Es ist eine große Herausforderung, Anreize zu schaffen, um den Bezug von Bürgergeld zu reduzieren, ohne dabei die Kosten aus dem Ruder laufen zu lassen.
Eine Lösung könnte eine finanzielle Anschubhilfe sein, die speziell bei der Aufnahme oder Ausweitung einer Beschäftigung greift, wie Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
der Bundesagentur für Arbeit vorschlägt.
Der Bedarf an positiven Anreizen
In Diskussionen um das Bürgergeld steht oft die Frage im Vordergrund, wie viel Druck notwendig ist, um mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen.
Aus der Sicht der gegen-hartz Redaktion sind positive Anreize entscheidender:
Es ist wichtig, Anreize zu schaffen, die es attraktiv machen, Arbeit aufzunehmen und das Einkommen zu steigern.
Aktuell profitieren viele Leistungsberechtigte kaum von einem höheren Arbeitseinkommen, da die Sozialleistungen stark gekürzt werden, insbesondere bei größeren Haushalten.
Diese Problematik führt zu einer sogenannten „Armutsfalle“, in der trotz höherem Erwerbseinkommen kaum finanzieller Vorteil entsteht.
Ein transparenter und angemessener Selbstbehalt
Ein höherer und klar definierter Selbstbehalt könnte Abhilfe schaffen. Idealerweise sollte der Selbstbehalt nicht unter 30 Prozent liegen, um einen spürbaren finanziellen Vorteil zu gewährleisten.
Simulationen zeigen aber, dass ein hoher Selbstbehalt zu erheblichen Kostensteigerungen und einer Zunahme der Leistungsbezieher führen könnte.
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Belastung des Arbeitsmarktes und der Haushalte
Außerdem würde der Niedriglohnsektor durch ergänzende Leistungen stark subventioniert, was den Druck auf die Löhne erhöhen könnte.
Diese Entwicklungen würden langfristig zu einer Belastung der öffentlichen Haushalte führen und könnten das Lohngefüge negativ beeinflussen.
Gezielte, zeitlich begrenzte Anschubhilfe
Eine gezielte Anschubhilfe könnte dieses Problem entschärfen, indem sie bei der Aufnahme oder Ausweitung einer Beschäftigung ansetzt. Ein höherer Selbstbehalt im ersten Jahr der Beschäftigungsaufnahme könnte dabei helfen, die Hürde zu überwinden.
Diese Maßnahme würde vor allem Arbeitsaufnahmen und die Ausweitung bestehender Beschäftigungen fördern, was insbesondere für Arbeitslose und Aufstocker relevant ist.
Ein Zeitraum von einem Jahr über die Probezeit hinaus erscheint sinnvoll, um langfristige Beschäftigung zu fördern und eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.
Vermeidung von Mitnahmeeffekten
Ein Vorteil der Anschubhilfe besteht darin, dass sie nicht dauerhaft für alle Anspruchsberechtigten gilt. Dadurch können Mitnahmeeffekte vermieden werden, und die Kosten bleiben überschaubar.
Mitnahmeeffekte entstehen, wenn ein größerer Kreis von Berechtigten bestimmte Leistungen bekommen als vorab in der Planung beabsichtigt.
Zeitliche Begrenzung hilft
Auch würde vermieden, dass Personen ihre Erwerbstätigkeit reduzieren, um in den Leistungsbezug zu fallen, ein Effekt, der häufig bei Zweitverdienern auftritt.
Durch die zeitliche Begrenzung und gezielte Ausgestaltung der Anschubhilfe können Fehlanreize minimiert und die Effizienz der Maßnahme gesteigert werden.
Mögliche Effekte und finanzielle Auswirkungen
Eine Erhöhung des Selbstbehalts um zehn Prozentpunkte oberhalb der Minijob-Grenze könnte kurzfristig zu einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit von bis zu 100.000 Personen führen.
