Bürgergeld: Und jetzt verlangt das Jobcenter Kontoauszüge der letzten 5 Monate

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Ein Bürgergeld-Betroffener, dem sein örtliches Jobcenter schon zuvor den Bewilligungszeitraum auf lediglich drei Monate verkürzt hatte, erhielt Anfang Juli nun die Aufforderung, ungeschwärzte Auszüge sämtlicher Giro- und Sparkonten für volle fünf Monate vorzulegen – und das mitten in einem laufenden Widerspruchsverfahren.

Das Jobcenter begründet die Forderung damit, dass die bisher eingereichten Auszüge „nicht ausreichend“ seien. Zugleich mahnt sie an, dass Schwärzungen von Textstellen die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen hinderten und stellt eine Frist, nach deren Ablauf „aufgrund des bekannten Sachverhalts“ entschieden werde.

Was das Gesetz wirklich vorsieht

Die Rechtsgrundlagen für eine Einsichtnahme in Kontobewegungen sind eindeutig benannt: § 60 Abs. 1 SGB I verpflichtet Leistungsberechtigte zur Mitwirkung, während § 67a Abs. 1 S. 1 SGB X die Erhebung und Verarbeitung von Sozialdaten nur zulässt, wenn sie zur Aufgabenerfüllung „erforderlich“ ist.

Dass Jobcenter routinemäßig drei Monate Kontoauszüge verlangen dürfen, hat das Bundessozialgericht bereits 2007 und 2008 bestätigt; das Bundesverfassungsgericht hat diese Praxis in späteren Entscheidungen nicht beanstandet, solange sensible Daten geschwärzt werden können.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat diese Rechtsprechung 2021 in ihre Fachlichen Weisungen übernommen. Seither gilt: Drei Monate sind Regelfall, längere Zeiträume bleiben Ausnahmen, die ein begründeter Verdacht auf Leistungsmissbrauch rechtfertigen muss.

Im aktuellen, im April 2025 überarbeiteten Weiterbewilligungsantrag (WBA) ist die dreimonatige Vorlagepflicht ausdrücklich als „erforderliche Anlage“ verankert.

Drei statt fünf Monate

Weil der Antrag unseres Protagonisten schon bewilligt ist, verlagert sich die Auseinandersetzung in das Widerspruchsverfahren. Hier geht es nicht mehr um die erstmalige Prüfung der Hilfebedürftigkeit, sondern um die Frage, ob der verkürzte Bewilligungszeitraum rechtmäßig war.

Für eine erneute Datenerhebung müssten deshalb Anhaltspunkte vorliegen, die über die ursprüngliche Entscheidung hinausgehen. Solche Verdachtsmomente benennt die Sachbearbeitung jedoch nicht. Auch das Argument der „uneingeschränkten Erreichbarkeit“ – eine in der Fachpraxis unbekannte Steigerung der gesetzlich geregelten Orts- und Telefonpräsenz – liefert keine tragfähige Grundlage, wie Sozialrechtlerinnen immer wieder betonen.

Nach herrschender Meinung dürfen Kontoauszüge in einem laufenden Widerspruchsverfahren nur angefordert werden, wenn gerade der Gegenstand des Streits ohne diese Unterlagen nicht aufklärbar ist.

Anders als bei einer fehlenden Mitwirkung im Erst- oder Weiterbewilligungsprozess würde eine Verweigerung hier nicht unmittelbar die laufenden Leistungen gefährden, wohl aber die Erfolgsaussichten des Widerspruchs.

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Widerspruchsverfahren und Mitwirkungspflichten

Das Jobcenter stützt sich in seinem Brief auf dieselbe Rechtsfolgenbelehrung, die es auch bei Anträgen einsetzt. Doch der Kontext ist ein anderer. Mit Blick auf § 41 SGB II ist der Regelfall ein zwölfmonatiger Bewilligungszeitraum; eine Verkürzung hat Ausnahmecharakter und muss sorgfältig begründet werden.

Fehlen diese Gründe oder werden sie erst nachträglich konstruiert, kann ein Gericht die Entscheidung aufheben. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass viele Betroffene die intensive Datennachforderung als Druckmittel empfinden und deshalb rasch umfangreicher Auskunft erteilen, als das Gesetz vorsieht.

Kontobewegungen sind hochsensible Informationen: Sie offenbaren nicht nur Einkünfte, sondern oft auch Mitgliedschaften, Krankheitsdaten oder politische Überzeugungen. Die Spruchpraxis der Gerichte erlaubt daher Schwärzungen genau jener Angaben, die Rückschlüsse auf besonders geschützte Lebensbereiche zulassen.

Jobcenter dürfen Kopien zudem nur so lange speichern, wie sie zur Entscheidung notwendig sind; anschließend müssen sie vernichtet oder – wenn sie als Nachweis dienen – datensparsam archiviert werden.

Was also tun?

Juristischer Rat ist in Fällen wie diesem kein Luxus, sondern oft die schnellste Abkürzung zum Ziel. Ein Beratungsschein ermöglicht einkommensarmen Beschwerdeführern nahezu kostenfreie anwaltliche Hilfe. Fachleute raten, zunächst die Rechtsgrundlage schriftlich einzufordern und gleichzeitig Akteneinsicht nach Art. 15 DSGVO zu beantragen: Steht dort kein hinreichender Verdacht, stärkt das die eigene Position erheblich.

Lehnt das Jobcenter den Widerspruch schließlich ab, bleibt der Weg zum Sozialgericht – notfalls im einstweiligen Rechtsschutz, wenn die Existenz bedroht ist.

Fazit

Die Geschichte zeigt, wie leicht sich Verwaltungspraxis verselbständigt, wenn formale Anforderungen mit neuen Kontrollideen vermischt werden. Das Sozialrecht gesteht den Behörden weitreichende Einsichts- und Prüfungsrechte zu, setzt ihnen aber auch Grenzen: ohne Anlass keine Ausforschung, ohne Verdacht keine Verlängerung des Prüfungszeitraums.