Mit einem Beschluss vom 22. Oktober 2025 hat das Bundessozialgericht (Az. B 5 R 78/25 B) die Beschwerde eines Rentners verworfen, der seit Februar 2020 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bezieht.
In der Berechnung war wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme ein verminderter Zugangsfaktor berücksichtigt worden; konkret ging es um eine Absenkung um 0,036, was rechnerisch einer dauerhaften Kürzung von 3,6 Prozent entspricht. Der Kläger wollte erreichen, dass die Rente rückwirkend ohne diesen Abschlag neu festgesetzt wird.
Ausgangspunkt für die Klage war ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X aus dem Jahr 2023. Der Mann argumentierte im Kern mit Gleichbehandlungsfragen: Wer schwerbehindert sei und zugleich die Voraussetzungen für „besonders langjährig Versicherte“ (45 Jahre) erfülle, müsse gegenüber nicht schwerbehinderten Versicherten in dieser Gruppe besser gestellt werden.
Die Rentenversicherung lehnte die Neuberechnung ab; das Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigte dies mit Urteil vom 22. Mai 2025 (Az. L 10 R 233/24). Mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts ist dieser Instanzenzug nun beendet.
Warum der Fall in Karlsruhe nicht mehr inhaltlich geprüft wurde
Das Bundessozialgericht hat die Sache nicht erneut inhaltlich aufgerollt. Es ging vielmehr um die formalen Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde. Weil das Landessozialgericht die Revision nicht zugelassen hatte, konnte der Kläger nur über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung versuchen, doch noch eine Revisionsprüfung zu eröffnen.
Dafür gelten strenge Darlegungspflichten. Wer sich auf die „grundsätzliche Bedeutung“ beruft, muss eine konkrete Rechtsfrage formulieren und nachvollziehbar erläutern, weshalb sie über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftig ist.
Nach Auffassung des Bundessozialgerichts gelang dem Kläger genau das nicht. Er habe zwar Fragen aufgeschrieben, aber nicht ausreichend begründet, warum die Antworten darauf rechtlich ungeklärt seien. Zudem habe er sich nicht tragfähig mit der Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG auseinandergesetzt. Das Gericht betonte, dass aus dem Benachteiligungsverbot wegen einer Behinderung kein allgemeines Gebot folgt, Menschen mit Schwerbehinderung rentenrechtlich zu bevorzugen.
Weil die Beschwerdebegründung die Anforderungen des Gesetzes nicht erfüllte, war die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Damit blieb kein Raum mehr für eine Revision.
Die materielle Frage bleibt dennoch klar umrissen
Auch wenn Karlsruhe nicht mehr zur Rentenformel selbst entschieden hat, lässt sich aus dem Verfahrensstand und der gesetzlichen Systematik ablesen, woran solche Begehren regelmäßig scheitern. Der Zugangsfaktor ist gesetzlich dafür vorgesehen, einen früheren Rentenbeginn dauerhaft abzubilden.
Bei vorzeitigen Altersrenten wird er abgesenkt; diese Abschläge sind systematisch als Ausgleich für längere Bezugszeiten angelegt. Die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ist dabei keine „abschlagsfreie Frühverrentung“, sondern eröffnet – je nach Geburtsjahrgang – einen früheren Zugang, der bei zusätzlicher Vorziehung mit Kürzungen verbunden sein kann.
Der Kläger versuchte, aus Gleichheitserwägungen eine rentenrechtliche Besserstellung für schwerbehinderte Versicherte mit 45 Jahren abzuleiten. Dem setzt das Bundessozialgericht in seinem Beschluss zumindest verfassungsrechtliche Leitplanken: Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG schützt vor Benachteiligungen wegen Behinderung, begründet aber nicht automatisch Leistungsansprüche oder eine Pflicht des Gesetzgebers, für jede Konstellation zusätzliche Vorteile zu schaffen.
Was Versicherte aus dem Beschluss mitnehmen können
Die Entscheidung ist vor allem eine Mahnung an die prozessuale Realität: Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde erhebt, braucht mehr als eine als ungerecht empfundene Rentenberechnung. Erforderlich ist eine sorgfältige, rechtswissenschaftlich belastbare Begründung, die die vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung sichtbar verarbeitet und eine offene Rechtsfrage herausarbeitet.
In der Sache zeigt der Fall zudem, wie wichtig die Weichenstellung beim Rentenantrag ist. Wer eine Altersrente vorzeitig beginnt, nimmt in vielen Varianten lebenslange Abschläge in Kauf. Eine spätere „Rückabwicklung“ über das Überprüfungsverfahren gelingt nur, wenn der ursprüngliche Bescheid rechtswidrig war. Dass Gerichte bei wiederholten, im Ergebnis identischen Verfahren zunehmend auf Missbrauchsregeln blicken können, gehört ebenfalls zur Prozesswirklichkeit; das Sozialgerichtsgesetz kennt hierfür eigene Kostenvorschriften.
Rechtslage für jüngere Jahrgänge: Übergangsvorschrift und Dauerrecht
Der Fall betraf einen 1957 Geborenen und damit einen Jahrgang, für den die Altersrente für schwerbehinderte Menschen über die Übergangsvorschrift des § 236a SGB VI geprägt ist.
Für Versicherte ab Jahrgang 1964 gilt die Altersrente für schwerbehinderte Menschen im Dauerrecht nach § 37 SGB VI mit festen Altersgrenzen: abschlagsfrei ab 65, vorzeitig ab 62 mit Abschlägen. Die Deutsche Rentenversicherung weist seit längerem darauf hin, dass die Altersgrenzen in diesem Bereich stufenweise angehoben wurden und der Vertrauensschutz ausläuft, sobald die Übergänge aus den älteren Jahrgängen herausgewachsen sind.
Quellen
Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.10.2025 – B 5 R 78/25 B




