Zahlungen von Krankenkasse, Pflegekasse oder Versicherungen sollen eigentlich helfen – nicht das Bürgergeld kürzen. Doch genau hier tricksen Jobcenter immer wieder: Was gesetzlich als „zweckbestimmte Einnahme“ geschützt ist, landet in der Praxis trotzdem als Einkommen in der Berechnung.
Schmerzensgeld, Pflegegeld, Bonusprogramme oder Entschädigungen werden pauschal angerechnet, Bescheide sind oft fehlerhaft – und Betroffene merken es erst, wenn auf dem Konto plötzlich Hunderte Euro fehlen.
Schmerzensgeld auf dem Konto – und die Zinsen
Schmerzensgeld selbst ist als zweckbestimmte Einnahme geschützt und darf weder als Einkommen noch als Vermögen „verfrühstückt“ werden. Problematisch wird es, wenn die Zahlung auf einem Spar- oder Tagesgeldkonto landet. Dann unterscheiden Behörden oft sehr scharf:
Die ursprüngliche Summe bleibt geschützt, die Zinsen daraus werden aber als reguläres Einkommen gewertet und auf das Bürgergeld angerechnet.
In vielen Bescheiden tauchen allerdings plötzlich Gesamtbeträge als Einkommen auf, weil nicht sauber getrennt wird, was Schmerzensgeld und was Zinsertrag ist. Betroffene müssen dann nachweisen, wie hoch die ursprüngliche Entschädigung war und welche Beträge nur auf Verzinsung beruhen. Wer hier nichts dokumentiert, riskiert, dass das Jobcenter kurzerhand alles als „verwertbares Einkommen“ behandelt.
Krankenkassen-Bonus oder Prämie – scheinbar nur ein Wortunterschied
Noch komplizierter wird es bei Zahlungen der Krankenkassen. Juristisch ist der Unterschied eigentlich deutlich:
Ein Bonus für konkrete Gesundheitsmaßnahmen – etwa Vorsorgeuntersuchungen, Zahnprophylaxe oder sportliche Aktivität – wird in der Regel als zweckbestimmte Einnahme angesehen. Die Zahlung hängt davon ab, dass Versicherte etwas für ihre Gesundheit tun, und soll genau dieses Verhalten belohnen beziehungsweise entstandene Kosten ausgleichen.
Eine Prämie aus Überschüssen („Dividende“, „Guthabenausschüttung“) ist dagegen typischerweise nicht an konkrete Maßnahmen gebunden, sondern eine Art Gewinnbeteiligung. Solche pauschalen Prämien behandeln Jobcenter regelmäßig als normales Einkommen.
In der Praxis werden beide Formen aber häufig über einen Kamm geschoren. In Standardbescheiden tauchen Krankenkassen-Zahlungen einfach als „Einnahme Krankenkasse“ auf, ohne jede Differenzierung. Der eigentliche Zweck des Bonus – Gesundheitsvorsorge – verschwindet damit und die Zahlung mindert den Bürgergeldanspruch, obwohl sie rechtlich oft geschützt wäre.
Schadensersatz: Wiederherstellung von Vermögen oder „neues“ Einkommen?
Schwierig ist auch die Einordnung von Schadensersatz. Ersetzt eine Zahlung lediglich einen verlorenen Gegenstand oder ein entzogenes Vermögen – etwa eine Entschädigung nach Diebstahl oder Unterschlagung – stellt sie im Kern den früheren Zustand wieder her. Juristisch spricht vieles dafür, solche Ersatzleistungen eher als Vermögen zu behandeln, das innerhalb der Schongrenzen geschützt ist.
Jobcenter argumentieren dagegen gerne, dass jede „Geldzufuhr“ die laufende Hilfebedürftigkeit verringere und deshalb als Einkommen anzusehen sei. Gerade bei Zahlungen aus Versicherungsverträgen (Auto, Hausrat, Haftpflicht) wird häufig völlig ausgeblendet, dass Betroffene mit dem Geld oft erst den entstandenen Schaden beseitigen müssen – etwa ein neues Auto für den Weg zur Arbeit anschaffen.
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Bescheid prüfenWer hier nicht klar darlegt, welcher konkrete Schaden ersetzt wird und wie hoch der ursprüngliche Wert war, läuft Gefahr, dass aus einem reinen Ausgleich plötzlich anrechenbares Einkommen konstruiert wird.
Pflegegeld an Angehörige – Anerkennung oder „versteckter Lohn“?
Pflegegeld der Pflegekassen ist zweckbestimmt: Es soll sicherstellen, dass die Pflege hilfebedürftiger Menschen im häuslichen Umfeld funktioniert. Wird dieses Geld – wie vom Gesetzgeber vorgesehen – an Angehörige oder nahestehende Personen weitergegeben, gilt es grundsätzlich auch bei diesen als zweckbestimmte Einnahme und bleibt beim Bürgergeld anrechnungsfrei.
In der Praxis stellen Jobcenter jedoch immer wieder darauf ab, ob die pflegende Person „wie eine Arbeitnehmerin“ tätig wird. Sobald Pflegeleistungen sehr umfangreich sind oder mehrere Pflegebedürftige versorgt werden, unterstellen manche Sachbearbeiter eine quasi-gewerbliche Tätigkeit. Dann wird aus dem weitergeleiteten Pflegegeld plötzlich „Einkommen aus selbstständiger Arbeit“.
Auch bei entfernten Bekannten oder Nachbarn, die pflegen, versuchen Jobcenter häufiger, das Geld als regulären Zuverdienst zu werten. Die Folge: Kürzungen beim Bürgergeld, obwohl der ursprüngliche Zweck – Sicherung der Pflege – eigentlich im Vordergrund steht.
Ehrenamt und Aufwandsentschädigung: Unterstützung der Tätigkeit oder versteckter Nebenjob?
Ehrenamtliche Tätigkeiten werden oft mit pauschalen Aufwandsentschädigungen vergütet. Diese sollen vor allem Fahrkosten, Telefon, Material oder kleinere Auslagen abdecken. Solange erkennbar ist, dass die Zahlung lediglich Kosten ersetzt, spricht viel dafür, die Beträge als zweckbestimmte Einnahmen zu behandeln.
Jobcenter gehen jedoch zunehmend dazu über, höhere Pauschalen als „echten Hinzuverdienst“ zu interpretieren. Wird nicht genau nachgewiesen, welche Kosten tatsächlich entstehen, stufen sie die komplette Pauschale als Einkommen ein. Besonders problematisch sind Konstellationen, in denen Träger selbst von „Ehrenamtspauschale“ sprechen, tatsächlich aber regelmäßige, planbare Einsätze vergüten.
Für Betroffene ist dann kaum noch nachvollziehbar, wo der Übergang von Kostenerstattung zu verstecktem Lohn verläuft – das Jobcenter nutzt diese Unschärfe mitunter konsequent zu seinen Gunsten.
Fazit
In all diesen Grenzfällen entscheidet am Ende die genaue Zweckbestimmung: Wofür ist die Zahlung gedacht, was soll sie ausgleichen oder fördern, und lässt sich das gegenüber dem Jobcenter schlüssig belegen?
Je besser dieser Zweck dokumentiert ist – durch Bescheide, Verträge, Schreiben der Krankenkasse oder Pflegekasse –, desto schwieriger wird es, für die Behörde, zweckbestimmte Leistungen trotzdem als anrechenbares Einkommen zu behandeln.




