Bürgergeld: Zuverdienstgrenzen sollen angehoben werden

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Die Koalition will das Bürgergeld bzw. die geplante Neue Grundsicherung ab 2026 so reformieren, dass Erwerbsarbeit für Leistungsbeziehende deutlich attraktiver wird.

Neben Verschärfungen soll es aber auch eine kräftige Erhöhung der anrechnungsfreien Beträge, also jener Einkommensteile, die nicht mit der Grundsicherung verrechnet werden.

Doch mehr Netto für die Einzelnen verändert das Zusammenspiel sämtlicher bedarfsgeprüften Leistungen – vom Wohngeld bis zum Kinderzuschlag.

Freibeträge sollen steigen

Aktuell dürfen Beziehende zunächst 100 Euro im Monat vollständig behalten. Auf die nächste Stufe – Einkommen zwischen gut 100 und 556 Euro – werden nur 80 Prozent angerechnet, sodass 20 Prozent im Geldbeutel bleiben.

Von 556,01 bis 1 000 Euro steigt der anrechnungsfreie Anteil auf 30 Prozent; oberhalb dieser Schwelle sinkt er auf zehn Prozent, endend bei einer Höchstgrenze von 1 200 Euro (beziehungsweise 1 500 Euro für Familien mit Kindern).

Diese Staffelung stammt noch aus der Hartz-IV-Zeit und wurde zuletzt 2023 punktuell verbessert, etwa durch die neue 30-Prozent-Quote für Einkommen bis 1 000 Euro.

Warum die Reform jetzt kommt

Der Koalitionsvertrag verpflichtet die Bundesregierung, Arbeit in jedem Fall “spürbar lohnender” zu machen und die Regeln zwischen Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag zu harmonisieren.

Hinter den Kulissen streiten Ministerien derzeit über die genau Höhe der Freibeträge und die künftige Transferentzugsrate, also den Prozentsatz, der bei steigendem Einkommen auf Leistungen angerechnet wird. Ein zweites Ziel lautet, sogenannte Abbruchkanten – sprunghafte Einkommensverluste beim Überschreiten bestimmter Schwellen – abzuflachen.

Wie die neuen Freibeträge aussehen könnten

Mehrere Entwürfe liegen auf dem Tisch. Diskutiert wird vor allem ein neuer Freibereich zwischen 1 200 und 2 000 Euro, in dem 40 Prozent des Zusatzverdienstes anrechnungsfrei blieben.

Gleichzeitig könnte der heutige Zehn-Prozent-Satz für Einkommen knapp über 1 000 Euro entfallen, um eine glattere Kurve zu schaffen. Auch der Grundfreibetrag von 100 Euro steht zur Debatte; eine moderate Anhebung würde Minijobber entlasten, hätte fiskalisch aber geringe Wirkung, weil die meisten Erwerbstätigen in höheren Stufen verdienen.

Beispielrechnungen – vom Rechenblatt in die Realität

Ein Alleinerziehender mit 1 500 Euro Bruttolohn könnte nach jetzigem Recht nur rund 30 Euro zusätzlich behalten. Würde künftig ein 40-Prozent-Freibetrag gelten, dürften 120 Euro unangetastet bleiben – ein Plus von 90 Euro netto.

Steigt das Brutto auf 2 000 Euro, wüchse der anrechnungsfreie Betrag von 80 auf 320 Euro; das Haushaltseinkommen läge um 240 Euro höher als heute. In vielen Fällen würde der Bürgergeld-Anspruch damit entfallen, wodurch Betroffene in das System der vorrangigen Leistungen wechseln.

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Wohngeld rückt in den Vordergrund

Sobald das anrechenbare Einkommen die Bürgergeld-Grenze übersteigt, prüft das Jobcenter automatisch, ob Wohngeld in Frage kommt.

Das Wohngeld errechnet sich – anders als das Bürgergeld – aus örtlicher Miete, Haushaltsgröße und dem bereits bereinigten Einkommen. Besonders in Städten mit hohen Mietniveaus fällt der Zuschuss daher oft großzügiger aus als der noch verbliebene Bürgergeld-Rest.

Wer künftig mehr Netto aus Arbeit behält, erreicht die Wohngeld-Zone schneller. Deshalb lohnt es sich, schon bei einer Gehaltserhöhung von wenigen hundert Euro den Wohngeld-Rechner zu bemühen oder direkt beim Wohnamt nachzufragen.

Der Kinderzuschlag als zweites Standbein

Für Familien entsteht eine weitere Tür: der Kinderzuschlag. Steigt das Erwerbseinkommen, ohne dass der Bedarf völlig gedeckt wäre, springt diese Leistung ein – bis zu 292 Euro pro Kind und Monat.

Dank höherer Freibeträge dürften deutlich mehr Familien den Bürgergeld-Bezug verlassen und erstmals Kinderzuschlag plus Wohngeld erhalten.

Das IAB beziffert den Zuwachs auf bis zu 1,2 Millionen zusätzliche Haushalte, während im Gegenzug 400 000 Haushalte kein Bürgergeld mehr brauchen.

Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung könnten geringere Anrechnungsraten bis zu 170 000 zusätzliche Vollzeitäquivalente mobilisieren.

Die fiskalischen Folgen hängen stark von der Ausgestaltung ab: Während beschränkende Modelle sogar Einsparungen von rund sechs Milliarden Euro versprechen, kosten großzügige Szenarien – mit hohen Freibeträgen über den ganzen Einkommensbereich – bis zu fünf Milliarden Euro jährlich zusätzlich.

Was Betroffene schon jetzt tun können

Haushalte mit kleinem oder wechselndem Einkommen sollten künftige Lohnsteigerungen strategisch planen und dokumentieren. Wer eine Arbeitszeit ausweiten oder einen Minijob in Teilzeit umwandeln möchte, sollte vorab den künftigen Freibetrag simulieren und im gleichen Zug prüfen, ob Wohngeld oder Kinderzuschlag den Wegfall des Bürgergelds ausgleichen.

Eine Kopie des Mietvertrags, aktuelle Lohnabrechnungen und der letzte Steuerbescheid beschleunigen die Wohngeld-Bewilligung erheblich. Ratsam ist auch, sich im Jobcenter ein unverbindliches Übergangsbudget ausrechnen zu lassen; viele Dienststellen bieten seit 2024 entsprechende Beratungs-Tools an.

Der weitere Fahrplan

Bis Herbst 2025 soll das Bundesarbeitsministerium einen Kabinettsentwurf vorlegen, anschließend geht das Vorhaben in den Bundesrat. Länder mit hohen Wohnkosten dringen auf einen automatischen Wohngeld-Zuschlag, um Mehrkosten für die Kommunen abzufedern.

Ab Januar 2026 könnte das neue Recht in Kraft treten – vorausgesetzt, es gelingt, die unterschiedlichen fiskalischen Interessen unter einen Hut zu bringen.