine Vertrauensschutz- und Ausnahmeregelung: Liegen bestimmte Wartezeiten vor, kann eine Erwerbsminderungsrente bereits ab 63 ohne Abschläge beginnen. Seit dem Auslaufen der Übergangsregel zum 31. Dezember 2023 verlangt das Gesetz dafür 40 Jahre relevanter Zeiten.

Zuvor reichten in einem zeitlich befristeten Übergangszeitraum 35 Jahre, was seit 2024 nicht mehr gilt. Rechtsgrundlage ist § 77 SGB VI in Verbindung mit der beendeten Übergangsnorm § 264d SGB VI; einschlägige Auslegungen der Deutschen Rentenversicherung erläutern, dass für den Abschlagsmechanismus bei EM-Renten in diesen Fällen auf die früheren Altersmarken 60/63 abgestellt werden kann – womit der Abschlag entfällt. Dr. Utz Anhalt  bestätigt die jetzt maßgebliche „40-Jahre-Schwelle“.

Zurechnungszeit: Warum die EM-Rente oft höher ist als die spätere Altersrente

Ein entscheidender Grund, weshalb die Erwerbsminderungsrente in vielen Fällen höher ausfällt als die spätere Altersrente, ist die Zurechnungszeit. Sie rechnet – stark vereinfacht – Zeiten bis zur regulären Altersgrenze so an, als hätte die versicherte Person weitergearbeitet.

Gesetzlich ist die Zurechnungszeit in § 59 SGB VI definiert; die Deutsche Rentenversicherung erläutert, dass sie vom Eintritt der Erwerbsminderung bis zur maßgeblichen Altersgrenze reicht. Dadurch kann die EM-Rente trotz begrenzter Erwerbsbiografie relativ hoch ausfallen, während die Altersrente keine neue Zurechnungszeit erhält.

Bestandsschutz beim Wechsel in die Altersrente: Was § 88 SGB VI garantiert

Beim Übergang von der EM-Rente in eine Altersrente greift der gesetzliche Besitz- bzw. Bestandsschutz. Kern der Regel: Beginnt innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende der EM-Rente eine Altersrente, müssen der neuen Rente mindestens die persönlichen Entgeltpunkte der bisherigen Rente zugrunde gelegt werden.

Praktisch bedeutet das, dass die Altersrente nicht niedriger sein darf als die zuvor bezogene EM-Rente, sofern der Wechsel fristgerecht erfolgt. Die Norm findet sich ausdrücklich in § 88 SGB VI; die Deutsche Rentenversicherung und seriöse Fachquellen weisen auf diese 24-Monats-Schranke hin.

Vorzeitig in die Altersrente wechseln – trotz regulärer Abschläge?

Viele Versicherte erfüllen mit 35 Versicherungsjahren die Voraussetzungen für die Altersrente für langjährig Versicherte ab 63, allerdings normalerweise mit deutlichen dauerhaften Abschlägen von bis zu 14,4 Prozent.

Wer jedoch bereits eine EM-Rente bezieht und innerhalb von 24 Monaten in eine Altersrente wechselt, profitiert vom Besitzschutz: Auch wenn die vorgezogene Altersrente rechnerisch niedriger wäre, darf sie den Betrag der EM-Rente nicht unterschreiten.

Das macht den vorzeitigen Wechsel in Einzelfällen finanziell neutral – unabhängig davon, dass die Altersrente „auf dem Papier“ Abschläge trägt.

Ab wann keine Abschläge mehr drohen

Absolute Sicherheit vor Abschlägen besteht, wenn die EM-Rente erst mit oder nach Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze beginnt. Seit 2024 ist das grundsätzlich das 65. Lebensjahr; für die Ausnahme ab 63 ohne Abschläge sind 40 Wartejahre erforderlich. In allen anderen Fällen wirken die genannten 0,3 Prozentpunkte pro Monat bis maximal 10,8 Prozent – solange die Rente vor der maßgeblichen Grenze beginnt.

Was Betroffene praktisch beachten sollten

Wer heute Anfang 60 ist und krankheitsbedingt eine EM-Rente beantragen muss, sollte zunächst prüfen, ob die 40 Jahre Wartezeit erreicht werden und damit ein abschlagsfreier Bezug ab 63 möglich ist.

Wer bereits eine EM-Rente erhält und über den Wechsel in eine Altersrente nachdenkt, sollte die 24-Monats-Frist für den Bestandsschutz im Blick behalten und im Zweifel vorab eine Probeberechnung bei der Deutschen Rentenversicherung anfordern.

So lässt sich klären, ob und wann der Wechsel sinnvoll ist, ohne den bisherigen Zahlbetrag zu riskieren. Dass die EM-Rente häufig höher als die spätere Altersrente ausfällt, ist kein Rechenfehler, sondern Folge der Zurechnungszeit – der Bestandsschutz verhindert in diesen Fällen spürbare Einbußen beim Übergang.

Fazit

Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente sind die Regel, nicht die Ausnahme – 0,3 Prozentpunkte je Monat Vorverlagerung, gedeckelt auf 10,8 Prozent. Zwei Stellschrauben entschärfen das jedoch spürbar: Zum einen die Ausnahmeregel für einen abschlagsfreien EM-Renteneintritt ab 63 bei 40 Versicherungsjahren, zum anderen der gesetzliche Bestandsschutz, der beim fristgerechten Wechsel in die Altersrente einen niedrigeren Zahlbetrag verhindert.

Wer seine individuelle Situation entlang dieser Regeln prüft, kann unfaire Einbußen vermeiden und den Übergang in die Altersrente planvoll gestalten.