Bürgergeld: “Mehr Arbeitslose lehnen Arbeit ab” – Falschinformationen in der WAZ

Lesedauer 2 Minuten

In der WAZ erschien ein Artikel, in der sich der für das städtische Jobcenter zuständige Stadtdirektor Peter Renzel zu den Auswirkungen des Bürgergelds äußerte. Im Artikel sind falsche Aussagen zur Leistungshöhe im Bürgergeld enthalten, die wir nun richtig stellen.

Falsche Bürgergeld-Berechnung im WAZ Artikel

1. 2800€ Bürgergeld sind unrealistisch
2. Die Familie hat mit Arbeit 536€ mehr als ohne

Kontrollrechnung zum Bürgergeld

Wenn die Familie 2800€ Bürgergeld erhält, müsste sie 3300€ Bedarf haben, da 500€ Kindergeld als Einkommen angerechnet werden.

3300€
– 2x 506€ Regelbedarf Eltern
– 2x 390€ Regelbedarf Kind (7-13)
– 40€ Kindersofortzuschlag
——–
1468€ Wohnkosten

1468€ Wohnkosten würden aber nicht übernommen werden – die Mietobergrenze beträgt in Essen 820€ + Heizkosten.

https://www.essen.de/meldungen/pressemeldung_1476294.de.html
https://www.essen.de/meldungen/pressemeldung_1476294.de.html

968€ Wohnkosten sind realistischer, also 500€ weniger. Es ist also davon auszugehen, dass hier “vergessen” wurde 500€ Kindergeld vom Bedarf abzuziehen. Es wären also nur 2300€ Bürgergeld + 500€ Kindergeld, die die Familie ohne Arbeit zur Verfügung hätte. Also 2800€ zum Leben.

Das wäre also schon die 1. Falschinformation im Artikel.

Vergleich mit einer Familie mit Arbeit

Weiter geht es mit der Familie in der ein Elternteil Vollzeit zu Mindestlohn arbeitet.

40 Stunden x 4,33 Wochen im Monat x 12,41€ Mindestlohn 2024
= 2149€ Brutto

= 1716€ Netto

Kinderzuschlag

Die Familie hat einen Anspruch auf Kinderzuschlag.
Hier die Berechnung:
1. Elternbedarf:
2×506€ Regelbedarf Eltern
687€ 71% von 968€ Warmmiete (siehe Tabelle)
——
1699€ Elternbedarf

https://www.arbeitsagentur.de/datei/FW-BKGG_ba013284.pdf
https://www.arbeitsagentur.de/datei/FW-BKGG_ba013284.pdf

2. Elterneinkommen
1716€ Netto
-378€ Freibetrag
——
1338€ angerechnetes Einkommen

Da das angerechnete Einkommen niedriger als der Elternbedarf ist erfolgt keine Anrechnung.

Da die Kinder kein Einkommen erzielen erhält die Familie den Höchstbetrag des Kinderzuschlags – je Kind 250€. Also insgesamt 500€ Kinderzuschlag.

Wohngeld

Außerdem hat die Familie Anspruch auf 620€ Wohngeld (berechnet mit http://wohngeld-mv.de).

Haushaltskasse der Familie mit Arbeit

1716€ Netto
500€ Kindergeld
500€ Kinderzuschlag
620€ Wohngeld
—–
3336€ Einnahmen

Vergleich der Situation mit und ohne Arbeit

Ohne Arbeit und nur mit Bürgergeld hat die Familie 2800€ zur Verfügung, mit einer Arbeitsstelle mit nur Mindestlohn und den zustehenden Sozialleistungen hat sie 3336€ in der Haushaltskasse. Die Familie hat damit mit Arbeit 536€ mehr zum Leben als ohne Arbeit. Damit sinkt der Lohnabstand nicht, wie im Artikel behauptet, sondern er ist für Familien höher als für Alleinstehende.

Das ist die 2. Falschinformation im Artikel.

Einordnung der Falschinfos

Peter Renzel sollte es besser wissen, ist er doch persönlich für das kommunal geführte Jobcenter zuständig.

https://www.essen.de/rathaus/verwaltungsvorstand_1/verwaltungsvorstand_5.de.html
https://www.essen.de/rathaus/verwaltungsvorstand_1/verwaltungsvorstand_5.de.html

Er wirft die Frage auf, wie Menschen zur Arbeit motiviert werden können.

https://www.waz.de/staedte/essen/neues-buergergeld-mehr-arbeitslose-in-essen-lehnen-arbeit-ab-id240742182.html
https://www.waz.de/staedte/essen/neues-buergergeld-mehr-arbeitslose-in-essen-lehnen-arbeit-ab-id240742182.html

Ein erster Schritt in die Richtung “Motivation zur Arbeit” wäre es, wenn CDU-Leute wie er und die Medien keine leistungsfeindliche Desinformationen verbreiten würden und so tun, als würde Arbeit die finanzielle Situation von Menschen nicht verbessern.

Twitter (X)

Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter, das heute ja X genannt werden will. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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