Bürgergeld: Ende der Karenzzeit 2026 – Alle Ersparnisse können voll geprüft werden

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Ab Sommer 2026 dreht der Gesetzgeber an einer Stellschraube, die für viele Bürgergeld-Beziehende existenziell wird: Die geplante neue Grundsicherung für Arbeitsuchende soll das Bürgergeld ablösen – und dabei vor allem die Vermögensregeln deutlich verschärfen.

Die einjährige Schonfrist beim Vermögen („Karenzzeit“) fällt weg, die Freibeträge werden neu zugeschnitten, und auch Lebensversicherungen geraten schneller in den Fokus der Jobcenter. Wer sich auf die bisherigen Schutzregeln verlassen hat, muss damit rechnen, dass Ersparnisse und Rückkaufswerte voll geprüft werden.

Wie die Vermögens-Karenzzeit beim Bürgergeld heute funktioniert

Noch bis zum 30. Juni 2026 gilt im Bürgergeld eine vergleichsweise großzügige Logik. Wer erstmals Leistungen beantragt, profitiert grundsätzlich von einer Vermögens-Karenzzeit. Im ersten Jahr zählt das Vermögen nur, wenn es „erheblich“ ist. Erheblich bedeutet derzeit: 40.000 Euro für die erste Person in der Bedarfsgemeinschaft und zusätzlich 15.000 Euro für jede weitere Person.

Wer darunter bleibt, darf seine Rücklagen im ersten Jahr behalten. Das gilt für klassische Sparguthaben, Tagesgeldkonten, kleinere Wertpapierdepots und viele Kapitallebensversicherungen, solange deren Rückkaufswert zusammen mit den übrigen Ersparnissen unter den Grenzen bleibt.

Die politische Botschaft beim Start des Bürgergelds war eindeutig: Kurzzeit-Hilfebedürftigkeit sollte nicht dazu führen, dass Menschen ihren Notgroschen sofort aufbrauchen müssen.

Nach Ablauf der Karenzzeit greift das allgemeine Schonvermögen. Aktuell werden pro Person 15.000 Euro geschützt. Hinzu kommen das selbst genutzte Wohneigentum in angemessener Größe, ein angemessenes Auto pro Person sowie bestimmte Altersvorsorge-Verträge, die rechtlich als nicht verwertbar oder besonders geschützt gelten.

Erst wenn diese Grenzen überschritten sind und keine besonderen Härtefälle vorliegen, verlangen Jobcenter, dass Vermögen eingesetzt oder Verwertungsversuche unternommen werden.

Lebensversicherungen im aktuellen System: Notgroschen oder verwertbares Vermögen?

Kapitallebensversicherungen spielen in der Praxis eine doppelte Rolle. Für die Jobcenter zählt grundsätzlich der Rückkaufswert, also das, was bei einer Kündigung tatsächlich ausgezahlt würde. Liegt dieser Wert innerhalb der zulässigen Freibeträge, bleibt die Police unberührt.

Wird der Freibetrag überschritten, kann das Jobcenter verlangen, dass die Versicherung ganz oder teilweise gekündigt oder beliehen wird, sofern das wirtschaftlich zumutbar ist.

Parallel dazu gibt es eine zweite Kategorie: Verträge, die ausdrücklich der Altersvorsorge dienen und vertraglich so gestaltet sind, dass sie vor einem bestimmten Alter nicht frei verfügbar sind.

Solche Policen können als privilegierte Altersvorsorge gelten und werden dann als Schonvermögen geführt. Sie sind auch nach Ablauf der Karenzzeit besonders geschützt und müssen nicht für den laufenden Lebensunterhalt eingesetzt werden.

Viele Betroffene haben ihre Lebensversicherungen bisher unter dem Schutzschirm der Karenzzeit gesehen. Wer zum Beispiel mit 25.000 oder 30.000 Euro Rückkaufswert und einigen tausend Euro auf dem Konto erstmals Bürgergeld beantragte, musste im ersten Jahr meist weder kündigen noch an den Vertrag rühren. Genau dieser Puffer droht jetzt wegzufallen.

Neue Grundsicherung 2026: Vermögen soll ab dem ersten Tag geprüft werden

Mit der neuen Grundsicherung, die zum 1. Juli 2026 starten soll, wird die Vermögensseite von Grund auf neu justiert. Herzstück der Reform ist das Ende der Vermögens-Karenzzeit. Die bisherige Schonfrist im ersten Bezugsjahr soll ersatzlos gestrichen werden. Künftig soll Vermögen ab dem ersten Tag des Leistungsbezugs vollständig offengelegt und geprüft werden.

