Die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 Jahre ist vielen Beschäftigten vor allem als Reform der Altersrenten im Gedächtnis. Tatsächlich reicht ihr Einfluss aber deutlich weiter – auch in die Hinterbliebenenversorgung.
Wer heute verwitwet, trifft auf ein System der Witwenrente, das in mehreren Reformwellen verändert wurde: durch die große Hinterbliebenenrechtsreform ab 2002 und durch die Rentenreform zur „Rente mit 67“, die die Altersgrenzen Schritt für Schritt anhebt.
Gerade für jüngere Hinterbliebene und für Paare, bei denen beide Partner bis ins hohe Alter erwerbstätig sind, stellen sich neue Fragen: Ab wann gibt es die große Witwenrente? Wie lange wird die kleine Witwenrente gezahlt? Welche Rolle spielen eigene Einkünfte – und was hat das alles konkret mit der Rente mit 67 zu tun?
Inhaltsverzeichnis
Was die Witwenrente leisten soll
Die Witwen- oder Witwerrente ist eine sogenannte „Rente wegen Todes“ in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie soll den Unterhalt ersetzen, den der verstorbene Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner zu Lebzeiten erbracht hat.
Rechtlich gibt es zwei Formen: die kleine Witwenrente mit kürzerem Schutz und die große Witwenrente mit einer grundsätzlich unbefristeten Zahlung.
Die kleine Witwenrente erhalten Hinterbliebene, die jünger sind als die maßgebliche Altersgrenze und weder erwerbsgemindert sind noch ein Kind erziehen. Sie beträgt in aller Regel 25 Prozent der Rente, die der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes bezogen hat oder hätte bekommen können.
Nach neuem Recht wird sie höchstens 24 Monate gezahlt. Nur wer unter die alten Übergangsregelungen fällt – etwa weil die Ehe vor 2002 geschlossen wurde und mindestens ein Partner vor dem 2. Januar 1962 geboren ist – hat weiterhin Anspruch auf eine unbefristete kleine Witwenrente.
Die große Witwenrente fällt höher aus und wird grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung gezahlt. Sie ersetzt 55 Prozent der Rente des Verstorbenen; für sogenannte „Alt-Fälle“ nach altem Recht können es noch 60 Prozent sein. Voraussetzung ist, dass die hinterbliebene Person ein bestimmtes Mindestalter erreicht hat oder erwerbsgemindert ist oder ein Kind unter 18 Jahren erzieht.
Damit ist die Witwenrente schon lange keine reine Vollversorgung mehr, sondern eher ein Zuverdienst zum eigenen Einkommen oder zur eigenen Rente – ein Trend, den die Rentenreformen der vergangenen Jahre bewusst verstärkt haben.
Die Rentenreform „Rente mit 67“ im Überblick
Mit der Reform zur „Rente mit 67“ wird die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung stufenweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Betroffen sind die Jahrgänge ab 1947; für jeden Geburtsjahrgang steigt die Altersgrenze zunächst um einen, später um zwei Monate. Wer ab 1964 geboren ist, erreicht seine Regelaltersgrenze regulär mit 67 Jahren.
Parallel dazu wurden auch andere Altersgrenzen im Rentenrecht angepasst, etwa bei vorgezogenen Altersrenten und bei Renten wegen Todes.
Die Grundidee: Wenn Menschen insgesamt länger leben und später in Altersrente gehen, sollen auch die Schwellenwerte für Hinterbliebenenrenten nicht dauerhaft auf einem deutlich niedrigeren Niveau verharren. Genau hier setzt die Verbindung zur Witwenrente an.
Höheres Zugangsalter zur großen Witwenrente
Die sichtbare direkte Folge der Rente mit 67 für Witwen- und Witwerrenten betrifft die Altersgrenze für die große Witwenrente. Diese Grenze lag früher bei 45 Jahren. Mit der „Anhebung der Altersgrenzen“ – so der technische Begriff – steigt sie schrittweise auf 47 Jahre. Die Deutsche Rentenversicherung bezeichnet diese Regelung ausdrücklich als Auswirkung der Rente mit 67 auf die Witwen- und Witwerrente.
Die Anhebung ist nicht vom Geburtsjahr des Hinterbliebenen abhängig, sondern vom Todesjahr der versicherten Person. Für Todesfälle ab dem 1. Januar 2012 wird die Altersgrenze für die große Witwenrente Jahr für Jahr leicht angehoben.
Bei einem Todesfall im Jahr 2025 liegt sie beispielsweise bei 46 Jahren und vier Monaten; 2026 steigt sie auf 46 Jahre und sechs Monate, 2027 auf 46 Jahre und acht Monate und 2028 auf 46 Jahre und zehn Monate. Ab Todesfällen im Jahr 2029 ist die Grenze von 47 Jahren erreicht.
