Bürgergeld: Weitere Pläne der Neuen Grundsicherung – Mehr Verschärfungen drohen

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Das Bürgergeld wird durch die von der CDU / CSU propagierte Neue Grundsicherung ersetzt. In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD passt sich diese weitgehend an die Vorstellungen der Union an, und das bedeutet in Zukunft noch schärfere Bedingungen für Leistungsberechtigte.

Zulasten der Leistungsberechtigten

In der Neuen Grundsicherung gilt: „Jede arbeitslose Person hat sich aktiv um Beschäftigung zu bemühen.“ Das galt zwar bereits beim Bürgergeld, doch in Zukunft wird die Verantwortung voll auf die Leistungsberechtigten verschoben.

Das Konzept des Bürgergeldes sah nämlich eine „Vermittlung auf Augenhöhe“ vor, in der Jobcenter und Leistungsberechtigte gemeinsam eine Strategie entwerfen sollten, um so schnell wie möglich und nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu kommen.

Bei der Neuen Grundsicherung besteht die Aufgabe der Jobcenter hingegen lediglich darin, jedem Erwerbsfähigen „ein persönliches Angebot der Beratung, Unterstützung und Vermittlung” anzubieten. Darum müssen sich die Betroffenen dann selbst kümmern.

Psychosoziale Beratung spielt keine Rolle mehr

Das hört sich zwar harmlos an, setzt aber entscheidende Stellschrauben außer Kraft, die beim Bürgergeld eine erhebliche Rolle spielten. Das Konzept des Bürgergeldes berücksichtigte ursprünglich, dass viele Leistungsberechtigte zwar theoretisch erwerbsfähig sind, aber vielschichtige Probleme haben, die eine Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt verhindern.

Probleme werden ausgeklammert

Dazu gehören Bildungsdefizite, denn sehr viele Bürgergeld-Bezieher haben keine Ausbildung, manche nicht einmal einen Schulabschluss. Lese- und Schreibschwächen sind häufig vorhanden, auch bei deutschen Muttersprachlern.

Der Anteil derjenigen, die psychiatrische Diagnosen haben, an Suchterkrankungen leiden, , in der Schuldenfalle stecken oder in dysfunktionalen Familien leben, ist weit höher als im Durchschnitt der Bevölkerung.

Diese vielschichtigen Probleme werden bei der Neuen Grundsicherung voraussichtlich nicht angegangen, sondern die Betroffenen damit allein gelassen.

Vermittlungsvorrang wie bei Hartz IV

Die Notwendigkeit, Menschen erst einmal psychisch so aufzubauen und beruflich so zu qualifizieren, dass sie überhaupt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fassen können, war eine Grundlage des Bürgergeldes.

Stattdessen wird jetzt wieder – wie bei Hartz IV- der sogenannte Vermittlungsvorrang eingeführt. Statt Menschen mit multiplen Problemen fit für das Erwerbsleben zu machen, müssen diese wieder wie bei Hartz IV irgendeine Beschäftigung annehmen, statt gezielt eine passende Arbeit zu finden. Ansonsten streicht das Jobcenter Ihnen Leistungen.

Kompletter Leistungsentzug

Friedrich Merz sagte: „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“

Die SPD stellt sich dem in den Koalitionsverhandlungen nicht entgegen. Vielmehr einigten sich CDU / CSU und SPD auf einen „vollständigen Leistungsentzug bei denjenigen, die wiederholt zumutbare Arbeit verweigern“, was wörtlich den früheren Aussagen des CDU-Kanzlerkandidaten Merz entspricht.

Noch bleibt schwammig, ob damit allein der Entzug des Regelsatzes gemeint ist. Werden auch Miete und Heizung nicht mehr gezahlt, geht die Neue Grundsicherung noch über die Verschärfung der Regelungen beim Bürgergeld vom März 2024 hinaus. Seitdem war es nämlich möglich, den Regelsatz zwei Monate lang zu streichen, wenn jemand zwei Arbeitsangebote ablehnte. Doch die Miete und Heizung trug das Jobcenter auch in solchen Fällen weiter.

Mit der Verfassung vereinbar?

Zwar verkündet die künftige Koalition: „Für die Verschärfung von Sanktionen werden wir die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beachten.“ Doch dieses schloss 2019 Sanktionen von über 30 Prozent aus, bis auf solche Fälle, in denen Betroffene tatsächlich und unmittelbar ihren Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit sichern könnten.

Sollte die Neue Grundsicherung mit Totalsanktionen umgesetzt werden, wird es also erstens Klagen vor den Gerichten hageln, und zweitens werden die verantwortlichen Politiker tricksen, um dieses Urteil des Verfassungsgerichts zu umgehen.

Es droht Wohnungsverlust

Wenn ein kompletter Entzug der Leistungen stattfindet, inklusive des Streichens der Miet- und Heizkosten, dann wären die Betroffenen in Gefahr, ihre Wohnung zu verlieren. Bereits ein zweimaliges Versäumen der Mietzahlungen berechtigt nämlich Vermieter dazu, ein Wohnverhältnis zu kündigen.

Rückschritt bei den Regelsätzen

Finanziell besteht die Gefahr, dass die Neue Grundsicherung Leistungsberechtigte unter das Existenzminimum drückt. Denn die zweistufige Berechnung der Regelsätze wird auf die Zeit vor der Covid-19 Pandemie zurückgestuft.

Damit wird zwar die Preis- und Lohnentwicklung berücksichtigt, aber die gegenwärtige Verteuerung des Lebensunterhalts erst mit großer Verspätung einbezogen werden.

Während Bürgergeld-Bezieher zuvor damit rechnen konnten, dass ihre Bezüge direkt an die Inflation angepasst werden, dürften die zukünftigen Regelsätze erheblich an realer Kaufkraft verlieren.