BA gibt nach: Vorerst keine verschärften U25 Hartz IV-Sanktionen

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BA setzt verschärfte Sanktionen gegen junge Hartz IV-Leistungsbezieher aus

Vor über einer Woche stufte das Bundesverfassungsgericht die Sanktionen über 30 Prozent bei Hartz IV Leistungsbeziehern über 25 Jahre als grundgesetzwidrig ein. Nachdem wir berichteten, dass die Bundesagentur für Arbeit in seinen Weisungen an die Jobcenter die Sanktionspraxis für jüngere Leistungsbezieher (U25) “überprüfen” wolle, konkretisierte nunmehr der Chef der Bundesagentur die künftigen Handlungsweisen.

Sanktionen

Derzeit keine Sanktionen über 30 Prozent

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, will zunächst die verschärften Sanktionen gegen junge Hartz IV Leistungsbezieher aussetzen. Stattdessen solle auch hier die neuen Regelungen zur Geltung kommen. Man wolle zunächst die scharfen Sanktionen aussetzen, sagte Scheele in einem Interview gegenüber der Funke Mediengruppe. “Wir verschicken derzeit keine Sanktionsbescheide”, sagte BA-Chef.

Die Jobcenter seien angewiesen, die Änderungen auch auf junge Erwerbslose anzuwenden. Die Karlsruher Richter hatten hatten in der Urteilsbegründung explizit darauf hingewiesen, dass nur die Sanktionen gegen Bezieher über 25 Jahre verhandelt wurden, da es hierzu keine Vorlage gab.

Jüngere Leistungsberechtigte konnten nach bisheriger Regelung schon nach dem zweiten “Vergehen” um 100 Prozent sanktioniert werden. Selbst die Kosten der Unterkunft wurden gestrichen.

Neue Sanktionsbescheide würden momentan nicht versendet, betonte Scheele. “Arbeitslose, die aktuell mit Abzügen von 60 oder 100 Prozent sanktioniert werden, bekommen ihre Sanktionen auf 30 Prozent reduziert.”

Rechtsexperten gehen davon aus, dass das Grundgesetz keine Unterschiede aufgrund des Alters macht. Diese Einschätzung teilt die BA nunmehr.

Auf Antrag der Linken und den Grünen findet heute Nachmittag eine Bundestagsdebatte zu den Hartz IV Sanktionen statt. Beide Parteien fordern eine grundsätzliche Abkehr von Strafen.

Deutsches Kinderhilfswerk fordert Abschaffung der Sanktionen von Familien

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert daher im Vorfeld der heutigen Bundestagsdebatte über Hartz-IV-Sanktionen die vollständige Abschaffung der Sanktionen für Familien mit Kindern.

„Bundesregierung und Bundestag sollten das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von letzter Woche zum Anlass nehmen, die bisherige Hartz-IV-Mithaftung von Kindern für ihre Eltern zu beenden. Die schlichte Umsetzung des Karlsruher Urteils ist aus Sicht von Familien mit Kindern zu wenig.

Kinder leiden unter jeder Kürzung der Hartz-IV-Leistungen, denn schon der normale Hartz-IV-Regelsatz von Kindern ist künstlich kleingerechnet und entspricht nicht dem notwendigen soziokulturellen Existenzminimum. Insofern ist jede Kürzung eine außergewöhnliche Härte für die Kinder“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Das Bundesverfassungsgericht hat neben seiner eigentlichen Entscheidung ja durchaus eine Grundsatzdiskussion über Hartz-IV-Sanktionen angeregt. Demnach liege es im Entscheidungsspielraum des Staates, ob er weiterhin Sanktionen zur Durchsetzung von Mitwirkungspflichten ansetzen will. Aus Sicht der Kinder kann das nur heißen: Schluss mit den Hartz-IV-Sanktionen für Familien mit Kindern“, so Hofmann weiter.

Jeden Monat Zehntausende Kinder von Sanktionen betroffen

Von den Kürzungen der Bezüge ihrer Eltern werden bei einer zu engen Auslegung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes weiterhin Monat für Monat zehntausende Kinder und Jugendliche betroffen sein. Das verstößt nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes gegen das in der UN-Kinderrechtskonvention normierte Recht auf soziale Sicherheit und angemessene Lebensbedingungen.

Je länger Kinder in Armut aufwachsen und unter Teilhabe- und Bildungsverlusten leiden, desto weitreichender sind die Langzeitfolgen für ihre Entwicklung und beruflichen Perspektiven. Demgegenüber brauchen wir nicht nur die Ausstattung von Kindern mit dem Allernötigsten, sondern für alle Kinder muss gesellschaftliche Teilhabe ausreichend möglich sein. Kinderarmut darf nicht kleingeredet, sondern sie muss durch konkrete politische Maßnahmen beseitigt werden.

Bedarfsgerechte Kindergrundsicherung in Höhe von 628 Euro

Deshalb setzt sich das Deutsche Kinderhilfswerk für eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut mit aufeinander abgestimmten Infrastruktur- und Geldleistungselementen ein, die interdisziplinär an verschiedensten Stellen ansetzt.

Langfristig tritt das Deutsche Kinderhilfswerk für die Einführung einer bedarfsgerechten Kindergrundsicherung in Höhe von 628 Euro nach dem Modell des Bündnisses “KINDERGRUNDSICHERUNG” ein, die den bestehenden Familienlastenausgleich ablöst, bestehende kindbezogene Leistungen bündelt und das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Familie, der Familienform und dem bisherigen Unterstützungssystem bedarfsgerecht gewährleistet.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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