5 häufig unbekannte Vorteile bei einer Schwerbehinderung

Beschäftigte mit einer anerkannten Schwerbehinderung (GdB ≥ 50) – und in vielen Punkten auch Gleichgestellte (GdB 30/40 mit Bescheid der Agentur für Arbeit) – verfügen über besondere Schutzrechte im Arbeitsleben. Der Überblick zeigt, was 2025 gilt, wo häufige Missverständnisse liegen und wie Betroffene ihre Ansprüche durchsetzen.

Besonderer Kündigungsschutz: ab wann er greift und was er bedeutet

Eine Kündigung gegenüber schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten ist grundsätzlich nur mit vorheriger Zustimmung des Integrations- bzw. Inklusionsamts wirksam. Der Schutz gilt erst nach sechs Monaten ununterbrochener Beschäftigung im Betrieb.

Erfasst sind ordentliche, außerordentliche und Änderungskündigungen; bei befristeten Verträgen ist das Ablaufen der Befristung keine Kündigung, hier ist keine Zustimmung nötig.

Der Schutz greift auch, wenn die Schwerbehinderung offenkundig ist oder der Feststellungs-/Gleichstellungsantrag mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt wurde und später positiv beschieden wird. Arbeitgeber müssen vor einer Kündigung regelmäßig prüfen, ob eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch Anpassungen möglich ist und frühzeitig Präventionsmöglichkeiten (§ 167 Abs. 1 SGB IX) nutzen.

Zusatzurlaub und Befreiung von Mehrarbeit: was genau zusteht

Schwerbehinderte Beschäftigte (nicht: Gleichgestellte) erhalten eine zusätzliche Urlaubswoche pro Jahr, also 5 Arbeitstage bei der 5-Tage-Woche (§ 208 SGB IX). Wird die Schwerbehinderteneigenschaft erst im laufenden Jahr festgestellt, entsteht der Anspruch anteilig je vollem Monat (Zwölftelung).

Ein Verfall kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber rechtzeitig über Urlaubsansprüche und Fristen belehrt hat.

Von Mehrarbeit werden schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte auf Verlangen freigestellt (§ 207 SGB IX). „Mehrarbeit“ meint Zeiten über 8 Stunden werktäglich im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, nicht bloß Überstunden über der persönlichen Regelarbeitszeit.

Anspruch auf leidensgerechte Beschäftigung: Anpassungen mit Zumutbarkeitsgrenze

Arbeitgeber müssen Arbeitsplätze, Arbeitsorganisation und ggf. Arbeitszeiten behinderungsgerecht ausgestalten, soweit dies erforderlich und zumutbar ist (§ 164 Abs. 4 SGB IX). Dazu gehören technische Arbeitshilfen, Umsetzungen oder die Anpassung von Aufgaben.

Für Umbauten und Hilfsmittel stehen Fördermittel (z. B. Integrationsamt, Reha-Träger) zur Verfügung. In Betrieben mit Schwerbehindertenvertretung (SBV) ist diese einzubeziehen; das verbessert erfahrungsgemäß die Lösungssuche.

Teilzeit aus gesundheitlichen Gründen: wann der Anspruch besteht

Schwerbehinderte Menschen haben einen Rechtsanspruch auf Arbeitszeitverkürzung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist (§ 164 Abs. 5 SGB IX). In der Praxis wird der Bedarf meist ärztlich belegt. Der Anspruch steht unter dem Zumutbarkeitsvorbehalt – betriebliche Gründe können ausnahmsweise entgegenstehen.

Gleichgestellte haben diesen besonderen SGB-IX-Anspruch nicht; sie können jedoch über das allgemeine Teilzeitrecht (TzBfG) reduzieren, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Eine einseitige, formlose Arbeitszeitänderung „ab morgen“ gibt es nicht – erforderlich ist eine beantragte und gewährte Reduktion.

