Abfindung nach Kündigung: So kann sie steuerfrei bleiben

Abfindungen sollen den Verlust des Arbeitsplatzes abfedern, geraten aber schnell zwischen die Mühlsteine von Lohnsteuer, Progression und sozialrechtlichen Nebenfolgen.

Abfindung sind im Grundsatz steuerpflichtig. “Es gibt aber legale Gestaltungen, mit denen Teile einer Abfindung tatsächlich steuerfrei bleiben können”, sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Lange aus Hannover. “Und es gibt Strategien, die die Steuerlast spürbar senken”, betont er.

Abfindungen sind in der Regel steuerpflichtig – aber

Steuerrechtlich gelten klassische Abfindungen als Entschädigungen für entgehende Einnahmen. Damit sind sie zunächst grundsätzlich einkommensteuerpflichtig und zählen zu den sogenannten außerordentlichen Einkünften. Die Rechtsgrundlagen finden sich in § 24 Nr. 1 EStG (Entschädigungen) und § 34 EStG (Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte). Ziel des Gesetzgebers ist dabei nicht die Steuerfreiheit, sondern eine abgemilderte Besteuerung, wenn Einkommen in einem Jahr „zusammenballt“.

Die Fünftelregelung: Entlastung ja – aber seit 2025 nicht mehr über die Lohnabrechnung

Die wichtigste Entlastung heißt Fünftelregelung. Sie verteilt die Abfindung rechnerisch auf fünf Jahre, um die Progression zu mildern, und führt so oft zu einer deutlich niedrigeren Steuer als bei voller Sofortversteuerung. Materiell-rechtlich bleibt die Fünftelregelung erhalten; sie greift aber nur, wenn eine Zusammenballung von Einkünften vorliegt, die Abfindung also im Wesentlichen in einem Veranlagungsjahr zufließt.

Seit dem 1. Januar 2025 gilt allerdings ein drastischer Einschnitt: Arbeitgeber wenden die Fünftelregelung nicht mehr im Lohnsteuerabzug an.

“Der Vorteil wird erst in der Einkommensteuererklärung berücksichtigt – für Beschäftigte primär ein Liquiditätsthema, rechtlich bleibt der Anspruch bestehen”, so Lange.

Für die Frage, ob die Zusammenballung erfüllt ist, helfen die Lohnsteuer-Hinweise 2025: Übersteigt die Abfindung die bis zum Jahresende entgehenden Gehaltszahlungen, ist das Merkmal regelmäßig gegeben. Teilleistungen und gestreckte Auszahlungen sind heikel – sie können die Tarifermäßigung kosten.

Wann Abfindungsbestandteile wirklich steuerfrei sind

“Echte Steuerfreiheit ist die Ausnahme, kommt aber vor”, berichtet der Fachanwalt Lange. Dies gilt insbesondere bei Zahlungen, die immaterielle Schäden ausgleichen.

“Entschädigungen wegen Diskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG oder wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind kein Arbeitslohn und daher nicht steuerbar”, sagt der Anwalt.

“Das gilt nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn der Arbeitgeber einen Diskriminierungsvorwurf bestreitet und die Zahlung im Vergleichsweg leistet.”

Wichtig hierbei ist die rechtliche Qualifikation als Ausgleich immaterieller Nachteile, nicht der Titel „Abfindung“. Eine saubere Formulierung im Vergleich bzw. Aufhebungsvertrag ist hier überaus wichtig betont Lange.

Davon zu trennen sind Zahlungen, die materielle Schäden ersetzen – etwa entgangenen Lohn. Diese sind steuerpflichtig, gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und profitieren, wenn die Voraussetzungen vorliegen, „nur“ von der Fünftelregelung.

Tabelle: Wann Abfindung nach Kündigungen steuerfrei sind

Um es verdeutlichen, haben wir eine Tabelle erstellt, die zeigt, wann Abfindungen steuerfrei sind.

