Der 2024 eingeführte Zuschlag auf Bestandsrenten wegen Erwerbsminderung sollte ursprünglich nur einen Gerechtigkeitslückenschluss markieren. Inzwischen hat er sich zu einer komplexen Reform mit Gewinnern und potenziellen Verlierern entwickelt.
Rund drei Millionen Menschen beziehen den Aufschlag, dessen Auszahlungs‑ und Berechnungssystem zum 1. Dezember 2025 grundlegend umgestellt wird.
Vom „vereinfachten Zuschlag“ zur dauerhaften Rentenkomponente
Seit Juli 2024 wird der Zuschlag parallel zur laufenden Monatsrente überwiesen. Dabei richtet sich sein Betrag ganz schlicht nach dem jeweiligen Rentenzahlbetrag: Er steigt um 7,5 Prozent für Renten, die zwischen Januar 2001 und Juni 2014 begonnen haben, beziehungsweise um 4,5 Prozent für Renten mit Beginn zwischen Juli 2014 und Dezember 2018.
Ab Dezember 2025 entfällt diese Parallel‑Überweisung. Dann fließt der Zuschlag in die normale Monatsrente ein und wird nicht mehr auf Basis des damaligen Zahlbetrags, sondern anhand der persönlichen Entgeltpunkte berechnet.
Damit wächst er künftig automatisch bei jeder regulären Rentenanpassung mit – ein entscheidender Schritt, um ihn dauerhaft und dynamisch zu verankern.
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17 Monate Nachberechnung: für einige ein Plus, niemand muss zurückzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung setzt zum Stichtag 30. November 2025 alle betroffenen Renten neu fest.
Fällt das neue Gesamtrendite höher aus als die Summe aus alter Rente und bisherigem Zuschlag, erhalten Versicherte eine Einmalzahlung: Die monatliche Differenz wird mit 17 multipliziert, weil die Übergangsphase vom 1. Juli 2024 bis 30. November 2025 exakt 17 Monate umfasst.
Liegt die neue Rente niedriger, wird der bis dahin zu viel gezahlte Betrag nicht zurückgefordert; niemand wird also im Nachhinein belastet.
Mehr Einkommen kann weniger Hinterbliebenenrente bedeuten
Mit der Integration in die Hauptleistung gilt der Zuschlag ab Dezember 2025 als reguläres Einkommen. Für Empfängerinnen und Empfänger einer Witwen‑ oder Witwerrente kann dies spürbare Folgen haben, denn ab dann wird der Zuschlag bei der Einkommensanrechnung berücksichtigt. Unter Umständen sinkt die Hinterbliebenenrente entsprechend.
Neue Bescheide, kurze Fristen
Alle Betroffenen bekommen einen neuen Rentenbescheid. Er sollte sorgfältig geprüft werden, denn bei Fehlern bleibt nur ein Monat Zeit für Widerspruch. Die Erfahrung zeigt, dass gerade in Umstellungsphasen Abrechnungs‑ und Datentransferfehler nicht auszuschließen sind. Wer unsicher ist, sollte eine Beratungsstelle der Rentenversicherung oder einen zertifizierten Rentenberater einschalten.
Steuerpflicht rückt näher
Renteneinkünfte bleiben auch nach der Reform steuerpflichtig. Für 2025 steigt der Grundfreibetrag zwar auf 12 084 Euro für Alleinstehende – bei Verheirateten verdoppelt er sich –, doch durch den dynamisierten Zuschlag können viele erstmals oder stärker in die Steuerpflicht hineinwachsen.
Ein Blick in einen aktuellen Online‑Rentensteuerrechner oder eine Probe‑Einkommensteuerberechnung hilft, Überraschungen zu vermeiden.
Was Betroffene jetzt tun sollten
Wer den Zuschlag seit Juli 2024 erhält, sollte die Höhe des Überweisungsbetrags dokumentieren, um später die Neuberechnung plausibel nachverfolgen zu können.
Sinnvoll ist es auch, bereits jetzt die eigene Beitrags‑ und Entgeltpunkteliste aus dem Versicherungskonto abzurufen; sie bildet ab 2025 die Grundlage der neuen Berechnung.
Mit der Entgeltpunkte‑Lösung wird der Zuschlag in das allgemeine Leistungs‑ und Dynamisierungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung integriert.
Ob damit alle Ungleichheiten beseitigt sind, wird sich erst nach den ersten Rentenanpassungen 2026 und 2027 zeigen.
Fest steht: Für die meisten Erwerbsgeminderten bedeutet die Reform langfristig ein Plus, für Hinterbliebene kann sie aber Einbußen mit sich bringen. Wer seine persönliche Situation kennt und die Bescheide prüft, ist auf das neue Kapitel der EM‑Rente vorbereitet.