Das Bürgergeld soll das soziokulturelle Existenzminimum sichern – nicht mehr, nicht weniger. Kaum ein Thema zeigt diese Grenzziehung so deutlich wie das Auto. Während Befürworter einer strikten Auslegung argumentieren, ein Pkw sei nicht lebensnotwendig, verweisen Kritiker auf reale Mobilitätszwänge, insbesondere außerhalb der Städte.
Der Konflikt reicht von der Frage, was der Regelsatz überhaupt abdeckt, bis hin zur umstrittenen Finanzierung von Reparaturen oder sogar Autokäufen im Einzelfall.
PKW gehört nicht zum Existenzminimum
Der Gesetzgeber ordnet Ausgaben für Pkw und Motorräder seit Jahren als nicht regelbedarfsrelevant ein. Begründung: Diese Positionen dienten nicht der Existenzsicherung im engeren Sinne. Diese Linie findet sich in den Begründungen zum Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz wieder und wurde über mehrere Reformzyklen hinweg fortgeschrieben. Damit steht fest: Der Regelsatz enthält keinen Anteil für Anschaffung, Unterhalt oder Nutzung eines privaten Autos.
Verkehrsanteil im Regelsatz: Bus, Bahn und Fahrrad – aber kein Auto
Im aktuellen Regelsatz ist für die Abteilung „Verkehr“ ein Betrag von rund 50,50 Euro monatlich vorgesehen. Davon entfällt der überwiegende Teil auf öffentliche Verkehrsmittel; ein kleinerer Anteil ist für Anschaffung, Wartung und Pflege von Fahrrädern gedacht.
Pkw-Kosten sind ausdrücklich ausgenommen. Diese Aufteilung spiegelt die gesetzliche Grundentscheidung wider, Mobilität im Existenzminimum primär über ÖPNV und Fahrrad zu denken.
Auto nur wenn man Aufstocker ist: Abzug über Werbungskosten
Wer Bürgergeld bezieht und erwerbstätig ist, kann Pkw-bezogene Aufwendungen nicht als Zuschuss verlangen, wohl aber als Werbungskosten vom Einkommen absetzen.
Das reduziert die Anrechnung des Erwerbseinkommens und erhöht indirekt den Freibetrag. Geltend gemacht werden können etwa Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte; hierfür gilt als pauschal anerkannter Ansatz regelmäßig 0,20 Euro je Entfernungskilometer. Darüber hinaus sind etwa Pflichtversicherungen absetzbar – stets im Rahmen des § 11b SGB II und der Bürgergeld-Verordnung.
Praxisprobleme: Nachweise, Fahrtenbuch und die 400-Euro-Schwelle
Der Grundabsetzbetrag von 100 Euro pro Monat deckt pauschal Werbungskosten und bestimmte Versicherungen ab. Erst wenn das monatliche Bruttoeinkommen über 400 Euro liegt, können nachgewiesene tatsächliche Kosten, die über 100 Euro hinausgehen, berücksichtigt werden.
In der Praxis setzt das oft detaillierte Belege oder ein Fahrtenbuch voraus, um beruflich veranlasste von privaten Fahrten abzugrenzen – ein Aufwand, der nicht jedem gelingt und die Geltendmachung erschwert.
Ungleichheit in der Mobilität: Stadt-Land-Gefälle als Gerechtigkeitsfrage
Die Regelung benachteiligt jene, die ohne Auto kaum zur Arbeit gelangen. Wer in einer Großstadt die Arbeitsstätte zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV erreicht, profitiert de facto stärker vom Grundfreibetrag als Pendlerinnen und Pendler, die im ländlichen Raum auf den Pkw angewiesen sind.
So entsteht eine Belastung: identisches Einkommen, aber unterschiedlich hohe, nur begrenzt absetzbare Mobilitätskosten – mit spürbaren Effekten auf das verfügbare Budget des Regelbedarfs.
„Jobcenter darf Übernahme der Autoreparatur nicht ablehnen“ – was dahinter steckt
Die Überschrift taucht immer wieder in Berichten auf – und sie verweist auf Einzelfallentscheidungen der Sozialgerichte, nicht auf einen generellen Rechtsanspruch.
Lassen Sie Ihren Bescheid kostenlos von Experten prüfen.
Bescheid prüfenSo hat das Sozialgericht Mainz in einem konkreten Fall entschieden, dass das Jobcenter die Kosten einer TÜV-relevanten Reparatur übernehmen muss, weil ohne fahrbereites Auto die bestehende Erwerbstätigkeit gefährdet gewesen wäre.
Das Urteil gilt formal nur für den Einzelfall, hat aber Signalwirkung: Jobcenter dürfen eine Kostenübernahme nicht schematisch ablehnen, sondern müssen den Arbeitsbezug und die Eingliederungswirkung der Maßnahme prüfen.
Zuschüsse für den Autokauf: Ausnahme, nicht Regel
Über die klassische Einkommensanrechnung hinaus existieren Ermessensleistungen zur Eingliederung, mit denen Jobcenter Mobilität fördern können. Dazu zählen in seltenen Konstellationen Zuschüsse für den Autokauf, etwa wenn ohne eigenes Fahrzeug die Aufnahme einer Beschäftigung nicht möglich ist.
Öffentlich diskutiert wurde 2025 ein Dortmunder Modell, das bis zu 5.000 Euro für Auto, E-Bike oder Führerschein in Aussicht stellte – an enge Bedingungen und bestimmte Jobangebote geknüpft.
Solche Programme sind örtlich begrenzt, atypisch und keineswegs ein bundesweiter Standard. Ein Rechtsanspruch besteht nicht; die Entscheidung liegt im Ermessen des Jobcenters und muss begründet werden.
Vermögensschutz: Das Auto im Schonvermögen
Beim Vermögen gilt außerhalb der Karenzzeit grundsätzlich ein Freibetrag von 15.000 Euro pro Person der Bedarfsgemeinschaft. Ein Pkw in „angemessenem“ Wert fällt hierunter und ist unschädlich, solange der Fahrzeugwert den individuellen Freibetrag nicht übersteigt.
Überschreitet der Wagen den Freibetrag, wird die Differenz als verwertbares Vermögen berücksichtigt und kann den Leistungsanspruch mindern. Diese Systematik gilt pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft; zwei Personen können also jeweils einen Wagen im angemessenen Wert besitzen.
Was die Regeln praktisch bedeuten
Nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte müssen den Pkw grundsätzlich mit sämtlichen Kosten aus dem Regelsatz bestreiten. Für Erwerbstätige wird das Auto zum Arbeitsmittel, dessen Kosten nur mittelbar über Freibeträge und Werbungskosten wirken.
Die Rechtsprechung zeigt, dass arbeitsplatzsichernde Mobilität in begründeten Fällen förderfähig sein kann, sofern der Arbeitsbezug stichhaltig dargelegt wird und öffentliche Alternativen real nicht zur Verfügung stehen.
Zuschuss nur, wer das Auto für die Arbeit benötigt
Kein Pkw im Regelsatz, Mobilität über ÖPNV und Fahrrad. Wer arbeitet, kann Auto-Kosten nur über Absetzungen geltend machen – oft mühsam und mit Nachweispflichten verbunden.
Zugleich zeigen Gerichtsentscheidungen und kommunale Programme, dass starre Regeln dort aufweichen können, wo Mobilität Voraussetzung für Erwerbstätigkeit ist.