Situation Steuerliche Behandlung
Entschädigung für immaterielle Schäden (z. B. wegen Diskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG oder Persönlichkeitsrechtsverletzung) steuerfrei, da kein Arbeitslohn vorliegt
Zahlung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nach § 3 Nr. 63 EStG (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) bis zu den gesetzlichen Höchstbeträgen steuerfrei
Vervielfältigungsregel bei Einmalbeiträgen in die bAV anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der zulässigen Grenzen steuerfrei
Abfindung in einem Jahr mit Gesamteinkommen unter dem Grundfreibetrag faktisch steuerfrei, da keine Einkommensteuer anfällt

Tabelle: Wann Abfindungen zwar nicht steuerfrei aber steuerbegünstigt sind

Wann Abfindungen zwar nicht steuerfrei, aber steuergemindert sind, sehen Sie in dieser Tabelle.

Situation Steuerliche Behandlung
Einmalige Abfindung mit Zusammenballung von Einkünften Besteuerung nach der Fünftelregelung (§ 34 EStG), Progressionsminderung
Abfindung wird in einem Kalenderjahr vollständig ausgezahlt, während reguläre Gehaltszahlungen wegfallen Begünstigung durch Fünftelregelung möglich, Steuerlast sinkt deutlich
Abfindung in Kombination mit geringen übrigen Einkünften (z. B. Arbeitslosengeld im Folgejahr) Einkommensteuer reduziert sich stark, Fünftelregelung bringt zusätzliche Entlastung
Abfindung, die tariflich als außerordentliche Einkünfte anerkannt wird Anwendung der Tarifermäßigung, keine volle Progression

Steuerfrei durch die betriebliche Altersversorgung: Umwandlung statt Auszahlung

Ein in der Praxis oft unterschätzter Weg führt über die betriebliche Altersversorgung (bAV). Beiträge des Arbeitgebers an Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds sind nach § 3 Nr. 63 EStG innerhalb gesetzlicher Grenzen steuerfrei. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses lässt sich das durch die Vervielfältigungsregel erheblich ausweiten: Einmalbeiträge aus Anlass des Ausscheidens können bis zu 4 % der Renten-BBG je Beschäftigungsjahr, maximal zehn Jahre, steuerfrei in die bAV fließen – rechtlich handelt es sich dann nicht um ausgezahlte Abfindung, sondern um begünstigte Versorgungsbeiträge.

Wichtig ist, dass die Zahlung arbeitgeberseitig erfolgt und den Vorgaben des BMF entspricht.

“In der Praxis wird dies häufig im Aufhebungsvertrag vereinbart, indem ein vereinbarter Abfindungsbetrag ganz oder teilweise als bAV-Beitrag geleistet wird”, sagt der Fachanwalt Lange.

Die Details – ob Vervielfältiger genutzt werden kann, wie sich Altzusagen oder pauschal nach § 40b EStG a. F. besteuerte Beiträge auswirken – sind formal.

Maßgeblich sind die BMF-Vorgaben; sie regeln u. a., dass der steuerfreie Rahmen individuell zuzuordnen sein muss und eine Doppelnutzung alter und neuer Vervielfältiger ausgeschlossen ist. Wer diesen Weg gehen will, sollte den Zahlungsfluss rechtzeitig mit Arbeitgeber, Versorgungsträger und steuerlichem Berater abstimmen.

Sozialversicherung: oft beitragsfrei, aber mit Ausnahmen

Klassische Abfindungen sind in der Regel kein Arbeitsentgelt für vergangene Arbeit und deshalb nicht beitragspflichtig zur Sozialversicherung.

“Ausnahmen ergeben sich insbesondere dann, wenn die Zahlung wirtschaftlich als Ersatz für nicht eingehaltene Kündigungsfristen gewertet wird; in solchen Konstellationen können Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entstehen” betont der Anwalt.

Abfindung Steuerfrei „durch die Hintertür“: niedrige Jahreseinkünfte und Grundfreibetrag

Auch ohne Sondertatbestände kann Abfindung faktisch steuerfrei bleiben, wenn das zu versteuernde Einkommen insgesamt nicht über dem Grundfreibetrag liegt.

