BSG: Elterngeld gilt als anzurechnendes Einkommen
01.12.2016
Kassel (jur). Elterngeld muss auf Hartz-IV-Leistungen mindernd angerechnet werden. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Donnerstag, 1. Dezember 2016, verkรผndeten Urteil entschieden und die seit 2011 geltende entsprechende gesetzliche Vorschrift als verfassungsgemรคร angesehen (Az.: B 14 AS 28/15 R). Der 14. BSG-Senat schloss sich damit der Rechtsprechung des ebenfalls fรผr das Arbeitslosengeld II zustรคndigen 4. BSG-Senats an.
Geklagt hatte eine sechskรถpfige Familie aus Halle, die Hartz-IV-Leistungen erhielt. Als die Mutter 2011 ihr viertes Kind zur Welt brachte, bekam sie monatlich 150 Euro Elterngeld. Das Basiselterngeld betrรคgt zwar 300 Euro, hier hatte die Mutter jedoch von der Mรถglichkeit Gebrauch gemacht, fรผr den doppelten Zeitraum ein auf die Hรคlfte reduziertes Elterngeld zu beziehen.
Das Jobcenter Halle wertete das Elterngeld als Einkommen und kรผrzte entsprechend die Hartz-IV-Leistung. Die Behรถrde verwies dabei auf die seit 2011 geltende Regelung, wonach Elterngeld als Einkommen gilt und das Arbeitslosengeld II entsprechend mindert.
Die Familie hielt die Vorschrift fรผr verfassungswidrig. Sie verstoรe gegen den Gleichheitsgrundsatz. So werde beispielsweise Bafรถg- und Wohngeldempfรคngern das Elterngeld nicht als Einkommen mindernd angerechnet.
Der Gesetzgeber habe zudem bei Elterngeldempfรคngern im Hartz-IV-Bezug in unzulรคssiger Weise generell unterstellt, dass sie arbeiten gehen kรถnnten. Sie kรถnne jedoch keine Erwerbstรคtigkeit nachgehen, da sie vier Kinder habe, davon ein Neugeborenes und zwei Kinder im Grundschulalter. Sie habe eine Erziehungsverantwortung. Nach dem Grundgesetz stehe die Familie unter besonderen Schutz.
Das BSG beanstandete die Anrechnung des Elterngeldes als Einkommen jedoch nicht. Auch wenn die Familie vier Kinder habe, sei dies nach dem Gesetz kein Grund, das Elterngeld anrechnungsfrei zu gewรคhren. Die gesetzlichen Bestimmungen stรผnden im Einklang mit der Verfassung, so der 14. BSG-Senat. Die Richter schlossen sich damit der Rechtsprechung des 4. BSG-Senats an.
Dieser hatte am 26. Juli 2016 entschieden, dass einkommensschwache Eltern auf den von der Bundesagentur fรผr Arbeit gezahlten Kinderzuschlag letztlich verzichten mรผssen, wenn Eltern Elterngeld erhalten. (Az.: B 4 KG 2/14 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Eine Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes sei gesetzlich nicht vorsehen. Betroffenen Familien werde auch weiterhin ihr von der Verfassung garantiertes menschenwรผrdiges Existenzminimum gewรคhrt. Eine Ungleichbehandlung liege ebenfalls nicht vor. Denn Hartz IV und der Kinderzuschlag hรคtten eine andere Zielsetzung als das Bafรถg oder Wohngeld und seien daher nicht vergleichbar. Der Gesetzgeber habe zudem bei Familienleistungen einen weiten Gestaltungsspielraum, unter welchen Voraussetzungen er diese gewรคhrt. fle/mwo
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