Ehemalige Nazi-Richter an NRW-Sozialgerichten
19.04.2017
Im Landessozialgericht Essen wurde am 19.12.2016 das Buch „Sozialgerichtsbarkeit und NS-Vergangenheit“ vorgestellt. Dieses ist als Band 22 der vom Justizministerium herausgegebenen Reihe „Juristische Zeitgeschichte Nordrhein-Westfalen“ erschienen und ist der Abschlussbericht eines vom Justizministerium initiierten gleichnamigen Forschungsprojekts, das von der Forschungsstelle der Sozialversicherungsträger und der Forschungsstelle „Justiz und Nationalsozialismus“ an der Justizakademie durchgeführt wurde. Am Beispiel der NRW-Sozialgerichte wurden personelle Kontinuitäten der Richterschaft in den Nachkriegsjahren beleuchtet. Außerdem wurde untersucht, ob NS-Gedankengut in der sozialrechtlichen Gesetzgebung, der Rechtssprechung der Gerichte sowie in der Begutachtungspraxis fortgewirkt hat.
Nach Auswertung von etwa 169 Personalakten seien 29 Richter mit belegbarer Nazivergangenheit gefunden worden, so der Historiker Dr. Marc von Miquel. Angesichts der bislang nur unzureichenden wissenschaftlichen Aufarbeitung im Bereich der Rechtssprechung wies er auch auf einen möglichen Modellcharakter des Projekts für weitere Untersuchungen in anderen Gerichtsbarkeiten oder auch in obersten Gerichten hin.
Einige Beiträge des Buches – an denen auch Sozialrichter beteiligt waren – befassen sich mit Themen wie „NS-Täter und die Kriegsopferversorgung“, „Kriegsopferversorgung von NS-Angehörigen“ und möglichen Auswirkungen von während der Nazi-Diktatur herausgebildeten Rechtsauffassungen auf die frühe Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Bereich der Sperrfrist. Bereits 1996 hatte das NRW-Justizministerium ein Forschungsprojekt der Universität Münster veröffentlicht, das zu der Einschätzung kam, daß 1952, ein Jahr nach dem Abschluß der Entnazifizierungsverfahren, der Anteil ehemaliger NSDAP-Mitglieder bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes NRW bei über 80 Prozent gelegen hatte. Die letzten ehemaligen Nazi-Juristen wirkten noch bis Anfang der 1980er im bundesdeutschen Justizapparat. (Jupp Schmitz, Keas Köln)
Bild: Zayne C. – fotolia
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