Parallel dazu werden die Freibeträge neu gestaltet. Statt des einheitlichen Schonvermögens von 15.000 Euro pro Person ist eine altersabhängige Staffelung vorgesehen. Jüngere Erwachsene haben dabei einen deutlich geringeren geschützten Betrag, erst mit zunehmendem Alter steigt das zulässige Schonvermögen auf bis zu etwa 15.000 Euro.

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Wie genau die Staffelung am Ende im Gesetz steht, hängt vom weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ab, klar ist aber: Die großzügige Kombination aus einjähriger Schonfrist und einheitlichem 15.000-Euro-Freibetrag wird es so nicht mehr geben.

Für die Praxis bedeutet das: Wer Hilfe beantragt, muss von Beginn an darlegen, welche Ersparnisse, Versicherungen und Anlagen vorhanden sind. Alles, was über den jeweiligen Altersfreibetrag hinausgeht und nicht ausnahmsweise geschützt ist, gilt als einzusetzendes Vermögen.

Leistungen können dann gekürzt oder zunächst komplett versagt werden, bis das Vermögen aufgebraucht oder ein bestimmter Schwellenwert erreicht ist.

Bestandsfälle im Bürgergeld: Automatische Umstellung mit Sprengkraft

Besonders heikel ist die Frage, was mit den Menschen geschieht, die schon heute Bürgergeld beziehen. Nach den bisherigen Plänen sollen sie automatisch von der bisherigen Bürgergeld-Struktur in die neue Grundsicherung übergeleitet werden, ein förmlicher Neuantrag ist nicht vorgesehen. Mit dem Stichtag 1. Juli 2026 würden dann jedoch die neuen Vermögensregeln gelten.

Wer also in den letzten Jahren Leistungen erhalten hat und sich darauf verlassen konnte, dass Ersparnisse von bis zu 40.000 Euro plus 15.000 Euro je weiterer Person zunächst tabu sind, steht plötzlich anders da. Ein alleinstehender Leistungsbeziehender mit 30.000 Euro Sparguthaben war bislang in der Karenzzeit vollständig geschützt, hatte danach ein Schonvermögen von 15.000 Euro und konnte den Rest nach und nach aufbrauchen.

Unter der neuen Grundsicherung wären nur noch die altersabhängigen Freibeträge sicher; der darüber liegende Teil könnte unmittelbar als einzusetzendes Vermögen gewertet werden.

Noch drastischer ist die Lage bei Familien. Eine Bedarfsgemeinschaft aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern mit 60.000 Euro Rücklagen lag bislang bequem unter der Grenze von 85.000 Euro im ersten Jahr und anschließend exakt im Rahmen des gemeinschaftlichen Schonvermögens.

In der neuen Systematik kann ein Teil dieser 60.000 Euro als „zu viel“ gelten, wenn die Summe die altersabhängige Gesamtfreigrenze der Familie übersteigt. Dann droht die Aufforderung, zunächst die Ersparnisse anzugreifen, bevor weiter Leistungen fließen.

Selbstbewohntes Eigentum, Auto und einmalige Anträge

Die Reform zielt vor allem auf liquide Mittel und frei verwertbare Anlagen. Selbstgenutztes Wohneigentum soll weiterhin als Schonvermögen gelten, solange es sich im Rahmen der gesetzlichen Angemessenheitsgrenzen bewegt.

Auch ein angemessenes Kraftfahrzeug pro Person bleibt in der Regel geschützt. Eigentümerinnen und Eigentümer müssen also nicht automatisch fürchten, ihr Haus oder ihre Wohnung verkaufen zu müssen, nur weil sie auf Grundsicherung angewiesen sind.

Gleichzeitig wird an einer bislang relativ stillen Stelle nachgeschärft: Bei einmaligen Anträgen – etwa für die Übernahme einer hohen Nebenkostennachzahlung – soll die bisherige Vermögensvermutung wegfallen. Bislang reichte oft die Erklärung, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist. Künftig ist wahrscheinlich ein vollständiger Vermögenscheck vorgesehen, inklusive Kontoauszügen und Vertragsunterlagen.

Was Betroffene jetzt tun sollten

Noch ist die Reform nicht im Detail verabschiedet, doch die Richtung ist klar: weniger Schonzeit, engere Freibeträge, strengere Vermögensprüfung. Wer Bürgergeld bezieht oder absehen kann, in den nächsten Jahren auf die neue Grundsicherung angewiesen zu sein, sollte seine Vermögenssituation rechtzeitig prüfen.

Sinnvoll ist eine Bestandsaufnahme aller Ersparnisse, Verträge und Versicherungen. Dabei geht es nicht darum, Vermögen zu verstecken, sondern legal gestaltbare Spielräume zu nutzen. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, vorhandene Rücklagen zur Schuldentilgung einzusetzen, notwendige Anschaffungen vorzuziehen oder bestimmte Verträge so umzubauen, dass sie als geschützte Altersvorsorge gelten.