Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur fรผr Arbeit, รคuรerte sich in einem Interview gegenรผber dem Spiegel, zu dem Vorhaben der SPD, Hartz IV abzuschaffen. Es sei richtig, dass das 15 Jahre alte Gesetz verbessert und den Umstรคnden entsprechend angepasst werden mรผsse, die komplette Abschaffung halte er persรถnlich jedoch fรผr einen Fehler.
Gesetz mรผsse verbessert, aber nicht abgeschafft werden
Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur fรผr Arbeit, รคuรerte sich in einem Interview gegenรผber dem Spiegel, zu dem Vorhaben der SPD, Hartz IV abzuschaffen. Es sei richtig, dass das 15 Jahre alte Gesetz verbessert und den Umstรคnden entsprechend angepasst werden mรผsse, die komplette Abschaffung halte er persรถnlich jedoch fรผr einen Fehler. An entsprechenden Verbesserungen wurde schlieรlich schon in der Vergangenheit, sowohl in der Bundesagentur fรผr Arbeit, wie auch im Bundesarbeitsministerium gearbeitet. Die Grundsicherung sei im Jahr 2019 schon etwas deutlich anderes, als noch im Jahr 2005. Anzukรผndigen, dass man die Grundsicherung komplett abschaffen wรผrde, halte er dennoch fรผr abwegig. Es rufe falsche Erwartungen in den Menschen hervor, denen man nicht gerecht werden kรถnne. Denn jeder denkbare Ersatz, wรคre dem jetzigen System auf gewisse Weise รคhnlich.
Regelsatz muss auch fรผr Arbeitnehmer gerecht sein
Man nehme als Beispiel den Regelsatz, der bestimmt, wie viel Geld jemand bekommt. Man kรถnnte die Berechnungen zwar รคndern, aber es werde laut Scheele immer bei einem moralischen Lohnabstandgebot bleiben, da es in seinen Augen gerecht bleiben mรผsse. Derzeit verdiene eine Kassiererin genau so viel Geld im Monat, wie einem Hartz IV beziehendem Paar mit Kind zusteht, wenn man das Wohngeld mit einberechne. Im Gegensatz zu dem Paar mit Kind, zahle die Kassiererin Steuern und auch fรผr sie mรผsse das System gerecht sein. Zwischen der Grundsicherung und dem Einkommen durch Arbeit, mรผsse es immer einen gewissen Abstand geben. So wรผrde man den Regelsatz derzeit berechnen und daran werde man auch zukรผnftig nichts รคndern kรถnnen. Wie wenig Geld der Kleinfamilie, abzรผglich des Wohngeldes, jedoch noch bleibt, wird nicht erwรคhnt. Wahrscheinlich ist dies fรผr Herrn Scheele auch nicht sonderlich relevant. Denn abgesehen davon, dass der Vergleich einer alleinlebenden Kassiererin und einer 3-kรถpfigen Familie vรถllig fehlt am Platz ist, sollte bedacht werden, dass der Familie, sobald man das Wohngeld abzieht, deutlich weniger Geld zum Leben bleibt. Mit diesem wenigen Geld mรผssen dann drei Menschen auskommen. Herr Scheele scheint demnach seine eigene Definition von Moral und Gerechtigkeit zu haben.
Komfortables Leben mit Grundsicherung nicht mรถglich
Den Einwand, dass diese Berechnungen zudem unsauber seien und am Ende weniger Geld zur Verfรผgung stehe, als vom System vorgesehen, begrรผndet Scheele mit einem blinden Fleck, der nur schwer zu beheben sei. Auch 20 Euro mehr im Monat wรผrden die Erwartungen nicht erfรผllen. Mehrere Millionen Menschen sind betroffen und er begrรผndet einen Fehler im System mit einem blinden Fleck? Eine einfachere Ausrede schien er nicht parat zu haben. Fakt sei zudem: Die Grundsicherung wird niemals ein komfortables Leben ermรถglichen kรถnnen. Scheele habe Verstรคndnis, dass es frustrierend sei mit 416 Euro monatlich, nie auf etwas Neues, wie zum Beispiel einen Kleiderschrank, sparen zu kรถnnen, aber ein neues System wird daran nichts รคndern kรถnnen. Die Grundsicherung solle schlieรlich nur fรผr das Nรถtigste und im besten Fall nur vorrรผbergehend sein.
ย System sei besser als sein Ruf
Der Reporter wirft wรคhrend des Interviews ein, dass jรคhrlich รผber 1 Millionen Sanktion verhรคngt werden. In Scheeles Augen, sei dies vรถllig รผberbewertet. Schlieรlich sanktioniere man im Monat lediglich 3 Prozent und auch in einem anderen System wรผrde es Sanktionen geben mรผssen. Vorschriften bei Regelbrรผchen seien unumgรคnglich. Der Reporter geht ebenfalls darauf ein, dass rund 60 Prozent der Bevรถlkerung das derzeitige System grundlegend รคndern mรถchten. Es sei schlieรlich nicht nur eine Minderheit, die die Meinung vertrete, dass Hartz IV fรผr Ungerechtigkeit und ein abwertendes Menschenbild stehe. Um die Frage zu beantworten, seien laut Scheele zwei Punkte erforderlich: Zum einen sehe der BA-Chef ein, dass tatsรคchlich einige Punkte im System verรคndert beziehungsweise verbessert werden mรผssen. Zum anderen fordert er die Menschen auf, endlich ehrlich รผber das System und das Jobcenter zu sprechen. Dann wรผrde sich nรคmlich herausstellen, dass beides deutlich besser sei als ihr Ruf. Mehr Verstรคndnis der Hartz IV-Bezieher, beziehungsweise hรถhere Wertschรคtzung der Mitarbeiter des Jobcenters sind also die Lรถsung?
Mitarbeiter des Jobcenters liege Wohl der Hilfsempfรคnger am Herzen
60.000 Menschen in den Jobcentern wรผrden in seinen Augen schlieรlich sehr gute Arbeit leisten. Es ginge ihnen nicht ums schikanieren, wie es ihnen oft nachsagt wird. Vielmehr ginge es ihnen ums Kรผmmern. Man versuche sich dort mit den individuellen Lebenssituationen auseinanderzusetzen und Vertrauen aufzubauen, um angemessen beraten zu kรถnnen. Man tue in den Jobcentern alles, um den Menschen Teilhabe am Leben durch Arbeit zu ermรถglichen und sie in vollem Umfang zu unterstรผtzen. Zu Recht wรผrden sich die Mitarbeiter in den Jobcentern laut Scheele die Frage stellen: Wissen die eigentlich was wir leisten? Umgekehrt stellt sich aber die Frage: Herr Scheele, wissen Sie eigentlich was Hartz IV-Bezieher leisten? Ganz offensichtlich nicht. Wenn so groรartige Arbeit in den Jobcentern geleistet wird, wie erklรคrt sich dann der groรe Unmut der Hartz IV-Bezieher?