Wenn das Jobcenter seinen Pflichten nicht nachkommt und Bearbeitungsfristen nicht einhält, können Leistungsberechtigte ohne vorherige Ankündigung eine Untätigkeitsklage durchführen. Das hat das Bundesverfassungsgericht auf Basis einer Klage nun festgestellt.
Anspruch für alleinerziehende Mutter falsch berechnet
Eine Mutter mit zwei Kindern aus Darmstadt erkannte, dass das Jobcenter ihr Erwerbseinkommen bei der Berechnung ihrer Hartz-IV-Leistungen (jetzt Bürgergeld) zu hoch angesetzt hatte. Dieser Fehler führte dazu, dass ihre monatlichen Leistungen von November 2020 bis April 2021 zu niedrig ausfielen.
Fehlerhafte Berechnung führt zu Widerspruch
Nachdem die Leistungsempfängerin den Fehler in ihrem Bewilligungsbescheid bemerkt hatte, beauftragte sie im November 2020 einen Anwalt, Widerspruch gegen die Entscheidung des Jobcenters einzulegen. Der Widerspruch wurde akzeptiert, und das Jobcenter erstellte einen neuen Bescheid, der die tatsächlichen Einkommensverhältnisse berücksichtigte.
Kostenübernahme für Untätigkeitsklage verweigert
Nach der erfolgreichen Korrektur des Bescheids stellte der Anwalt der Mutter einen Antrag auf Kostenfestsetzung für das außergerichtliche Widerspruchsverfahren. Das Jobcenter ignorierte diesen Antrag über sechs Monate hinweg, ohne eine Reaktion oder Zahlung.
Untätigkeitsklage bringt Bewegung in die Sache
Die Leistungsempfängerin sah sich jetzt gezwungen, im Mai 2021 eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Darmstadt einzureichen.
Das Sozialgericht lehnte jedoch die Übernahme der Verfahrenskosten ab und argumentierte, die Klage sei unnötig gewesen.
- Mehr zum Thema Untätigkeitsklage
Bundesverfassungsgericht hebt Entscheidung auf
Mit dieser Entscheidung war die Mutter nicht einverstanden und legte Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass das Sozialgericht eine falsche Auslegung des Gesetzes vorgenommen hatte.
Laut Bundesverfassungsgericht gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, das Jobcenter vor einer Klageerhebung zur Untätigkeit aufzufordern. Die Richter betonten, dass Bürger nach Ablauf der gesetzlichen Frist eine Untätigkeitsklage erheben können, ohne dass dies als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet werden darf.
Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass es Bürgern frei steht, eine Untätigkeitsklage einzureichen, sobald die gesetzliche Bearbeitungsfrist abgelaufen ist.
Es sei nicht erforderlich, vorher eine Aufforderung an die Behörde zu richten oder die Klage anzudrohen. Diese Entscheidung stärkt die Rechte der Bürger, die auf schnelle und rechtskonforme Entscheidungen von Behörden angewiesen sind.
Neuverhandlung der Kostenentscheidung
Der Fall wurde zur erneuten Entscheidung über die Kostenfestsetzung der Untätigkeitsklage an das Sozialgericht Darmstadt zurückverwiesen. Das Land Hessen wurde zudem verpflichtet, der Beschwerdeführerin die im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen zu erstatten.
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors
Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.