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Arbeitseinkommen beim Jobcenter: Der Erwerbstätigenfreibetrag
Es ist eine Frage der Perspektive: Arbeitet jemand im Bürgergeld-Bezug, um mehr Geld zur Verfügung zu haben
oder bekommt er Unterstützung, weil sein Lohn nicht ausreicht? Egal aus welcher Perspektive man es betrachtet, ob der “Normalzustand” Arbeit oder Leistungsbezug ist, es stellt sich die Frage, was bleibt vom Lohn? Lohnt sich also Arbeiten trotz Bürgergeld.
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Arbeit muss sich lohnen – Grundlage der Berechnung
Ein Grundprinzip unseres staatlichen Systems ist “Arbeit soll sich lohnen”, daher bleibt ein Teil des Erwerbseinkommens anrechnungsfrei. Das angerechnete Einkommen, das vom Bedarf abgezogen wird, berechnet sich daher bei Erwerbseinkommen folgendermaßen:
Nettolohn – Freibetrag = angerechnetes Einkommen
Wenn also bei 720€ Netto ein Freibetrag von 260€ gewährt wird, ergibt sich folgende Berechnung:
720€ Netto – 260€ Freibetrag = 460€ angerechnetes Einkommen.
Berechnung des Freibetrags
Der Erwerbstätigenfreibetrag wird anhand des Bruttolohns berechnet, so dass hierfür die Steuerklasse keine Rolle spielt.
Es gilt aktuell noch folgendes Rechenmodell für den Freibetrag:
100€ Grundfreibetrag – die ersten 100€ sind anrechnungsfrei.
20% des Bruttobetrags zwischen 100 und 1000€ bleiben anrechnungsfrei.
10% des Bruttobetrags zwischen 1000€ und 1200€, mit Kind bis 1500€.
Über 1200/1500€ Brutto wird alles angerechnet.
Ohne Kind ergeben sich maximal 300€, mit Kind 330€.
Ab 1.7.2023 gilt folgendes Rechenmodell für den Freibetrag:
100€ Grundfreibetrag – die ersten 100€ sind anrechnungsfrei.
20% des Bruttobetrags zwischen 100 und 520€ bleiben anrechnungsfrei.
30% des Bruttobetrags zwischen 520 und 1000€ bleiben anrechnungsfrei.
10% des Bruttobetrags zwischen 1000€ und 1200€, mit Kind bis 1500€.
Über 1200/1500€ Brutto wird alles angerechnet.
Ohne Kind ergeben sich maximal 348€, mit Kind 378€.
Der sich nun ergebende Freibetrag wird vom Netto abgezogen und so ergibt sich das anzurechnende Einkommen. Wenn man nun das anzurechnende Einkommen vom Bedarf abzieht, ergibt sich die Leistung des Jobcenters.
Beispiel mit verschiedenen Varianten
Tim (alleinstehend) hat Anspruch auf 502€ Regelbedarf und 398€ Wohnkosten. Damit liegt sein Bedarf bei 900€.
1. Tim hat einen 520€-Minijob
100€ sind frei, darüber liegen 420€. 20% davon sind 84€ ➡️Freibetrag 184€
Dieser wird von seinem Netto(520€) abgezogen – es werden 336€ angerechnet.
Er bekommt 564€ (900-336) vom Amt zusätzlich zum Lohn und hat nun 1084€ in der Tasche.
2. Tim verdient 900€ Brutto
100€ sind frei, darüber liegen 800€. 20% davon sind 160€ ➡️Freibetrag 260€
Dieser wird von seinem Netto(720€) abgezogen -es werden 460€ angerechnet.
Er bekommt 440€ (900-460) vom Amt zusätzlich zum Lohn und hat nun 1160€ in der Tasche.
3. Tim verdient 1200€ Brutto
100€ sind frei, darüber liegen bis 1000€ 900€. 20% davon sind 180€. Bis 1200€ sind weitere 200€ von denen 10% (20€) frei sind➡️Freibetrag 300€.
Dieser wird von seinem Netto(960€) abgezogen – es werden 660€ angerechnet. Er bekommt 240€ (900-660) vom Amt zusätzlich zum Lohn und hat 1200€ (960€+240€) in der Tasche.
Hier wird sichtbar, dass er Geld vom Jobcenter bekommt, obwohl er Netto mehr als seinen Bedarf hat.
Leute bei denen das der Fall ist, ahnen oft nicht, dass ihnen Unterstützung zusteht.
4. Tim verdient 1500€ Brutto
100€ sind frei, darüber liegen bis 1000€ 900€. 20% davon sind 180€. Bis 1200€ sind weitere 200€ von denen 10% (20€) frei sind. Darüber gibt es keine Freibeträge, da er kein Kind hat➡️Freibetrag 300€
Dieser wird von seinem Netto(1150€) abgezogen – es werden 850€ angerechnet. Er bekommt 50€ (900-850) vom Amt zusätzlich zum Lohn und hat nun 1200€ in der Tasche.
Bei einer geringen Aufstockung kann sich aber auch noch das Wohngeld auswirken. Bei 1500€ Brutto beispielsweise wären es ca. 170€ Wohngeld (je nach Heizkostenanteil in der Warmmiete) Damit wären 1320€ in der Haushaltskasse (1150€ Netto + 170€ Wohngeld).
Da die 1320€ mit Wohngeld in der Haushaltskasse mehr als die 1200€ mit Bürgergeld sind, ist dieses vorrangig und zu beantragen. Das wäre bei Tim ab ca. 1300€ Brutto der Fall.
Tipp für Bedarfsgemeinschaften / Familien
Da die Freibeträge je Person gelten, macht es bei Familien folglich mehr Sinn, dass beide Elternteile arbeiten.
Statt, dass Papa 2000€ verdient und 330€ Freibetrag hat, macht es mehr Sinn, dass beide für je 1000€ arbeiten, 280€ Freibetrag und zusammen 560€ Frei haben.
Absetzbeträge
Ab einem Brutto von über 400€, gibt es die Möglichkeit statt der Grundpauschale von 100€ diverse Absetzbeträge zu nutzen – dazu aber dann in einem weiteren Artikel, den ich dann hier verlinken werde.
Rechtsgrundlage
§11b Abs. 2+3 SGB II
Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier
- Über den Autor
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Simon alias “Sozi Simon” ist Sozialarbeiter aus Leidenschaft. Kämpfer für mehr Gerechtigkeit und gegen das Verschweigen/Verweigern von staatlicher Unterstützung. Er ist Mitautor des SGB II & SGB XII Leitfadens von A-Z. Simon ist insbesondere bei Twitter für seine Ratgeber-Tweets bekannt und seit 2022 freier Autor bei Gegen-Hartz.de