Für 2025 beträgt dieser 12.096 Euro pro Person, bei Zusammenveranlagung das Doppelte. Wer die Auszahlung auf ein Jahr mit sehr niedrigen übrigen Einkünften legt – etwa nach einem späten Auszahlungstermin oder einem längeren Jahr ohne Beschäftigung –, kann so die Progression stark drücken oder ganz vermeiden. Zu bedenken ist, dass die Fünftelregelung gerade dann oft weniger bringt, weil bereits der Grundtarif greift.

Gestaltung in Aufhebungsverträgen: Form folgt Funktion

Ob steuerfreie oder steuerbegünstigte Behandlung gelingt, entscheidet am Ende die rechtlich saubere Ausgestaltung. Bei immateriellen Schäden muss der Vertrag klar zwischen steuerfreiem Schadensersatz nach § 15 Abs. 2 AGG und steuerpflichtigen Lohnersatzkomponenten unterscheiden.

Bei bAV-Lösungen ist sicherzustellen, dass der Arbeitgeber den Beitrag leistet, der bAV-Träger und die Versorgungszusage die Anforderungen des § 3 Nr. 63 EStG erfüllen und der Einmalbeitrag die Vervielfältigungsgrenzen beachtet.

Für die Fünftelregelung sollte der Zufluss – soweit möglich – einjährig gebündelt werden. “Teilauszahlungen, Raten oder nachträgliche Ergänzungsabfindungen sind kritisch, können aber in Einzelfällen unschädlich sein; maßgeblich bleibt stets die Frage der Zusammenballung”, sagt Lange.

Was sich seit 2025 konkret geändert hat

Für Beschäftigte ist die wichtigste Neuerung die Verlagerung der Fünftelregelung in die Veranlagung: Der Arbeitgeber rechnet die Abfindung lohnsteuerlich regulär ab, die Tarifermäßigung wird über die Steuererklärung geltend gemacht. Substanziell ändert das nichts am Anspruch, wohl aber am Zeitpunkt der Entlastung.

Es lohnt, Belege und Vertragsformulierungen so aufzubereiten, dass das Finanzamt die Voraussetzungen für § 34 EStG und ggf. für steuerfreie Komponenten schnell prüfen kann.

Grenzen, Risiken und der Blick über die Grenze

Gestaltungen müssen inhaltlich zutreffen. Eine „Umdeutung“ reiner Lohnersatzansprüche in immateriellen Schadensersatz wird regelmäßig scheitern.

Bei bAV-Einzahlungen ist der steuerfreie Rahmen begrenzt, und sozialversicherungsrechtlich können die Regeln abweichen. In grenzüberschreitenden Fällen – etwa bei Wegzug oder Arbeit in mehreren Staaten – wird die Besteuerung durch Doppelbesteuerungsabkommen geprägt; hier gelten eigene Zuteilungsregeln, die den Rahmen dieses Beitrags sprengen und eine individuelle Prüfung verlangen.

Ergebnis: Steuerfreiheit ist die Ausnahme – gute Planung rechnet sich

Die pauschale steuerfreie Abfindung gibt es im geltenden Recht nicht. Steuerfrei bleiben können echte immaterielle Entschädigungen sowie bAV-Beiträge im Rahmen des § 3 Nr. 63 EStG; darüber hinaus lässt sich durch Timing und die Fünftelregelung die Steuerlast deutlich senken.

Wer verhandelt, sollte die gewünschte Rechtsfolge präzise in den Vertrag schreiben und die Zahlungswege früh mit Arbeitgeber und Versorgungsträger klären. Das minimiert Risiko – und maximiert die Chance, dass genau die Begünstigung greift, auf die es ankommt.

Quellenhinweise: Gesetzestexte zu § 24 und § 34 EStG; Lohnsteuer-Hinweise 2025 zur Zusammenballung; Materialien zur Abschaffung der Fünftelregelung im Lohnsteuerabzug ab 2025; Rechtsprechung und Hinweise zu AGG-Entschädigungen; BMF-Vorgaben und Erläuterungen zu § 3 Nr. 63 EStG sowie bAV-Vervielfältiger; Informationen der Krankenkassen zum Beitragsrecht; Hinweise zum Grundfreibetrag 2025