Früher in Rente: Altersrente für schwerbehinderte Menschen

Wer einen GdB ≥ 50 hat und 35 Versicherungsjahre erfüllt, kann die Altersrente für schwerbehinderte Menschen beziehen. Für Jahrgänge 1964 und jünger gilt: abschlagsfrei mit 65, frühestens mit 62 bei Abschlägen (max. 10,8 %). Für Jahrgänge 1952–1963 gelten stufenweise Übergangsregeln. Gleichgestellte haben keinen Anspruch auf diese Rentenart.

Seit 1. Januar 2023 sind die Hinzuverdienstgrenzen für vorgezogene Altersrenten aufgehoben; ein Zuverdienst ist grundsätzlich unbegrenzt möglich.

Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber und Ausgleichsabgabe 2024/2025

Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen mindestens 5 % davon mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Wird die Quote nicht erfüllt, fällt eine Ausgleichsabgabe je unbesetztem Pflichtplatz und Monat an.
Für das Erhebungsjahr 2024 (fällig zum 31. März 2025) gelten 140 €/245 €/360 €/720 € je nach Erfüllungsquote, die höchste Stufe (720 €) betrifft Betriebe mit 0 % Beschäftigung.

Für das Erhebungsjahr 2025 (fällig zum 31. März 2026) steigen die Sätze auf 155 €/275 €/405 €/815 €. Die Abgabe hebt die Beschäftigungspflicht nicht auf; ein „Freikauf“ ist nicht möglich. Für kleinere Arbeitgeber bestehen Sonderregeln.

Bewerbung und Offenlegung: Rechte im Verfahren

Grundsätzlich besteht keine Pflicht, eine Behinderung im Bewerbungsverfahren offenzulegen. Eine Offenbarung ist nur erforderlich, wenn Einschränkungen die Eignung für die konkrete Tätigkeit wesentlich betreffen. Ein generelles Fragerecht des Arbeitgebers existiert nicht; zulässig sind nur arbeitsplatzbezogene Fragen bei berechtigtem Interesse (z. B. Arbeitsschutz, zwingende Anforderungen).

Wichtig für den öffentlichen Dienst: Schwerbehinderte und Gleichgestellte, die die Mindestanforderungen erfüllen, sind grundsätzlich zum Vorstellungsgespräch einzuladen (§ 165 SGB IX). Dafür muss die Eigenschaft rechtzeitig in der Bewerbung erkennbar sein. Ausnahmen gelten nur bei offensichtlicher Nichteignung oder in besonderen Konstellationen (z. B. bestimmte kirchliche Arbeitgeber).

So setzen Beschäftigte ihre Rechte praktisch durch

Im Arbeitsalltag bewährt es sich, frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, den Betriebs-/Personalrat und – bei Konflikten – das Integrationsamt einzubinden. Wer Anpassungen oder Teilzeit benötigt, sollte gezielt beantragen und medizinische Unterlagen beifügen.

Bei drohender Kündigung ist Zeit entscheidend: Anträge auf Feststellung der Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung sollten möglichst vor Zugang der Kündigung gestellt werden; die Drei-Wochen-Marke ist hier regelmäßig ausschlaggebend. Kommt es zu Auseinandersetzungen, können Präventions- oder BEM-Verfahren Lösungen eröffnen und die Position im Verfahren vor dem Integrationsamt stärken.

Kurz zusammengefasst:
Kündigungsschutz nach 6 Monaten, Zusatzurlaub nur mit GdB ≥ 50, Mehrarbeit auf Verlangen abwählbar (auch für Gleichgestellte), Anpassungen mit Zumutbarkeitsgrenze, Teilzeit bei gesundheitlicher Notwendigkeit, Schwerbehindertenrente ab 62 (mit Abschlag) oder 65 (abschlagsfrei), keine Hinzuverdienstgrenzen für vorgezogene Altersrenten seit 2023 und höhere Ausgleichsabgabe seit 2024/2025.