Jobcenter sind sehr schnell dabei, Leistungsberechtigten Fehlverhalten zu unterstellen. Eine angebliche Verletzung der Mitwirkungspflicht geht dabei leicht in eine Anklage wegen Betrugs über.
Das ist harter Tobak und kann für die Beschuldigten schlimme Folgen haben. Sie sind aber nicht rechtlos, und wir zeigen Ihnen, was Sie tun können, um diese Anklage abzuwehren.
Inhaltsverzeichnis
Was gilt als Betrug?
Betrug ist im Paragrafen 263 des Strafgesetzbuches klar definiert als vorsätzliches Täuschen mit dem Ziel, einen Vermögensvorteil zu erschleichen. Die Strafen dafür reichen von Geldstrafen bis zu mehrjährigen Haftstrafen, je nach Schwere des Vergehens.
Damit es sich um Betrug handelt, muss es sich also erstens um eine Täuschung und zweitens um einen Vorsatz handeln. Vergessen, Unwissen oder Unachtsamkeit sind also kein Betrug, denn hier fehlt der Vorsatz.
Was tun bei einer Anklage wegen Betrugs?
Jobcenter klagen wegen Betrugs zum Beispiel, wenn Leistungsbezieher Änderungen des Einkommens nicht rechtzeitig angegeben haben, oder das Jobcenter über ein bestimmtes Vermögen nicht informiert wurde.
Hat das Jobcenter jetzt eine Anklage gegen Sie wegen Betrugs erwirkt, dann müssen Sie sofort einen Anwalt einschalten. Machen Sie keinerlei Aussagen gegenüber den Ermittlungsbehörden (auch nicht, wenn Sie subjektiv meinen, diese würden Sie entlasten, können Gerichte Ihnen einen Strick daraus drehen).
Sammeln und sichern Sie stattdessen Beweise, die ihre Unschuld stützen.
Welche Argumente zählen gegen den Vorwurf?
Das wichtigste Argument, damit Sie sich verteidigen, ist der Nachweis, dass Sie keine Täuschungsabsicht hatten. Weitere Punkte sind ein fehlender Vermögensschaden, eine fehlende Kausalität (keine Verbindung des Schadens zu einer von Ihnen begangenen Handlung). Ist die Geschichte lange her, dann kommt auch eine Verjährung in Frage.
Argumentieren Sie nicht in Eigenregie
Sie brauchen unbedingt einen Anwalt. Als Jurist weiß er, wie er Beweise hinterfragt, eine Anklage prüft und Sie professionell berät. Er weiß auch, wie er die Sichtweise auf einen Tatbestand so konzentriert, dass Sie als unschuldig dastehen.
Unbedachtheit muss auch nachgewiesen werden
Nehmen wir einmal an, Sie haben tatsächlich versäumt, dem Jobcenter ein bestimmtes Einkommen mitzuteilen? Oder Sie wussten zum Beispiel nicht, dass ein finanzieller Zuschuss von Verwandten als Einkommen gilt?
Sie werden dann nicht darum herum kommen, dass das Jobcenter zu Unrecht erhaltene Leistungen zurückfordert. Wenn die Behörde Ihnen jedoch zusätzlich unterstellt, sich durch das unterlassene Informieren staatliche Leistungen erschlichen zu haben, dann können Sie zeigen, dass dem nicht so war.
Erstens: Schweigen Sie
Wenn die Anklage erhoben worden ist, dann schweigen Sie gegenüber der Polizei und anderen Ermittlern. Dieses Recht haben Sie als Angeklagter. Äußern Sie sich erst, nachdem Sie mit einem Anwalt gesprochen haben.
Zweitens: Suchen Sie einen guten Anwalt
Suchen Sie sich schnellstmöglich einen Anwalt, und nicht irgendeinen, sondern einen Fachmann oder eine Fachfrau für Betrugsdelikte. Dieser Experte wird nach Akteneinsicht das weitere Vorgehen planen.
Drittens: Sammeln Sie Beweise für ihre Unschuld
Welche Beweise können Sie vorbringen, um den Vorwurf zu entlasten. Das können, je nach der Sache, um die es geht, E-Mails sein oder Verträge, gespeicherte Anrufe oder Aussagen von Zeugen.
Sprechen Sie mit dem Anwalt ab, welche Unterlagen relevant sein könnten.
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Keine absichtliche Täuschung
Ihr Anwalt könnte darauf drängen, dass keine absichtliche Täuschung stattfand. Hier sind diverse Argumentationen möglich. Wenn Sie generell Probleme mit Behördenschreiben haben, dann könnte ihr Anwalt hervorheben, dass Sie garnicht in der Lage waren, zu überschauen, ob Sie ein bestimmtes Einkommen angeben mussten.
Falls Sie einmal einen sozialpsychiatrischen Dienst aufsuchen mussten, und Ihnen dort derlei Probleme bescheinigt wurden, dann ist das eine wichtige Stütze der Argumentation.
Wenn Sie indessen generell in der Lage sind, nötige Angaben bei Ämtern im Überblick zu haben, dann kann die Strategie darauf zielen, warum Sie in diesem speziellen Fall keine Notwendigkeit sahen, ihn anzugeben.
Das ist dann von der konkreten Situation abhängig. Möglich wäre zum Beispiel, dass beim Bürgergeld andere Einkommensanrechnungen gelten als in Arbeitsverhältnissen, in denen Sie sich zuvor befanden.
Wenn Sie also gegenüber dem Jobcenter ein Einkommen angeben müssen, dies nicht taten, was als Betruzg ausgelegt wird, dann könnten Sie zeigen, dass Sie ein gleichartiges Einkommen zuvor nicht erwähnen mussten.
Kurz gesagt: Wenn Sie nicht wussten, dass Sie etwas der Behörde melden mussten, dann lässt sich das als Fahrlässigkeit auslegen oder auch als mangelnde Mitwirkung – aber nicht als gezielte Täuschung.
Ein Irrtum
Es gibt den Tatbestandsirrtum. Dieser liegt zwischen fehlender Absicht und vollem Wissen um die Konsequenzen. Sie haben in diesem Fall zwar objektiv einen Straftatbestand verwirklicht (den Betrug), waren sich aber nicht klar, was das wirklich bedeutet.
Es gab also einen Betrug, dessen Vorsatz aber nicht voll erfüllt wurde.
Kein Schaden an Vermögen
Dies ist ein sehr wichtiger Punkt. So wie es keinen Betrug ohne Absicht gibt, so gibt es auch keinen Betrug ohne Schaden. Solange dem Jobcenter also kein finanzieller Schaden entstanden ist, kann strafrechtlich auch kein Betrug vorliegen.
Verjährung
Betrug gehört zu den Delikten, bei denen eine Verjährungsfrist gilt. Diese beträgt fünf Jahre nach Beendigung der Tat. Das entspricht der maximalen Freiheitsstrafe bei einfachem Betrug.
Wenn das Jobcenter also meint, Sie hätten es 2018 betrogen und Anzeige erhebt, dann ist der (mögliche) Betrug inzwischen verjährt.
Mangelnde Kausalität
Betrug bedeutet erstens eine absichtliche Täuschung und zweitens einen Vermögensschaden, der durch diese entsteht. Ein kluger Anwalt wird herausfinden, wenn es zwischen dem entstandenen Schaden und der Täuschung keinen Zusammenhang gibt.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.