Springer-Presse wirbt für Agenda 2020 mit massivem Abbau von Sozialleistungen und Arbeitnehmerrechten
10.09.2012
Seit einigen Wochen wirbt die Springer Presse (Bild, Welt…) für eine sogenannte Agenda 2020. Unter anderem fordern die Autoren massive Kürzungen bei den Hartz IV Regelleistungen sowie einen massiven Abbau der Rechte von Arbeitnehmern.
Wer die Springer-Presse auf seiner Seite hat, gewinnt die Wahlen. Wie mächtig der Verlag ist, hat dieser bereits bei etlichen Kampagnen gezeigt, zuletzt bei dem Sturz des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der nach seinen Eskapaden bei Springers Presse in Ungnade fiel.
Weil selbst Union und FDP für den erzkonservativen Verlag zu lasch sind, versucht sich Springer immer wieder der Einflussnahme. Dieses mal soll nicht etwa ein umtriebiger Bundespräsident gestürzt werden, sondern der neoliberale Kurs auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeitslosengeld II Beziehern deutlich verschärft werden. Dazu haben altbekannte und zusammen gesammelte Autoren insgesamt 15 „Spar- und Reformvorschläge“ erarbeitet. Springers Presse propagiert eine Agenda 2020, die „dringend in Angriff genommen werden soll, damit „wir nicht zurückfallen und das verschenken, was wir uns mühsam erarbeitet haben“.
Mit von der Partie sind die „üblichen Verdächtigen“ der deutschen Konzerne und Wirtschaft: Der IWF, dem inzwischen privaten Versicherungsberater, Bert Rürup, dem Sachverständigenrat, dem von der Post gesponserten IZA , der OECD bis hin zu Wolfgang Clement (SPD).
Beim ersten Lesen wird sofort eines deutlich: Die Methode der Umverteilung von unten nach oben sowie die gesellschaftliche Spaltung von Arm und Reich soll massiv ausgebaut werden. Dazu sollen Sozialleistungen gekürzt und unsichere sowie prekäre Beschäftigungsverhältnisse als Normalfall deklariert werden. Daneben sollen Konzerne schalten und walten können ohne Konsequenzen seitens staatlicher Interventionen befürchten zu müssen. Denn der Staat soll ganz nach dem neoliberalen Dogma Schritt für Schritt beinahe abgeschafft werden.
Wir übersetzen, was die neoliberalen Experten nunmehr fordern, um den Reichtum der Reichen zu bewahren und weiter auszubauen.
Abschaffung der Gewerbesteuer und Steuerdumping
Nach Wünschen der Autoren soll die Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle der Städte und Kommunen abgeschafft werden. Gleichzeitig soll die Mehrwertsteuer sowie die Einkommensteuer vereinfacht werden. Eine Transaktionssteuer für Finanz- und Bankengeschäfte oder eine Reichensteuer solle in keinem Falle eingeführt werden. Selbst die Diskussion darum solle aufhören, da diese „dem Wirtschaftsstandort Deutschland“ schade. Somit solle jede Besteuerung der ausufernden Spitzeneinkommen vermieden werden. Auch die Verursacher der Finanzkrise sollen unangetastet bleiben.
Arbeiten bis zum Tod
Nach Ansicht der „Experten“ könne die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre nur „ein Anfang sein“. Eine „starre Altersgrenze“ solle am Besten gleich ganz abgeschafft werden. Wolfgang Clements brachte ein, dass selbst 80jährige noch arbeiten könnten. So könnte Altersarmut verhindert und Senioren ihren Rentenanspruch „kräftig aufbessern“. Demnach würde eine Rente quasi erst nach dem Ableben des Beschäftigten greifen.
Einwanderung nur noch nach Unternehmensinteressen
Nach Deutschland sollen nur noch „Nützliche“ kommen dürfen. Die Zuwanderung solle „gezielt und nach Bedarf“ gesteuert werden. Das faktisch kaum noch vorhandene Asylrecht soll anscheinend durch ein „Anwerbe-Recht“ ersetzt werden, um Arbeitskräfte immer dann nach Deutschland zu locken, um das Überangebot an Arbeitnehmern im Interesse der Lohndrückerei zu forcieren.
Kürzung der Hartz IV Regelsätze
Der Arbeitslosengeld II Regelsatz soll nach Auffassung der Autoren um 30 Prozent abgesenkt werden. Betroffene die keinen Arbeitsplatz finden, sollen zwangsweise in „Arbeitsgelegenheiten“ arbeiten. Sprich, wer ausgesondert wurde, soll nach dem Workfare Prinzip für den abgesenkten Regelsatz zwangsweise in öffentlichen Einrichtungen schuften. Daneben soll der Kombilohn für die Wirtschaft eingesetzt werden, damit quasi der Staat, die Löhne für die Wirtschaft zahlt. Dass eine weitere Absenkung der Regelleistungen selbst das vom Bundesverfassungsgericht festgesetzte Existenzminimum unterbietet, scheint die Autoren nicht zu stören. Auch Zwangsarbeit ist nach dem Grundgesetz eigentlich verboten. Allerdings zeigen die bereits bestehenden Hartz IV-Gesetzgebungen, dass das Grundgesetz mit Leichtigkeit auch heute mit Füßen getreten wird.