In der Praxis bedeutet das: Hinterbliebene, die knapp unterhalb dieser Grenze verwitwen, erhalten zunächst nur die kleine Witwenrente – und das maximal zwei Jahre lang –, bevor sie später die große Witwenrente beanspruchen können. Wer deutlich jünger ist und keine Kinder erzieht und nicht erwerbsgemindert ist, bleibt nach Ablauf der 24 Monate ganz ohne Hinterbliebenenrente.
Übergangsjahrgänge und „altes“ Hinterbliebenenrecht
Die Rente mit 67 ist nicht die erste Reform, die an der Witwenrente rüttelt. Bereits mit der Reform des Hinterbliebenenrechts zum 1. Januar 2002 wurden die Leistungen grundlegend neu geordnet. Seitdem ist die kleine Witwenrente für neue Fälle in der Regel auf 24 Monate begrenzt, während die große Witwenrente bei Neufällen nur noch 55 statt 60 Prozent der Rente des Verstorbenen ausmacht.
Für bestimmte Konstellationen gilt jedoch bis heute das „alte Recht“. Paare, die ihre Ehe vor 2002 geschlossen haben und bei denen mindestens ein Partner vor dem 2. Januar 1962 geboren wurde, profitieren weiterhin von den früheren, günstigeren Regeln. Ihre große Witwenrente beträgt 60 Prozent der Rente des Verstorbenen, und eine kleine Witwenrente wird unbefristet gezahlt.
Die Rente mit 67 hat an dieser Trennlinie zwischen altem und neuem Recht nichts geändert. Sie wirkt aber auf beide Gruppen, weil die Altersgrenze für die große Witwenrente unabhängig vom Rechtsregime steigt.
Wer unter das alte Recht fällt, kann also weiterhin 60 Prozent erhalten – muss aber dennoch die höheren Altersgrenzen beachten, sofern er nicht wegen Kindererziehung oder Erwerbsminderung früher Anspruch auf die große Rente erwirbt.
Rentenabschläge: Wenn der Partner vor der Altersgrenze stirbt
Eine weitere, oft übersehene Folge längerer Lebensarbeitszeiten sind die Abschläge bei den Renten wegen Todes. Stirbt eine versicherte Person, bevor sie eine bestimmte Altersgrenze erreicht hat, wird die Witwen- oder Witwerrente dauerhaft gekürzt. Maßstab ist nicht das Alter des Hinterbliebenen, sondern das Alter des Verstorbenen beim Rentenbeginn der Hinterbliebenenrente.
Die Abschläge betragen 0,3 Prozent für jeden Monat, um den der Tod vor der maßgeblichen Altersgrenze liegt – maximal 10,8 Prozent. Historisch lag diese Grenze bei 63 Jahren, mit der Anhebung der Altersgrenzen wurde sie stufenweise angehoben und beträgt für Todesfälle seit 2024 in der Regel 65 Jahre.
Wer also schon mit 61 oder 62 Jahren verstirbt, hinterlässt seinen Angehörigen eine Witwenrente, die aufgrund der Abschläge dauerhaft niedriger ausfällt.
Hier wirkt die Rentenreform indirekt: Je höher die Altersgrenze für eine abschlagsfreie Rente liegt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Tod des Versicherten davor eintritt – und damit Abschläge auf die Hinterbliebenenrente ausgelöst werden.
Gleichzeitig haben langjährig Versicherte mit sehr vielen Beitragsjahren unter bestimmten Voraussetzungen die Chance auf eine abschlagsfreie Hinterbliebenenrente schon ab 63, was die Auswirkungen in Einzelfällen abmildern kann.
Längere Erwerbstätigkeit und eigene Rente: Was sich für Hinterbliebene ändert
Die Rente mit 67 hat das Bild des Ruhestands verschoben. Viele Menschen arbeiten länger und beziehen ihre eigene Altersrente später. Gleichzeitig wurden in den letzten Jahren die Hinzuverdienstgrenzen für Altersrentner gelockert, bis hin zu einem unbegrenzten Hinzuverdienst zu Altersrenten.
Für Witwen- und Witwerrenten gilt diese Freiheit ausdrücklich nicht. Hier bleibt es bei der Einkommensanrechnung: Das berechnete Nettoeinkommen des Hinterbliebenen wird mit einem Freibetrag verglichen; nur was darüber liegt, wird zu 40 Prozent auf die Witwenrente angerechnet.
Der Freibetrag wird jedes Jahr mit der Rentenanpassung angepasst. Seit dem 1. Juli 2024 beträgt er bundesweit 1.038,05 Euro; zum 1. Juli 2025 ist er auf 1.076,86 Euro gestiegen. Pro waisenberechtigtem Kind kommt ein zusätzlicher Freibetrag hinzu, der ebenfalls regelmäßig steigt.
In der Realität führt das zu einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite sollen Menschen länger arbeiten und eine eigene, auskömmliche Altersrente aufbauen. Auf der anderen Seite sinkt eine Witwenrente spürbar, wenn das eigene Einkommen den Freibetrag übersteigt.
Die Rente mit 67 verstärkt dieses Spannungsfeld, weil sie Erwerbsphasen verlängert und den Zeitraum vergrößert, in dem eigene Erwerbseinkommen und Witwenrente aufeinandertreffen.
