Bürgergeld-Leistungsberechtigte kennen das: Ein Bescheid kommt und die Entscheidung ist nicht wie erhofft. Etwas wurde seitens des Jobcenters nicht beachtet oder das Recht wurde falsch angewendet. Was bleibt? Der Widerspruch gegen die Entscheidung!
Ein Widerspruch zwingt nämlich die zuständige Behörde dazu, ihre Entscheidung, die als Verwaltungsakt ergangen ist, noch einmal auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit hin zu prüfen. Nach der Prüfung kann das Ergebnis entweder heißen:
- War doch alles richtig
- Upps, falsch hier die Änderung
Widerspruch gegen Verwaltungsakte
Widersprüche können nur gegen Verwaltungsakte eingelegt werden, aber nicht alles, was aus dem Amt kommt, ist ein Verwaltungsakt.
Einfach wäre: Alles was eine Widerspruchsbelehrung hat, ist ein Verwaltungsakt. Aber darauf kann man sich nicht verlassen.
Manchmal vergessen Sachbearbeiter die Widerspruchsbelehrung oder es ist ihnen noch nicht einmal bewusst, dass das was sie gerade tun ein Verwaltungsakt ist. Vereinfacht gesagt: Ein Verwaltungsakt regelt immer etwas im konkreten Einzelfall, er trifft eine Entscheidung.
Daher sind beispielsweise folgende Dinge ein Verwaltungsakt:
- Leistungsbescheid
- Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
- Entscheidung über Mehrbedarf / Erstausstattung
- Entscheidung über Umschulung/Maßnahme
- Ablehnung von Leitungen aus dem Vermittlungsbudget (Friseur, Führerschein)
Und folgendes ist zB. kein Verwaltungsakt:
- Einladung zum Gespräch
- Aufforderung zur Mitwirkung
- Kostensenkungsaufforderung
- Anhörung zur Überzahlung
- ärztliches Gutachten
- Stellenangebote (wenn nicht mit Rechtsbehelfsbelehrung)
Wer erhebt den Widerspruch?
Der Widerspruch muss durch denjenigen eingelegt werden (oder seinen rechtlichen Vertreter/Bevollmächtigten) an den sich der Verwaltungsakt richtet. Bei einem Verwaltungsakt, der sich an alle in der BG richtet, reicht es, wenn ein Vertreter der BG den Widerspruch einlegt.
Inhalt des Widerspruchs
Ein Widerspruch muss mindestens folgendes enthalten:
- Name und Anschrift
- Datum des Bescheids gegen den der Widerspruch ist
- Unterschrift,
- BG-Nummer
- Begründung (diese kann auch nachgereicht werden, wenn z.B. die Zeit knapp ist)
Die Begründung ist keine Pflicht, aber natürlich sinnvoll. Das Jobcenter prüft sonst ohne sich besondere Mühe zu geben, ob irgendein offensichtlicher Fehler gemacht wurde. Die Begründung erklärt genauer, warum man mit der Entscheidung nicht einverstanden ist.
Widerspruchsfrist
Der Widerspruch muss innerhalb der Widerspruchsfrist bei der Behörde eingehen, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
Diese Frist beträgt einen Monat ab Zugang des Bescheids.
Wenn der Verwaltungsakt per Einschreiben kam, dann steht das Eingangsdatum auf dem Umschlag. Wenn der Verwaltungsakt aber per normalem Brief kam, wird es schwieriger. Dann wird folgendes gerechnet. Das Bescheiddatum (steht oben rechts) + 3 Tage = Zugang.
Ein Beispiel
Bescheid vom 7.8. + 3 Tage = Zugang 10.8.
Widerspruch am 10.9. beim Amt ➡️Frist gewahrt.
Wenn das Fristende am Samstag, Sonntag oder einem Feiertag ist, gilt die Frist noch am nächsten Werktag als gewahrt.
Widerspruch rechtssicher einlegen
Wenn es ganz knapp wird, kann man den Widerspruch bis Mitternacht des letzten Tages per (Online-)Fax ans Jobcenter schicken oder vor Mitternacht einwerfen.
Empfehlenswert ist aber, den Widerspruch persönlich mit Posteingangsstempel auf einer Kopie (zum mitnehmen) einzureichen. Lieber in dieser Art ohne Begründung (mit Verweis Begründung wird nachgereicht) einreichen als knapp zu spät. Alternativ kann der Widerspruch auch beim Jobcenter zu Protokoll gegeben werden. Dann muss ein Mitarbeiter dort den Widerspruch zu Papier bringen.
Fehlt eine Widerspruchsbelehrung oder ist diese Fehlerhaft (z.B. kein Hinweise auf Einlegung per DE-Mail trotz DE-Mail-Zugang in der Behörde) dann verlängert sicht die Widerspruchsfrist auf 1 Jahr.
Eine weitere Möglichkeit, einen Widerspruch einzulegen, wäre digital. Allerdings erüllt eine normale Mail nicht den Anforderungen, es müsste eine DE-Mail sein, die vom “Normalbürger” aber nicht genutzt wird. Jobcenter Digital wäre aber eine denkbare Option.
Bearbeitungsfrist
Das Jobcenter hat 3 Monate Zeit, um über einen Widerspruch zu entscheide oder mit Nachfragen darauf zu reagieren, geschieht dies nicht wäre eine Untätigkeitsklage möglich. Innerhalb dieser Zeit muss der Widerspruchsbescheid erlassen werden.
Aufschiebende Wirkung
Ein großes Problem ist, dass in vielen Fälle der Widerspruch beim Jobcenter leider keine aufschiebende Wirkung hat. Die Ablehnung bleibt zB. bis zur Entscheidung über den Widerspruch eine Ablehnung. Im Notfall lässt sich gerichtliche eine auffschiebende Wirkung erzwingen.
Wichtige Ausnahmen, in denen der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat:
- Erstattungsbescheide nach §50 SGB X + §41a SGB II
- Aufrechnung nach §§42a + 43 SGB II
- Anspruchsübergang nach §33 SGB II
Formulierungvorschlag für einen Widerspruch:
Betreff:
Widerspruch gegen den Bescheid vom xx.yy.zzzz
BG-Nr:
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit erhebe ich Widerspruch gegen den Bescheid vom xx.yy.zzzz
Begründung:
(je nach Fehler im Bescheid)
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsgrundlagen:
§62 SGB X i.V.m. §§84-86b SGG- Widerspruch
§39 SGB II – keine aufschiebende Wirkung
§37 SGB X – Postlaufzeit bis Zugang (Fristberechnung)
Übertragbarkeit in andere Bereiche des Sozialrechts
Das hier dargestellte gilt ähnlich auch bei anderen Sozialleistungen, wie der Grundsicherung, Wohngeld, Kinderzuschlag,.. Wo überall außer in den SGB-Büchern das Verfahren nach SGB I und SGB X gilt, ist in §68 SGB I nachzulesen. Dort gibt es dann auch den Widerspruch.
Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier
Simon alias “Sozi Simon” ist Sozialarbeiter aus Leidenschaft und Kämpfer für mehr Gerechtigkeit und gegen das Verschweigen/Verweigern von staatlicher Unterstützung. Simon ist Mitautor des SGB II & SGB XII Leitfadens von A-Z. Simon S. ist insbesondere bei Twitter für seine Ratgeber-Tweets bekannt und seit 2022 freier Autor bei Gegen-Hartz.de