Staatsbremse für weniger Ausgabenbremse
Die eingesetzte Schuldenbremse ist den Autoren nicht genug. Sie sehen darin die Gefahr von Steuererhöhungen für Konzerne. Daher fordern sei eine sogenannte Staatsbremse. Jede Mehrausgabe solle an anderer Stelle mit Kürzungen gedeckt werden. Was damit gefordert ist, zeigt sich erst beim genaueren Hinsehen. Der Staat solle ausgeblutet werden und Ausgaben, vorzugsweise im sozialen Bereich sollen massiv gekürzt werden.
Abschaffung des Kündigungsschutzes
Den Konzern-Lobbyisten ist es nicht genug, dass sowieso schon Millionen von Menschen in der Leiharbeit hängen und jederzeit vor die Tür gesetzt werden können. Auch dass die Kündigungszeiten verkürzt und Kündigungsverfahren erleichtert wurden, scheint bei weitem nicht genug zu sein. Statt des Kündigungsschutzes soll ein sogenanntes Abfindungsmodell greifen. Damit können Unternehmen beispielsweise soziale Auswahlkriterien umgehen.
Abschaffung von Kindergeld, Ehegattensplittiung und Elterngeld
Die Leistungen sollen auf den „Prüfstand“. Zwar soll ein umfassendes Betreuungsangebot seitens des Staates geschaffen werden, von einer Angleichung der Löhne (Mann/Frau) sprechen die Autoren allerdings nicht. Vielmehr geht es ausschließlich darum, die staatlichen Familienförderungen zu streichen.
Arbeitnehmer sollen flexibler werden
Wer sich der Arbeitswelt mit Burnout, Stress und schließlich Herzversagen nicht anpasst, hat pech gehabt. Nur wer ein Leben lang flexibel und anpassungsfähig ist, gehört zu den Gewinnern. Dazu erinnert sehr stark nach dem Gesetz des Starken aus vergangenen Zeiten.
Pflege-Bahr statt ausreichende Pflegeversicherung
Nach dem Scheitern der Riester-Rente soll „Pflege-Bahr“ in der Pflegeversicherung durch die Arbeitnehmer selbst aufgestockt werden und das verpflichtend. Eine Erhöhung der Pflegepflichtversicherung soll zugunsten der Unternehmen nicht erhöht werden.
Kopfprämie statt einkommensabhängige Krankenversicherung
Die einkommensabhängige Kranversicherung soll durch eine einkommensabhängige Kopfprämie ersetzt werden. Demnach sollen alle, ob arm oder reich, den selben Beitrag zahlen. Praxisgebühren, Zuzahlungen bei Arzneimittel und Leistungseinschränkungen sollen nicht genug sein.
Freiberufler: Deregulierung der Honorarordnungen
Weiterhin wird eine Deregulierung der Honorarordnungen für Freiberufler gefordert. Apotheken oder Notariate sollen als Aktiengesellschaften fungieren dürfen. Der Deregulierungswahn soll weitergehen.
Fusion der Bundesländer
Kleinere Bundesländer sollen mit größeren Ländern fusionieren. Nachdem inzwischen der Systemwechsel vom „kooperativen Föderalismus“ zum „Wettbewerbsföderalismus“ etwa im Bildungswesen erkennbar gescheitert ist und schon wieder an eine Aufhebung des „Kooperationsverbotes“ im Grundgesetz nachgedacht wird, wollen die Autoren des zwischen den staatlichen Ebenen den „Wettbewerb“ sogar noch verschärfen und das Chaos in Deutschland noch erhöhen und zudem die Ungleichheit der Lebensverhältnisse vorantreiben.
Energie
Die in Deutschland nach dem Fukushima Super-Gau eingeleitete Energiewende soll mittels „marktwirtschaftlicher Prinzipien“ von statten gehen. Vom „planwirtschaftlichen System des Erneuerbare-Energien-Gesetz soll abgerückt“ werden. Im Klartext bedeutet dies, dass die Energiekonzerne die künftige Energiepolitik bestimmen sollen. Die Markteinführung erneuerbarer Energien soll zugunsten der fossilen Energieträger oder gar der Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke gestoppt werden.
Bürokratieabbau zugunsten der Konzerne
Eine Kommission soll nach Regeln suchen, die Unternehmen in ihrem Handlungsspektrum einschränken. Auch hier soll „Deregulierung“ das Allheilmittel sein. Doch wer sind die Bürokraten? Es sind die Lobbyisten, die immer wieder nach neuen Gesetzesregelungen suchen, um andere einzuschränken. Ein gutes Beispiel ist das aktuell im Bundeskabinett verabschiedete „Leistungsschutzrecht“ zugunsten der deutschen Verleger. Das soll Blogger, kleine Online-Redaktionen und News- Aggregatoren massiv beschneiden. Und wer drängt gerade federführend die schwarz-gelbe Bundesregierung dazu? Der Springer-Verlag.
Privatisierung
Alle öffentlichen Aufgaben wie Nahverkehr, Wasserversorgung, Müllabfuhr, …, etc. sollen nur noch in private Hände. Doch bisherige Beispiele haben gezeigt, dass hierdurch die Preise dramatisch gestiegen und sich die Versorgung massiv verschlechterte. Die einizigen, die dadurch einen Vorteil haben, sind diejenigen, die an der Privatisierung verdienen, und das kräftig. (sb)
Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de
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