Dies ergaben Simulationsstudien von Bruckmeier und Wiemers (2022) sowie Peichl und anderen (2023).
Die öffentlichen Haushalte würden ebenfalls entlastet, da die Kosten für einen Arbeitslosen in der Grundsicherung 2022 bei über 25.000 EUR lagen (IAB-Berechnungen).
Zusätzliche Beschäftigungen würden dann nicht nur zu einer direkten Entlastung der Sozialhaushalte führen, sondern auch die Einnahmen durch Steuern und Sozialabgaben erhöhen.
Langfristige positive Effekte sind möglich
Langfristig könnten durch die Einsparung von Leistungen und zusätzliche Steuer- und Beitragseinnahmen positive fiskalische Effekte erzielt werden. Studien zeigen, dass Impulse für einen Neubeginn von Beschäftigung starke Reaktionen hervorrufen können.
Eine solche Dynamik kann auch bei der Ausweitung von Beschäftigung im Niedriglohnbereich entstehen.
Das könnte zu einer Reduktion der Langzeitarbeitslosigkeit führen, da sich eine Beschäftigung positiv auf die Motivation und das Selbstwertgefühl der Betroffenen auswirkt.
Drei Varianten der Anschubhilfe
Es werden derzeit drei Möglichkeiten diskutiert, die Anschubhilfe zu gestalten:
- Absenkung der Einkommensanrechnung:
Eine Senkung der Einkommensanrechnung auf beispielsweise 50 Prozent oberhalb der Minijob-Grenze könnte besonders im Einkommensbereich über 1.000 EUR eine starke Begünstigung darstellen.Diese Variante würde eine signifikante finanzielle Entlastung für die betroffenen Haushalte bedeuten, ohne dass sie den Grundsicherungsbezug verlassen müssten. - Direkte Anschubhilfe auf zusätzliches Einkommen:
Eine Anschubhilfe von beispielsweise 20 Prozent könnte sowohl im Grundsicherungsbezug als auch darüber hinaus gewährt werden. Diese Variante würde das anrechenbare Einkommen nicht verändern und hätte somit weniger Mitnahmeeffekte.Die Unterstützung würde bis zu einer bestimmten Einkommensobergrenze gezahlt, um gezielt diejenigen zu fördern, die knapp über der Grundsicherungsgrenze liegen. - Prämienzahlungen:
Prämienzahlungen nach sechs und zwölf Monaten könnten nachhaltige Jobaufnahmen belohnen, wären aber komplexer in der Verwaltung und könnten weniger systematische Anreize setzen.
Regelungen, die den Erfolg der Maßnahmen unterstützen
Zur Vermeidung unerwünschter Effekte sollten bestimmte Regelungen gelten, wie eine zeitliche Begrenzung der Förderung und der Ausschluss von Fällen wie eigener Kündigung oder Wiedereinstellung beim gleichen Arbeitgeber.
Außerdem könnte eine Mindestdauer der Arbeitslosigkeit vor der Förderung festgelegt werden, um sicherzustellen, dass die Maßnahme wirklich denjenigen zugutekommt, die sie am dringendsten benötigen.
Meinung der gegen-hartz Redaktion
Die Einführung einer Anschubhilfe zur Förderung von Beschäftigung könnte sowohl kurzfristige als auch langfristige positive Effekte erzielen.
Durch gezielte Anreize könnten mehr Menschen in Arbeit gebracht und die öffentlichen Haushalte entlastet werden, während Mitnahmeeffekte vermieden werden.
Es ist jedoch entscheidend, dass die Maßnahme vernünftig gestaltet und so eingebracht wird, dass echte positive Effekte bei den Leistungsberechtigten ankommen.
Wenn das nicht geschieht, wird ein möglicher Misserfolg der Maßnahmen wahrscheinlich wieder auf dem Rücken genau der Menschen ausgetragen, die diese Unterstützung am meisten benötigen: den Leistungsberechtigten.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.