Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen in den letzten Berufsjahren vor der Frage, ob sie den Gang in die Rente hinauszögern oder zunächst Arbeitslosengeld I beantragen sollen. Besonders heikel wird die Entscheidung, wenn das reguläre Arbeitslosengeld höher ausfällt als die prognostizierte Altersrente. In solchen Fällen lohnt ein genauer Blick auf Anspruchsdauer, finanzielle Folgen und sozialrechtliche Stolpersteine.
Berechnungslogik von Arbeitslosengeld und Rente
Das Arbeitslosengeld bemisst sich an 60 Prozent des letzten bereinigten Nettoentgelts, bei Kindern im Haushalt an 67 Prozent. Wer vor der Arbeitslosigkeit beispielsweise 3 000 Euro netto verdient hat, erhält ohne Kindergeldzuschlag rund 1 800 Euro monatlich.
Für ältere Versicherte ab 58 Jahren kann diese Leistung bis zu 24 Monate lang bezogen werden, wenn in den fünf Jahren zuvor mindestens 48 Monate Pflichtbeiträge gezahlt wurden. Jüngere Alterskohorten fallen stufenweise auf verkürzte Anspruchszeiten zurück.
Demgegenüber errechnet sich die gesetzliche Altersrente aus allen im Erwerbsleben erworbenen Entgeltpunkten, multipliziert mit aktuellem Rentenwert, Zugangsfaktor und gegebenenfalls Zuschlägen oder Abschlägen.
Wer heute eine vorgezogene Altersrente in Erwägung zieht, muss für jeden Monat vor der individuellen Regelaltersgrenze einen dauerhaften Abschlag von 0,3 Prozent hinnehmen. Bei einem vierjährigen Vorlauf – etwa von 67 auf 63 Jahre – summiert sich das Minus auf 14,4 Prozent.
Warum das Arbeitslosengeld häufig die Nase vorn hat
Weil das Arbeitslosengeld am jüngsten Nettoeinkommen ansetzt, während sich die Rente über Jahrzehnte verteilt aufbaut, übersteigt die Versicherungsleistung der Bundesagentur für Arbeit nicht selten die künftige Altersrente.
Dieser Effekt fällt umso stärker ins Gewicht, je höher das letzte Einkommen war und je geringer die individuellen Rentenansprüche gewachsen sind – etwa nach längeren Phasen in Teilzeit, in Elternzeit oder bei häufigen Unterbrechungen.
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Anspruchsdauer und Besonderheiten vor dem Ruhestand
Für Menschen ab 58 Jahren erstreckt sich der ALG-I-Bezug auf maximal zwei Jahre. Wer zwischen 50 und 58 ist, erhält zwischen 15 und 24 Monaten Leistung, abhängig von den in den letzten fünf Jahren zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten.
Während des Leistungsbezugs führt die Agentur für Arbeit Rentenbeiträge in einer pauschalen Höhe ab, so dass der persönliche Rentenanspruch weiter wächst – allerdings deutlich moderater als bei einer vollversicherungspflichtigen Beschäftigung.
Sperrzeiten können den Plan durchkreuzen
Wer freiwillig kündigt, riskiert eine Sperrzeit von in der Regel zwölf Wochen. In dieser Phase fließt kein Arbeitslosengeld. Zusätzlich wird die Gesamtbezugsdauer um mindestens ein Viertel gekürzt. Bei einem theoretischen Höchstanspruch von 24 Monaten reduziert sich die Laufzeit folglich um ein halbes Jahr. Die Kombination aus Sperrzeit und Anspruchsverkürzung kann die zuvor kalkulierte Übergangsstrategie empfindlich stören.
Arbeitslosengeld als Brücke zur abschlagsreduzierten Rente
Wird das reguläre Arbeitsverhältnis unfreiwillig beendet oder endet es etwa durch Befristung, kann eine zweijährige ALG-I-Phase gezielt dazu genutzt werden, den Abschlag einer vorgezogenen Rente deutlich zu mindern. Wer vier Jahre vor der Regelaltersgrenze steht, könnte zwei Jahre lang Arbeitslosengeld beziehen und erst danach einen Rentenantrag stellen.
Der rechnerische Abschlag schrumpft dann von 14,4 auf 7,2 Prozent. Voraussetzung ist allerdings, dass die Voraussetzungen für den maximalen ALG-I-Anspruch erfüllt und keine Sperrzeiten verhängt werden.
Teilrente und Hinzuverdienst seit 2023 ohne Grenzen
Seit dem 1. Januar 2023 sind die Hinzuverdienstgrenzen für vorgezogene Altersrenten ersatzlos weggefallen. Wer eine Voll- oder Teilrente bezieht, kann seither beliebig viel hinzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird.
Damit eröffnet sich die Möglichkeit, eine Teilrente zu wählen und in reduziertem Umfang weiterzuarbeiten, statt sich arbeitslos zu melden. Die Entscheidung sollte sorgfältig gegen die Option „Arbeitslosengeld plus spätere Vollrente“ abgewogen werden.
Beratung bleibt wichtig
Ob Arbeitslosengeld, Teilrente oder direkter Rentenbezug: Jede Variante hat finanzielle, sozialrechtliche und steuerliche Konsequenzen. Weil dabei Fristen, Anrechnungsmodalitäten und versicherungsrechtliche Stolpersteine ineinandergreifen, empfiehlt sich eine frühzeitige Beratung. Erstgespräche bei der Deutschen Rentenversicherung, bei Sozialverbänden wie dem Sozialverband Deutschland oder bei Fachanwälten für Sozialrecht liefern belastbare Zahlen und helfen, vermeidbare Kürzungen zu umgehen.
Wer den Übergang in den Ruhestand klug plant, kann so das Optimum aus beiden Systemen – Arbeitslosenversicherung und gesetzlicher Rente – herausholen.