Neue Zuschläge und kommende Änderungen – weitere Reformschritte
Neben der Anhebung der Altersgrenzen haben der Gesetzgeber und die Rentenversicherung in den letzten Jahren zusätzliche Änderungen bei den Hinterbliebenenrenten beschlossen, die allerdings nicht unmittelbar aus der Rente mit 67 stammen, sondern Teil weiterer Reformpakete sind.
Seit Juli 2024 erhalten Hinterbliebene unter bestimmten Bedingungen einen Zuschlag zur Witwenrente, wenn der verstorbene Partner in der Vergangenheit eine Erwerbsminderungsrente bezogen hat. Abhängig vom Beginn dieser Erwerbsminderungsrente können Zuschläge von 4,5 oder 7,5 Prozent gewährt werden.
Diese verbesserten Leistungen gehen allerdings mit neuen Fragen zur Einkommensanrechnung einher.
Ab Dezember 2025 wird der Zuschlag in die laufende Rente integriert und damit grundsätzlich als Einkommen gewertet, das auf die Witwenrente angerechnet werden kann. Experten warnen, dass sich dadurch in vielen Fällen der Zahlbetrag der Witwenrente verringern könnte.
Gesellschaftliche Debatte: Steht die Witwenrente vor einer weiteren Reform?
Während die geltenden Regeln immer komplexer werden, verschärft sich die grundsätzliche Diskussion über die Zukunft der Witwenrente. Mehrere Wirtschaftsweise haben in den vergangenen Jahren vorgeschlagen, die klassische Witwen- und Witwerrente zumindest deutlich zu reduzieren oder perspektivisch durch ein verpflichtendes Rentensplitting zu ersetzen.
Begründet wird dies mit der gewachsenen Erwerbstätigkeit von Frauen und der Sorge um die Finanzierbarkeit des Rentensystems.
Gewerkschaften, Sozialverbände und Hinterbliebenen-Initiativen warnen dagegen vor einer Verschärfung der Altersarmut, insbesondere bei Frauen, die in Teilzeit gearbeitet haben oder längere Zeit für Kinder und Pflege aus dem Beruf ausgestiegen sind. Kritikerinnen solcher Kürzungspläne halten die Witwenrente weiterhin für ein zentrales Instrument, um die finanzielle Existenz verwitweter Menschen zu sichern.
Klar ist: Die Rente mit 67 war nicht der Endpunkt, sondern eher ein Auftakt für eine Reihe von Anpassungen, von denen auch die Witwenrente immer wieder betroffen ist oder betroffen sein kann.
Was Betroffene jetzt im Blick behalten sollten
Für Menschen, die schon heute eine Witwen- oder Witwerrente beziehen oder im Falle eines Schicksalsschlags auf sie angewiesen wären, zählt letztlich weniger die große politische Debatte als die konkrete eigene Situation. Entscheidend sind einige Eckdaten, die man – idealerweise gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung oder einem unabhängigen Rentenberater – prüfen sollte.
Wichtig ist zunächst die Frage, ob im eigenen Fall das alte oder das neue Hinterbliebenenrecht gilt. Wer vor 2002 geheiratet hat und wessen Ehe zumindest einen Partner mit Geburtsdatum vor dem 2. Januar 1962 umfasst, hat meist Anspruch auf die günstigeren Prozentsätze und teilweise unbefristete Leistungen. Alle jüngeren Ehen fallen unter das strengere neue Recht.
Daneben spielt das Todesjahr des versicherten Partners eine zentrale Rolle für die Altersgrenzen der großen Witwenrente und für mögliche Abschläge.
Je nach Jahr können wenige Monate Unterschied beim Todeszeitpunkt darüber entscheiden, ob eine Rente ohne Abschlag gezahlt wird oder ob die Altersgrenze für die große Witwenrente gerade erreicht wird oder knapp verfehlt ist.
Nicht zuletzt lohnt sich ein Blick auf das eigene Einkommen und die eigene Altersvorsorge. Wer noch erwerbstätig ist oder bereits eine eigene Rente bezieht, sollte wissen, wie sich künftige Lohnerhöhungen, Rentenanpassungen oder zusätzliche Einkünfte auf die Höhe der Witwenrente auswirken.
Die Freibeträge steigen zwar mit den Renten, doch die Anrechnung von 40 Prozent des übersteigenden Einkommens bleibt ein spürbarer Kürzungsfaktor.
Hinweis: Dieser Beitrag kann eine individuelle Beratung durch die Deutsche Rentenversicherung, eine Lohnsteuerhilfe oder einen zugelassenen Rentenberater nicht ersetzen. Für konkrete Einzelfälle – etwa bei anstehender Verrentung oder nach einem Todesfall in der Familie – ist eine persönliche Auskunft sinnvoll, weil Jahrgänge, Todeszeitpunkt, alte oder neue Rechtslage und das eigene Einkommen sehr unterschiedliche Ergebnisse ergeben können.




